38 KULTUR BASEL | BASELLANDSCHAFTLICHE SAMSTAG, 27. JUNI 2015 «Es bewegt sich was» Jubiläum Die Münsterkantorei feiert heute Abend ihr 25-jähriges Bestehen mit einem Konzert im Münster VON ANJA WERNICKE Das Basler Münster ist zweifellos ein ganz besonderer Klangraum, der von vielen Seiten wegen seiner speziellen Akustik und seiner Atmosphäre geschätzt wird und unter Konzertveranstaltern begehrt ist. Die Basler Münsterkantorei (BMK) geniesst da ein besonderes Privileg. An elf Terminen im Jahr tritt der Chor, der vor 25 Jahren aus der Evangelischen Singgemeinde hervorgegangen ist, an Gottesdiensten und Vespern auf. Das Programm wird jeweils thematisch mit dem zuständigen Pfarrer oder der Pfarrerin abgestimmt, zuweilen auch sehr kurzfristig. Der Chor und seine aktuelle Leiterin Annedore Neufeld müssen also nicht nur auf ein reichhaltiges und sattelfestes Repertoire zurückgreifen können, sondern auch flexibel sein. Zu den regelmässigen Auftritten kommen die bereits traditionellen Konzerte vor Weihnachten und am Karfreitag sowie das offene Singen mit der Gemeinde im Advent, zu Ostern und Pfingsten, welches das Neufeld leitet und bei dem sie von Mitgliedern der BMK unterstützt wird. Das erfordert eine ganze Menge Engagement von den rund 60 Mitgliedern, die allesamt freiwillig dabei sind. Ein Engagement, das ZVG Die Basler Münsterkantorei probt fleissig für den grossen Auftritt heute Abend. in seiner Kontinuität heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist. So beschreibt die Vereinspräsidentin Johanna Berfin denn auch den grössten Wandel in der Struktur des Chores: «In den letzten Jahren kommt es häufiger vor, dass einzelne Sängerinnen und Sänger nur projektweise dabei sind. Die jungen Leute wollen sich nicht mehr so verbindlich festlegen. Einige entschei- den sich dann zwar doch für eine ständigere Mitgliedschaft. Doch im Allgemeinen geht der Trend in diese Richtung. Alte bis Neue Musik Ob das die Qualität des Chores mindert oder ob der frische Wind die musikalische Leistung sogar steigert, kann heute Abend im Münster festgestellt werden. Mit einer Mischung aus Alter und Neuer Musik bietet die BMK ein abwechslungsreiches Programm. Höhepunkt ist sicher die Bach-Kantate «Singet dem Herrn ein neues Lied» mit Begleitung des Capriccio Barockorchesters und den Solisten Alexandra Rawohl (Alt), Jakob Pilgram (Tenor) und Stefan Vock (Bass). Eingerahmt wird diese Kantate von A-cappella-Werken aus der Renaissance und dem Barock (Orlando di Lasso, Johann Hermann Schein) bis hin zu Werken des 20. Jahrhundert von Arvo Pärt und Knut Nystedt – und sogar die als sehr schwierig bekannte Motette «O sacrum convivium» von Oliver Messiaen steht auf dem Programm. Der freie Eintritt zu den Konzerten ist dem Chor ein besonderes Anliegen. Berfin betont: «Wir möchten jedem die Gelegenheit bieten vorbeizukommen und in das Konzert hineinzuhören.» Neben dem Singen ist für die meisten anderen Chormitglieder die Gemeinschaft sehr wichtig. Annedore Neufeld, die zunächst Schulmusik in Stuttgart, später Kirchenmusik in Tübingen studiert hat und seit 2006 in der Schweiz lebt, beschreibt auch in dieser Richtung eine positive Entwicklung des Chores: «Es sind viele neue Sängerinnen und Sänger dazugekommen, einige Ältere haben aufgehört, immer wieder waren Projektsänger mit dabei. Es ist also etwas in