Arbeitgeberverband Gesamtmetall Voßstraße 16 10117 Berlin 030-55150-0 Stellungnahme Kurzbewertung des Referentenentwurfs des BMAS zu Zeitarbeit und Werkverträgen Der am 16.11.2015 vorgelegte Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze ist in seiner jetzigen Fassung nicht akzeptabel. Die vom BMAS vorgeschlagene zusätzliche Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen schießt in Teilbereichen weit über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags hinaus. Das Gesetzesvorhaben wird in seiner jetzigen Form zu mehr Rechtsunsicherheit für Unternehmen wie für Selbstständige führen. Es überzieht zudem die Wirtschaft mit einer neuen Welle praxisferner und unnötiger bürokratischer Belastungen und zusätzlicher Kosten. Das Gesetz würde damit in einer Phase äußerster wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Unsicherheit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrieunternehmen erheblichen Schaden zufügen. Die zusätzlichen Regulierungen zur Zeitarbeit wären zudem nach der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns die zweite signifikante Hürde für Arbeitssuchende mit geringen Qualifikationen, die nach einem Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen. Noch schlimmer: Teile der vorgeschlagenen Regelungen bedeuten einen direkten Eingriff in bestehende, frei von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelte Tarifverträge und sind damit ein widerrechtlicher Eingriff in die grundgesetzlich verankerte Tarifautonomie. Positiv hervorzuheben ist, dass der Referentenentwurf die Fremdvergabe und unterschiedliche Arbeitsbedingungen nicht als Gradmesser für die missbräuchliche Werkvertragskonstruktionen einschätzt. Auch das enthaltene einmonatige Widerspruchsrecht des Zeitarbeitnehmers ist eine sinnvolle Regelung. Dennoch gilt: Sollte der Referentenentwurf nicht auf dem Verhandlungsweg und unter Einbeziehung der von den Regelungen zentral betroffenen Branchen noch wesentliche und grundlegende Änderungen erfahren, wäre es besser, auf das Gesetzgebungsverfahren im Ganzen zu verzichten. Zu schwer wiegen die negativen realwirtschaftlichen Auswirkungen, die ein Gesetz in seiner jetzigen Form zur Folge hätte. Umgekehrt gilt: Sollte der Referentenentwurf tatsächlich noch substanzielle Änderungen erfahren, stünde einer Einigung nichts im Weg. Dazu zählt, dass Stand: 19.11.2015 Kurzbewertung Referentenentwurf BMAS Zeitarbeit/Werkverträge in den entscheidenden Punkten praxisnahe Regelungen gefunden werden, die auch nicht-tarifgebundenen Unternehmen offen stehen, die deutsche Wirtschaft nicht mit zusätzlichen Kosten oder neuen bürokratischen Hürden belastet wird, dass Instrument der Werkverträge nicht durch praxisferne Abgrenzungskriterien beschädigt wird und es keine Ausweitung der Mitbestimmung durch die Hintertür gibt. Die Kritikpunkte im Einzelnen: 1. Faktisch bedeutet der Referentenentwurf in seiner jetzigen Form ein Ende der Branchentarifzuschläge für die Zeitarbeit, wie sie bislang beispielweise in Tarifverträgen der Zeitarbeit für die Metall- und ElektroIndustrie geregelt sind. Wenn nach 9 Monaten, mit Tariföffnungsklausel spätestens 12 Monaten die gleiche Bezahlung eines Zeitarbeiters zu einem Stammbeschäftigten gewährleistet sein muss, lohnt sich die bislang vereinbarte Zuschlagsregelung für Unternehmen nicht mehr. Diese sieht bislang sich schrittweise erhöhende Zuschläge für den Zeitarbeitnehmer beginnend nach der sechsten Woche des Einsatzes vor. Greift in Zukunft die gesetzliche Regelung, fallen diese Zuschläge bis zum Ende des 9. Monats der Einsatzzeit ersatzlos weg. Die Zeitarbeitnehmer würden so finanziell deutlich schlechter gestellt als bei Beibehaltung der bisherigen Zuschlagsregelung. 2. Eine zugestandene Tarifautonomie nur für drei Monate, also für die Verschiebung der Equal Pay-Grenze von 9 auf 12 Monate durch eine tarifvertragliche Einigung, ist eine Mogelpackung. Zudem steht sie unter einem inakzeptablen Vorbehalt. Der Gesetzgeber formuliert eine Voraussetzung für diese Verschiebung von 9 auf 12 Monate, mit der er massiv in die Verhandlungsgleichgewichte der Tarifparteien eingreift. Er verlangt dafür grundsätzlich Branchenzuschlagstarifverträge. Diese Konditionierung ist ein unzulässiger Eingriff in die Tarifautonomie. 3. Die Forderung des BMAS, dass eine Gleichbezahlung des Zeitarbeitnehmers nicht nur den üblichen Stundensatz beinhaltet, sondern auch etwaige sachbezogene Vergünstigungen des Stammarbeitnehmers wie einen Dienstwagen oder ein Diensthandy – ein faktisches Equal Treatment – schießt weit über den Koalitionsvertrag hinaus und ist absolut praxis- und realitätsfern. 