bz Basel, vom: Samstag, 17. Oktober 2015

38 KULTUR
BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE
SAMSTAG, 17. OKTOBER 2015
Der brillante
Nachfolger
Architekturmuseum Andreas Ruby wird der neue Direktor
VON ELENA MANUEL
Vielleicht ist er der gesuchte Superman,
von dem Hubertus Adam gesprochen hat.
Der Superman, der das Schweizerische
Architektur Museum (SAM) als neuer Direktor sowohl charismatisch nach aussen
vertritt als auch exzellente und gut recherchierte Ausstellungen macht. Vielleicht ist er es wirklich. Sein Lebenslauf
deutet zumindest darauf hin.
Wie der Stiftungsrat gestern verkündete, wird Andreas Ruby ab Mai 2016 an die
Stelle des jetzigen Museumsdirektors Hubertus Adam treten. Letzterem wurde im
Sommer unerwartet gekündet, er verlässt
die Stelle auf Ende Jahr, dazwischen wird
Claudia Haas, Produktionsleiterin SAM,
die Direktion stellvertretend übernehmen. Grund für den Wechsel waren inhaltlich unterschiedliche Vorstellungen
zwischen Direktion und Rat (bz berichtete).
Vielfältiger Macher und Denker
«Mit Andreas Ruby konnte nun ein erfahrener und profilierter Ausstellungsmacher und Architekturtheoretiker für das
SAM gewonnen werden», sagt der Präsident des Stiftungsrates Samuel Schultze.
Der 49-jährige Ruby bringt jedoch mehr
mit als kuratorisches und theoretisches
Know-how. Nach seinem Studium der
Kunstgeschichte an der Universität Köln
lebte er für Forschungszwecke in Paris
und New York. Er arbeitete als Redaktor
für verschiedene Architekturzeitschriften
und gründete 2001 eine Agentur für Architekturkommunikation namens «Textbild», mit der er zahlreiche Projekte verwirklichte. Er kuratierte Ausstellungen für
Museen, Ausstellungszentren und Galerien in Frankfurt, Graz und Berlin. Er organisierte Architekturkongresse für Auftraggeber aus dem öffentlichen Kulturbetrieb, der Privatwirtschaft sowie aus dem
Stiftungsbereich. Seit 2008 führt er zusammen mit Ilka Ruby den Architekturverlag «Ruby Press», mit dem er über 20
Bücher herausgegeben hat. Zudem lehrt
er als Gastprofessor an der Cornell University in Ithaka, in New York, Graz und
Paris.
Humorvolle Architektur
Andreas Ruby verfügt demnach über
Kontakte rund um den Erdball in unterschiedlichen Gefilden — in der Privatwirtschaft und in öffentlichen Institutionen.
Von diesem Netzwerk will der Rat profitieren und erhofft sich, das Schweizerische
Architektur Museum international verankern zu können, wie es in der Pressemitteilung heisst. Zu Rubys Aufgaben zählt
zudem die Verantwortung, als Vorsteher
des einzigen Architekturmuseums der
Schweiz das lokale Kulturgut nach aussen
hin zu vertreten und zu reflektieren.
Wie er diese Aufgabe wahrnehmen
möchte, weiss der 49-Jährige bereits: «Architekturausstellungen werden oft vorwiegend für Eingeweihte gemacht. Das würde
ich gerne überwinden durch leichter zugängliche Darstellungsformen, die ihren
Gegenstand sinnlich und vielschichtig vermitteln.» Er scheue nicht, populäre, spielerische, humorvolle Stilmitteln einzusetzen. «Architektur darf auch unterhalten»,
sagt er. Dasselbe gilt auch für Ausstellungen über Architektur. Ob er seinem brillanten Namen gerecht wird, erfahren wir
nächstes Jahr.
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ZUM MUSEUM
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SAM
Das Schweizerische Architektur Museum wurde 1984 als
Stiftung gegründet und eröffnete als Museum erstmals im
Domus Haus am Pfluggässlein in Basel. Seit 2003 residiert das SAM im Gebäude
der Kunsthalle Basel am
Steinenberg.
Die damalige Direktorin Ulrike
Jehle Schulte-Strathaus führte
das Museum 22 Jahre lang
und zeigte über 100 Ausstellungen. Die konzeptuellen
Schwerpunkte lagen auf bekannten sowie jüngeren
Schweizer Architekten der
Gegenwart und Vergangenheit, Architekturthemen und
monografischen Ausstellungen zu internationalen Künstlern wie Rafael Moneo, Frank
O. Gehry und Rem Koolhaas.
Seit der Gründung hat sich
das Museum zu einer Plattform für Schweizer und internationale Ausstellungen entwickelt.
