Wien 9 MITTWOCH, 11. MÄRZ 2015 Misshandlung? Vorwürfe gegen Wiener Polizei Obligatorisches Foto im Schanigarten Frau klagt nach Festnahme über Verletzungen. Seit etwa 1750 gibt es Schanigärten in Wien, seit vielen, vielen Jahren zudem den unvermeidlichen Fototermin zur Schanigarten-Saisoneröffnung, zu dem Politik und Wirtschaft alle Jahre wieder im März laden. Statt des erkrankten Bürgermeisters posierte gestern Vizebürgermeisterin Brauner mit Wirtschaftskammer-Präsident Ruck (2. v. r.), Kaffeehäuser-Obmann Querfeld (ganz rechts) und Aida-Chef Prousek (l.) vor der Aida auf dem Stephansplatz für die Kameras. [ APA] Patienten flüchten in Privatmedizin Medizin. Wegen langer Wartezeiten und Kapazitätsproblemen in Spitälern und Ordination weichen Patienten vermehrt in den Privatbereich aus. Wer es sich leisten kann, zahlt für die Behandlung. VON KÖKSAL BALTACI Wien. Eine Patientin will sich im Oktober vergangenen Jahres für einen Ambulanztermin im Orthopädischen Spital Speising in Wien anmelden. Angeboten wird ihr ein Termin im November 2015. „Die Patientin dachte, man hätte sich beim Schreiben in der Jahreszahl geirrt. Das war nicht der Fall“, sagt Franz Bittner, Patientenombudsmann der Wiener Ärztekammer. Seit einigen Monaten registriert er deutlich mehr Beschwerden dieser Art über Wartezeiten und Kapazitätsprobleme in Spitälern und Ordinationen – eine der Folgen der Reduktion von Ambulanzdiensten wegen der Gesundheitsreform und der neuen Dienstzeitenregelungen. Ein weiterer Effekt: „Die Patienten scheinen immer mehr in den Privatbereich auszuweichen, wenn sie keine Termine bekommen“, sagt Bittner. „Was mich daran als ehemaliger Gebietskrankenkassenobmann wirklich stört, ist, dass offenbar der kassenfreie Raum (Patienten zahlen trotz Versicherung für Leistungen, Anm.) mit stiller Zustimmung der Kassen weiter ausgedehnt wird.“ Wer es sich leisten könne, zahle eben. Eine Entwicklung, die auch Gernot Rainer, Initiator der neuen Ärztegewerkschaft Asklepios mit mittlerweile rund 900 Mitgliedern in Wien und 1600 in ganz Österreich, beobachtet. „Durch die Leistungsreduktion auch in Ambulanzen der Gemeindespitäler kommt es zu einer Aufstockung der Privatmedizin, denn der niedergelassene Bereich kann die Ausfälle in Krankenhäusern niemals tragen“, beklagt der Lungenfacharzt. „Ignoranz der Gewerkschaft“ Dass die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG) dieses Phänomen mit dem ausgehandelten Vertrag mit dem Krankenanstaltenverbund (KAV) und der Stadt auch noch fördere, bezeichnet Rainer als „irre Ignoranz“. Was seiner Meinung nach auch der Grund dafür ist, dass immer mehr Mediziner der GdG den Rücken kehren und sich Asklepios anschließen. Der KAV hingegen will von Leistungsreduktionen in seinen Ambulanzen nichts wissen. Das neue Ärztearbeitszeitgesetz befinde sich ja erst in der Umsetzung und könne sich daher noch gar nicht auf die Dienstzeiten in den Ambulanzen auswirken. Die neue Gewerkschaft wurde Anfang des Jahres gegründet, sie fordert unter anderem die deutliche Erhöhung des Bruttogrundgehalts bei 40 Wochenstunden sowie eine angemessene Bezahlung der anfallenden Überstunden. Sowohl Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres als auch GdG-Vorsitzender Christian Meidlinger haben sich bereits kritisch über die neue Gewerkschaft geäußert – eine weitere Interessenvertretung für Ärzte sei nicht notwendig. Mitverhandeln durfte Rainer an dem Vertrag, der am Montag von den KAV-Ärzten mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, nicht. Der Gewerkschaft fehlt bisher die sogenannte Kollektivvertragsfähigkeit, die vom Bundeseinigungsamt im Sozialministerium ausgestellt wird. Aber noch diese Woche werde man darum ansuchen, um bei etwaigen Nachverhandlungen mitreden zu können. „Denn sollte die aktuelle Einigung von der GdG und der Stadt gegen den Willen der Ärzte durchgepeitscht werden, wird es zwangsläufig zu weiteren Protestveranstaltungen mit Streikandro- hungen kommen“, sagt Rainer. Dass Szekeres diese Einigung unterschrieben hat und davon mittlerweile nichts mehr wissen will, löst bei Rainer Kopfschütteln aus. „Offenbar war er sich der Tragweite dieses Vertrags nicht bewusst.