Arlequin et Colombine von Pablo Picasso

42 KULTUR
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
SAMSTAG, 24. OKTOBER 2015
Auch der Heilige Geist kanns nicht richten
Kunst Die Ausstellung «Angesehen. Gesichter einer Stadt» ist momentan im Basler Münster zu sehen
Bögen, die südliche aus sechs. Ein interessantes Beispiel, wie mit minimalem
Eingriff ein optimaler Denkraum geschaffen wird.
VON SIMON BAUR
Im Basler Münster hatte es bisher moderne Kunst schwer. Die denkwürdige
Abstimmung der Münstergemeinde
über die Annahme der geschenkten
Fensterscheiben nach Entwürfen des
amerikanischen Künstlers Brice Marden ist nicht vergessen. Wenn die
Münstergemeinde also einen weiteren
Versuch macht, moderne Kunst im Kircheninnern zu platzieren, so ist höchste Aufmerksamkeit und auch etwas
Skepsis durchaus berechtigt.
Schwankende Qualität
Regt zum Nachdenken an
Die Ausstellung ist ein Beitrag der
Kampagne «feste feiern» der Evangelisch-reformierten Kirche Basel-Stadt,
die spezielle Veranstaltungen zum Reformationssonntag durchführt, der
jährlich am ersten Sonntag im November gefeiert wird. Empfangen werden
die Besucher von einem Film, den Bianca Pedrina für den Eingangsbereich
speziell entwickelt hat. Zahlreiche Sequenzen zeigen Aspekte des Innenund Aussenraums des Münsters. Mit
den Sockelpartien der Säulen, bröckelndem Putz, Ritzungen, Russablagerungen und Resten von Ölfarben auf
der Fassade wird ein virtueller Rundgang geschaffen, der zum Nachdenken
über die Entstehung des Baus anregt
und zum Schluss in einer Totalen den
Blick auf das Gebäude freigibt. Das Mit-
Der Ausstellung gelingt es nur ungenügend, die Kunst mit der Architektur des Münsters zu verbinden.
telschiff durchschreitend findet sich
links ein Videoloop von Alexandra
Meyer und Chris Hunter, das sie selbst
als Hochzeitspaar präsentiert. Auf der
gegenüberliegenden Seite befindet sich
«Freizeitfreunde» von Ursula Sprecher
und Andi Cortellini, bei dem es sich um
Gruppen- und Einzelporträts handelt.
In der Vierung, also dort wo sich Querund Mittelschiff kreuzen, findet sich die
Leuchtschrift «This Way» von île flottante, Nica Giuliani und Andrea Gsell,
eine metaphorische Kumulation für diverse Lebens- und Glaubenswege. Wie
sich Kunst überzeugend mit sakraler
Architektur kombinieren lässt, zeigt die
NICOLE NARS-ZIMMER
Arbeit «Reflektor 5» von Daniel Göttin.
In die Blendbögen, die das Mauerwerk
unterhalb der Rundfenster im Querhaus akzentuieren, hat er jeweils ein
Aluminiumprofil hineingestellt. Bei genauem Hinschauen erkennt man eine
architektonische
Unregelmässigkeit,
die nördliche Seite besteht aus sieben
Die Kuratorin Françoise Theis, die eine Agentur für Kunstvermittlung betreibt und bei der «Tageswoche» als
Kritikerin schreibt, wurde mit der
Durchführung der Kunstausstellung beauftragt. Was sie zeigt, ist teils absichtlich für die Situation im Münster, teils
auch für andere Zusammenhänge entstanden und diese Ambivalenz führt zu
Ungenauigkeiten und damit zu grossen
Qualitätsunterschieden in der Ausstellung. Zeitgenössische Kunst in sakralen
Räumen ist keine neue Idee, sie besteht
seit Jahrhunderten. Wertvoll ist sie,
wenn sie es schafft, sich mit der bestehenden Architektur zu vereinen. Das
wussten auch Gerhard Richter, Sigmar
Polke und Brice Marden bei ihren Fensterscheiben für Köln, Zürich und Basel.
Räume mit Kunst zu dekorieren, bringt
weder der Kunst, noch den Besuchern
was. Auch der Heilige Geist kann da
nichts ausrichten. Darunter leidet letztlich auch die Ausstellung im Münster.
«Angesehen. Gesichter einer Stadt».