Bis morgen, 18. Oktober, ist
die Ausstellung «Spatial Positions 10 ‹Der Klang der Architektur›» zu sehen; danach die
Ausstellung «Filmbau.
Schweizer Architektur im bewegten Bild».
www.sam-basel.org
Der 49-jährige Andreas Ruby übernimmt 2016 die Direktion des SAM.
THOMAS KIEROK
«Der sprichwörtliche Zahn der Zeit ist hier abgebildet»
Mein Lieblingswerk aus dem
Kunstmuseum Basel (37) Die
Basler Musikwissenschafterin
und Kritikerin Martina Wohlthat
hat Sebastian Stoskopffs Bild
«Vanitas-Stillleben mit Totenkopf» von 1630 gewählt.
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Mein Lieblingswerk
Mit der bz-Serie «Mein Lieblingswerk aus dem Kunstmuseum» wollen wir während
der Zeit der Schliessung des
Basler Kunstmuseums dessen Schätze in unser Bewusstsein rufen. Dies, obwohl einige Meisterwerke
aktuell im Museum der Gegenwartskunst (Moderne)
und im Museum der Kulturen
(Alte Meister) zugänglich
sind. Jede Woche stellt eine
Persönlichkeit aus der Region ihr Lieblingswerk vor.
Am 26. September sagte der
Basler Architekt Andreas
Bründler vom Büro Buchner
Bründler Architekten, warum
ihn Clyfford Stills Gemälde
«1957 - D No. 2», von 1957 so
sehr fasziniert. Am 3. Oktober erklärte die Basler
Künstlerin Bianca Pedrina,
weshalb ihr Louise Lawlers
Fotografie «Painting on Laufener Verputz» von
2003/2004 so viel bedeutet.
Am 10. Oktober hat der Basler Cembalist und Organist
Jörg-Andreas Bötticher, der
Mitbegründer der «Abendmusiken in der Basler Predigerkirche», Caspar Wolfs
Gemälde «Der Geltenschuss
im Sommer» von 1777 als
sein Lieblingswerk ausgewählt. (FLU)
«
Die stille Welt der Dinge gehört für
mich zum Schönsten. Die Stillleben
alter Meister kamen 2008 in der Ausstellung «Die Magie
der Dinge» im
Kunstmuseum
Basel gross heraus, der Maler
Sebastian Stoskopff war für
mich dabei. Sein
Vanitas-Stillleben verweist auf
die Flüchtigkeit
irdischen
Vergnügens – Lesen, Musizieren, Martina Wohlthat
Würfelspiel, und
auf das Vergehen der Zeit. Die kleine Tischuhr ragt über die vordere Tischkante hinaus – absturzgefährdet, an der Rückwand
hängt ein zerrissener Almanach des Jahres
1630. Damals herrschten in Europa der
Dreissigjährige Krieg und die Pest. Die Kerze im Leuchter ist kurz vor dem Erlöschen,
die Würfel sind gefallen, der auf einen Nagel aufgespiesste Almanach hat schon bessere Zeiten gesehen. Zwei Bücher, ein aufgeblättertes Notenheft, darauf der Totenschädel, der die ihm verbliebenen Zähne
in die Notenblätter schlägt – der sprichwörtliche Zahn der Zeit ist hier ganz realistisch abgebildet.
Das alles taucht Stoskopff in ein fast irreales, klares Licht. Die leicht gewellten
Buchseiten des unteren Folianten sind mit
hellen Pinselstrichen angedeutet, die
Glanzlichter auf den metallenen Oberflächen schimmern brillant, aber auch etwas
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SERIE
Sebastian Stoskopff: «Vanitas-Stillleben mit Totenkopf», 1630, Öl auf Leinwand, 50,3×59,7 cm.
gleichgültig. Der Gleichmut der Dinge gefällt mir. Die Bänder zum Verschliessen des
Buches kringeln sich nachlässig. Aber nun
werden andere Seiten aufgeschlagen – das
Notenheft ist mit solcher Präzision gemalt,
dass die Musikwissenschaft es als die Ober-
stimme eines Liedes vom Komponisten Orlando di Lasso identifiziert hat. Abgebildet
ist der Beginn von Lassos Chanson «Un
bien petit de pres me venez prendre» auf
einen Text des Dichters Clément Marot.
Das «U» wurde damals häufig in Form ei-
MARTIN P. BÜHLER / KUNSTMUSEUM BASEL
nes «V» gedruckt, die Initiale «V» steht für
Vanitas. Im Text geht es um einen Schuldner, der seinen Gläubiger um Aufschub bittet. Aufschub, den wünsche ich mir natürlich auch, um noch länger in den Noten
und Büchern zu lesen.»