Einlagensicherung in Europa

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22.10.2015
Daten | Fakten | Argumente
THEMA
DER
WOCHE
Einlagensicherung in Europa: Gemeinsame
Standards statt kollektiver Haftung
Der Bankenunion
Zeit geben
Im letzten Jahr wurde für die Banken des Euroraums erstmals eine einheitliche Aufsicht geschaffen. Noch gibt es Anlaufschwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen
Zentralbank und den nationalen Aufsichtsbehörden – das Verständnis für die sehr unterschiedlichen, aus nationalen Traditionen heraus entstandenen Geschäftsmodelle europäischer Banken
muss noch wachsen. Für die nationalen Einlagensicherungssysteme, die in der gesamten EU
Einlagen von Sparern in Höhe von bis zu 100.000 € pro Person schützen, wurden gerade erst
schärfere Regeln festgelegt – die noch bei Weitem nicht überall umgesetzt sind. Auch die neuen
europäischen Regeln, wie eine Bank im Ernstfall so abgewickelt werden kann, dass der Steuerzahler nicht einspringen muss, sind in vielen Ländern noch gar nicht in Kraft. Die Aufmerksamkeit der europäischen Aufsichtsbehörden und der nationalen Regierungen sollte also erst einmal
darauf liegen, die bestehenden Regeln der Bankenunion wirklich im Alltag umzusetzen.
Vereinheitlichung
auf dem kleinsten
gemein­samen Nenner
vermeiden
Zudem spricht viel dafür, dass eine verpflichtende, vereinheitlichte europäische Einlagen­
sicherung sogar zu einem Rückgang des Schutzniveaus führen würde. So garantieren in Deutschland etwa Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht nur 100.000 € pro Kunde im Krisenfall.
Vielmehr verbürgen sie sich als Verbund für die Existenz ihrer Institute. Wenn es zum Ernstfall
käme, würde ein gefährdetes Institut durch Hilfen der anderen Banken seines Verbunds stabilisiert
–damit wären auch die Einlagen der Kunden umfassend geschützt. Mit diesem System solidarischer Haftung ist auch verbunden, dass die Institute sich schon im Vorfeld strengen Regeln und
Kontrollen ihrer Verbände unterwerfen müssen, damit sich unverhältnismäßige ­Risiken gar nicht
erst aufbauen. Ein europäisches Standardmodell würde aber mit hoher Wahrscheinlichkeit weit
hinter einem solchen Schutzniveau zurückbleiben.
Keine Vergemeinschaftung von Staatsschulden-Risiken durch die
Hintertür
Zudem wäre eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherung zum jetzigen Zeitpunkt faktisch
auch eine Vergemeinschaftung von Risiken aus der Staatsverschuldung. Nach den aktuellen Eigen­
kapitalvorschriften gelten Staatsanleihen für Banken – aus Sicht des DIHK ungerechtfertigterweise
– weiterhin als risikolos. Großkreditvorschriften greifen nicht, sodass eine Bank beliebig stark in
die Staatsanleihen ihres eigenen Heimatlandes investieren kann. In den vergangenen Jahren haben
darum Banken gerade in den europäischen Krisenstaaten sehr viel Geld an die eigene Regierung
verliehen. Die Folge: Bei einem Staatsbankrott wären auch die betroffenen Institute oft nicht mehr
überlebensfähig. Mit einer gemeinsamen Einlagensicherung müssten dann aber alle Kreditinstitute
in der Eurozone für die Entschädigung der Sparer dieser Banken geradestehen. Solange es keine
angemessene Behandlung des tatsächlichen Risikos von Staatsanleihen in der Bankenregulierung
gibt, würde eine gemeinsame europäische Einlagensicherung daher vor allem neue Stabilitäts­
risiken schaffen.
Ansprechpartner:
Dr. Tim Gemkow, DIHK Berlin, Telefon 030 20308-1507
Seit Beginn der Verhandlungen über eine einheitliche Bankenaufsicht für die Eurozone kommen
immer wieder Forderungen auf, das Geld der Sparer im Ernstfall durch eine gemeinsame Haftung
der europäischen Banken abzusichern. In seiner Rede zur Lage der Europäischen Union hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nun angekündigt, bis Ende des Jahres den Entwurf für eine
gemeinsame europäische Einlagensicherung vorzulegen. Auf den ersten Blick ist dies vielleicht
ein attraktiver Vorschlag, der angeschlagenen Banken wie etwa in Griechenland vorübergehend
zusätzliche Stabilität verschaffen könnte. Aber insgesamt überwiegen die Nachteile eines solchen
Ansatzes klar.