Basler Münster. Bis 8. November. Mo–Fr,
11–20, Sa, 11–16, So, 11.30–17 Uhr. Ein aufliegendes Programmheft informiert über
Werke und Zusatzveranstaltungen.
Assoziationen
wecken!
Mein Lieblingswerk aus
dem Kunstmuseum Basel
(38) Die LDP-Grossrätin Christine Wirz-von Planta, Mitglied
der Bildungs- und Kulturkommission, wählt Pablo Picassos
Zeichnung «Arlequin et Colombine» von 1905.
die klaren Formen, bei Alberto Giacometti den Strich, bei Hodler die Wucht,
bei Segantini die Stimmung und Ruhe,
die er zu vermitteln vermag. Zum Stichwort vermitteln: Für mich ist nicht der
monetäre Wert einer Zeichnung, eines
Gemäldes ausschlaggebend, sondern
die Assoziationen, die geweckt werden.
Schliesslich habe ich mich für «Arlequin et Colombine» von Pablo Picasso
entschieden. Die Leichtigkeit und Fertigkeit, mit wenigen Federstrichen zwei
Figuren spielerisch auf Papier zu zaubern, ist bestechend. Arlequin umschwärmt seine Colombine, und man
spürt förmlich, wie es knistert; seine
Haltung ist von besonderer Eleganz.
Diese schöne Federzeichnung von Picasso ist eines von vielen Zeugnissen seines
grossen zeichnerischen Talentes und
Könnens.
«
Welches Bild mir am besten gefällt im Kunstmuseum Basel – eine Qual der Wahl! Hätte man mir diese
Frage als 10-jährige gestellt, hätte ich,
ohne zu zögern, «Die Pest» von Böcklin
gewählt. Das unheimliche, düstere Bild
hat mich als
Kind erschaudern
lassen
und fasziniert.
Fünf Jahre später hätte ich,
ebenfalls ohne
zu
zögern,
sämtliche Bilder von Paul
Klee genannt,
weil sie meine
Fantasie angeregt haben. Die Christine WirzImpressionisvon Planta
ten, vorab Alfred Sisley, gehören noch heute zu meinen Favoriten. Bei William Turner, einem Meister des Lichts, gerate ich ins
Schwärmen, bei Max Bill bewundere ich
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Diese Zeichnung ist jedoch viel mehr
als eine Zeichnung, denn unweigerlich
weckt sie Erinnerungen an die Commedia dell’Arte und letztlich auch an die
Basler Fasnacht. Bei Basel angelangt,
bleibt die grossartige und einzigartige
Sammlung von 2,4 Millionen Franken für den Verbleib der Gemälde «Les
deux frères» und «Arlequin assis» von
Picasso von 1967 in Basel unvergesslich
haften.»
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Mein Lieblingswerk
Mit der bz-Serie «Mein Lieblingswerk
aus dem Kunstmuseum Basel» wollen
wir während der Zeit der Schliessung
des Basler Kunstmuseums dessen
Schätze in unser Bewusstsein rufen.
Dies, obwohl einige Meisterwerke aktuell im Museum der Gegenwartskunst
(Moderne) und im Museum der Kulturen (Alte Meister) zugänglich sind. Jede
Woche stellt eine Persönlichkeit aus
der Region ihr Lieblingswerk vor.
Am 3. Oktober erklärte die Basler
Künstlerin Bianca Pedrina, weshalb ihr
Louise Lawlers Fotografie «Painting on
Laufener Verputz» von 2003/2004 so
viel bedeutet. Am 10. Oktober hat der
Basler Cembalist und Organist Jörg-Andreas Bötticher, der Mitbegründer der
«Abendmusiken in der Basler Predigerkirche», Caspar Wolfs Gemälde «Der
Geltenschuss im Sommer» von 1777 als
sein Lieblingswerk ausgewählt. Und
am 17. Oktober sagte die Basler Musikwissenschafterin und Kritikerin Martina
Wohlthat, weshalb sie Sebastian Stoskopffs Gemälde «Vanitas – Stillleben
mit Totenkopf»von 1630 so sehr fasziniert. (FLU)
Arlequin et Colombine, 1905, Feder mit brauner Tinte, Kupferstichkabinett.
MARTIN P. BÜHLER / KUNSTMUSEUM BASEL