4. Das bisherige, von Gewerkschaften und Arbeitgebern frei ausgehandelte System der Branchenzuschläge ist ein Vorteil, weil dort eine einfache und unbürokratische Annäherung an die Stammbelegschaften erfolgt. Gilt nun trotzdem nach spätestens 12 Monaten nicht nur Equal Pay, sondern ein faktisches Equal Treatment, ist hoher bürokratischer Aufwand zu betreiben. Die Zeitarbeitsunternehmen können eine Entgel- 2 Kurzbewertung Referentenentwurf BMAS Zeitarbeit/Werkverträge tabrechnung gar nicht mehr allein erstellen, da sie bei all ihren Kunden die z.T. komplizierten Entgeltbestandteile gar nicht kennen. 5. Die Höchstüberlassungsdauer für den einzelnen Zeitarbeitnehmer soll laut Referentenentwurf nur von tarifgebundenen Unternehmen über 18 Monate hinaus ausgeweitet werden können – verbandlich organisierte Unternehmen ohne Tarifbindung wären ausgeschlossen. Betroffen wären alleine in den Verbänden der M+E-Industrie über 3.000 OTUnternehmen. Der Gesetzgeber erhofft sich von dieser Regelung eine Steigerung der Attraktivität von Tarifverträgen. Doch Tarifbindung lässt sich nicht mit der Brechstange durchsetzen, sondern nur mit einen für beide Arbeitsvertragsparteien attraktiven und verkraftbaren Regelungen. Das ist und bleibt Aufgabe der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Sonst wird die Tarifautonomie Schritt für Schritt entwertet. Deshalb lehnen die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie, die ja eigentlich von diesem de facto Zwang profitieren sollten, diese Regelung ab. Dieser vom BMAS eingeschlagene Weg ist eine Sackgasse. Stattdessen benötigt wird eine gesetzliche Regelung auch Unternehmen ohne Tarifbindung die Möglichkeit einräumt, auf eine erweiterte Höchstüberlassungsdauer Bezug nehmen zu können. Ein Gesetzentwurf ohne die Möglichkeit einer Inbezugnahme einer erweiterten Überlassungshöchstgrenze für nicht-tarifgebundene Unternehmen ist inakzeptabel. 6. Der Referentenentwurf weitet durch die Hintertür die Unternehmensmitbestimmung aus: Zeitarbeitnehmer sollen bei Schwellenwerten nicht nur in der Betriebsverfassung, sondern darüber hinaus in allen Mitbestimmungsgesetzen mitzählen. Der Koalitionsvertrag spricht nur von betriebsverfassungsrechtlichen Normen und wird an dieser Stelle vom Referentenentwurf des BMAS weit hinter sich gelassenVor kurzem hat das BAG entschieden, dass bei der Frage, welches Wahlverfahren bei der Betriebsratswahl anzuwenden ist, die Zeitarbeitnehmer im Betrieb mitzuzählen sind. Im Gesetzentwurf bzw. der Begründung wird (unter Berufung darauf) nun geregelt, dass die Zeitarbeitnehmer grundsätzlich mitzuzählen sind. Damit dürften viele Unternehmen plötzlich unter das „Drittelbeteiligungsgesetz“ fallen und müssten einen Aufsichtsrat gründen. 7. Der Sanktionskanon bei einem Verstoß gegen die Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungs-gesetzes wird erheblich ausgeweitet. Auch dieser Vorschlag des Referentenentwurfs wird in keiner Weise von den Inhalten des Koalitionsvertrags gedeckt. Die Ausweitung ist in Einzelpunkten für den Einsatzbetrieb überhaupt nicht steuerbar. Es entsteht ein unkalkulierbares Risiko, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Zeitarbeitnehmer zum Einsatzbetrieb entsteht. 3 Kurzbewertung Referentenentwurf BMAS Zeitarbeit/Werkverträge 8. Es wird eine Neudefinition des „Arbeitsverhältnisses“ vorgenommen. Der auch für Werk- und Dienstleistungsunternehmen vorgesehene Kriterienkatalog ist völlig weltfremd und entspricht weitgehend nicht den Kriterien der Rechtsprechung. So wird z.B. ein Arbeitsverhältnis definiert, wenn ein beauftragter Spezialist „die geschuldete Leistung in Räumen eines anderen erbringt“. Das macht im Prinzip einen Klempner, der das verstopfte Waschbecken eines Kunden repariert, auf einmal zum Angestellten des Hausbewohners. Eine Umsetzung dieses Vorschlags würde den Einsatzmöglichkeiten von Werkverträgen in der Industrie ganz erheblichen, unwiderruflichen Schaden zufügen. Ein solcher Kriterienkatalog ist bereits 1998/99 bei dem Thema Scheinselbständigkeit eingeführt worden und hat in der Praxis so wenig getaugt, dass er wenige Jahre später wieder abgeschafft wurde. Der Gesetzgeber wäre gut beraten, sich an diesem gescheiterten Versuch ein Beispiel zu nehmen und auf den Kriterienkatalog ganz zu verzichten. 9. Das im Referentenentwurf enthaltene Streikeinsatzverbot für Zeitarbeitnehmer beeinträchtigt die kaum noch vorhandene Parität in Arbeitskämpfen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Es ist höchst zweifelhaft, ob dieser Passus des Entwurfs einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten wird. 4
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