Bewegung. Ich empfinde den Chor als lockerer und fröhlicher als zu Beginn meiner Tätigkeit im Januar 2012 und auch die Gemeinschaft hat sich verbessert. Ein schönes, neues Chorgefühl ist entstanden.» «Jubilate Deo», Sa, 27. Juni, 19.30 Uhr, Münster Basel, Eintritt frei. «Ein Dokument des Momentanen» Mein Lieblingswerk aus dem Kunstmuseum (21) Richard Wherlock, Ballettdirektor und Choreograf des Balletts Basel, wählt einen Akt von Rodin « Ich habe mich für Auguste Rodins «Gebückter weiblicher Akt mit aufgestützten Händen, vornübergebeugt, auf dem rechten Beine kniend» von 1897 entschieden. Es ist eine Kreide- und Pinsellithographie, deren Leichtigkeit und Zartheit mir besonders gefällt. SERIE ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Mein Lieblingswerk Mit der bz-Serie «Mein Lieblingswerk aus dem Kunstmuseum» wollen wir während der Zeit der Schliessung des Basler Kunstmuseums dessen Schätze in unser Bewusstsein rufen. Dies, obwohl einige Meisterwerke im Museum der Gegenwartskunst (Moderne) und im Museum der Kulturen (Alte Meister) zugänglich sind. Jede Woche stellt eine bekannte Persönlichkeit aus der Region ihr Lieblingswerk aus der Sammlung vor. Am 30. Mai wählte der Schriftsteller Wolfgang Bortlik Walter Kurt Wiemkens «Das Denkmal des Generals» (1937), am 6. Juni stellte Hans-Georg Hofmann, Leiter künstlerische Planung beim Sinfonieorchester Basel, Ernst Ludwig Kirchners Bild «Amselfluh» (1922) vor und am 13. Juni Antonio Loprieno, der scheidende Rektor der Universität Basel, Arnold Böcklins Bild «Odysseus und Kalypso» (1882). Am 20. Juni zeigte Désirée Meiser, künstlerische Leiterin des «Gare Du Nord», Hans Holbeins «Bildnis des schreibenden Erasmus». (FLU) Man muss schon genauer hinsehen um den zarten Umriss zu erkennen; erst ein zweiter Blick lässt die ganze Gestalt erscheinen. Und obwohl Rodin über eine unfehlbare Kenntnis des menschlichen Körpers verfügte, lässt er hier alle Details hinter der zarten Oberfläche verborgen. Rainer Maria Rilke sagte über Rodins Zeichnungen, es seien ‹Akte, die mit jagender Sicherheit Richard Wherlock. gezeichnet sind, Formen, ausgefüllt von allen ihren Konturen, modelliert mit vielen schnellen Federstrichen, und andere, eingeschlossen in die Melodie eines einzigen vibrierenden Umrisses›. Und obwohl dieses Bild für mich eine unglaubliche Ruhe und eine feine Gelassenheit ausstrahlt, ist es genau dieser vibrierende Umriss, der sich beim Erforschen des Bildes auftut und der plötzlich Fragen aufkommen lässt. Warum so? Weshalb diese Haltung? Rodin wollte, dass sich die Modelle für seine Zeichnungen bewegen. Sie sollten nicht still sitzen, sondern natürlich sein, das tun, wozu sie gerade Lust haben. Auch die Dame auf dem Bild wirkt auf mich nicht statisch. Eher dynamisch, als könnte sie den Oberkörper jeden Moment heben und dem Betrachter herausfordernd in die Augen sehen. Der Bildhauer Rodin lässt sein Modell tanzen und wird selbst zum Tänzer. Ein Tänzer mit jagendem Pinsel, schreitenden Federstrichen, nach einer vibrierenden, vielleicht sogar inneren Melodie.» ● «Gebückter weiblicher Akt mit aufgestützten Händen, vornübergebeugt, auf dem rechten Beine kniend», Auguste Rodin, MARTIN P. BÜHLER / KUNSTMUSEUM BASEL 1897. Kreide- und Pinsellithographie, gedruckt von Auguste Clot.
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