“ Fehler in der Kommunikation sieht Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) nach der Ablehnung der Einigung. Es sei ein „gutes Paket“ abgeschlossen worden, sagte sie am Dienstag. Als „Patientin, Ministerin und Mensch“ appellierte sie nun an die Beteiligten, sich an den Tisch zu setzen und das Paket zu kommunizieren. Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) zeigt „nicht wirklich Verständnis“ für die Ärzte. Für Nachverhandlungen sieht er „keinen Spielraum“. Nur Notbetrieb im AKH Die Ärzte des AKH, die nicht in die Zuständigkeit des KAV fallen, halten heute, Montag, eine Betriebsversammlung zu den neuen Arbeitszeitregeln ab. Von acht Uhr bis mindestens zwölf Uhr mittags ist daher nur ein Notbetrieb möglich. Auch Operationen können nicht durchgeführt werden. Westenthaler: „Staatsanwälte kontrollieren“ Justizkritik. Nach seinem Freispruch von den Vorwürfen schwerer Betrug und Untreue greift der frühere BZÖ-Chef Peter Westenthaler nun die Anklagebehörden an: Diese sollten sich vor dem Parlament verantworten müssen. Wien. Ex-FPÖ-/BZÖ-Politiker Peter Westenthaler übte nach seinem am Freitag verkündeten Freispruch scharfe Kritik an den Staatsanwaltschaften. Der 47-Jährige – er war abseits der Politik auch Vorstand der Fußballbundesliga – hatte schweren Betrug im Zusammenhang mit einer Million Euro Fördergeld für den Fußballnachwuchs sowie Untreue als Beteiligter hinsichtlich einer 300.000-Euro-Zahlung der Lotterien an die BZÖ-Agentur Orange zu verantworten gehabt. Staatsanwälte sollten sich vor dem Parlament rechtfertigen müssen, forderte Westenthaler am Dienstag in einer Aussendung. „Es kann nicht sein, dass willkürlich und ohne rechtliche Substanz einfach angeklagt, Rufschädigung und Existenzvernichtung betrieben wird, und sich dafür nach einem Freispruch kein Staatsanwalt rechtfertigen muss“, erinnert Westenthaler an Vorschläge, wonach sich Staatsanwälte nach rechtskräftigem Prozessende für ihre Entscheidungen im parlamentarischen Justizausschuss verantworten sollten. Auch sei es an der Zeit, die Kostenfrage bei einem Freispruch neu zu regeln: „Wie kommt ein Freigesprochener dazu, auf dem Großteil der Kosten aus mehrjährigen Ver- fahren, die ins Sechsstellige gehen, sitzen zu bleiben?“ Durch die für ihn zuständige Oberstaatsanwältin von der Korruptionsstaatsanwaltschaft fühlt sich Westenthaler „persönlich diffamiert und beleidigt“. Nach dem viereinhalb Jahre dauernden Verfahren sei es zu „völlig substanzlosen, willkürlichen Anklagen“ gekommen. Urteil nicht rechtskräftig Schon am Freitag nach Verkündung seines Freispruchs (dieser erging im Zweifel für den Angeklagten) hatte sich Westenthaler über die Ausführungen von Oberstaatsanwältin Barbara Schreiber em- pört. Diese habe ihn „als Gauner und Betrüger hingestellt“. Wichtiger Punkt angesichts derart harter Kritik: Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Oberstaatsanwältin ist zwar erstinstanzlich mit ihrer Forderung nach einer „angemessenen Strafe“ abgeblitzt. Sie hat aber sofort angekündigt, Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil zu erheben. Bringt sie dieses Rechtsmittel tatsächlich ein, so ist der OGH am Wort. Und der könnte dann den Freispruch bestätigen, oder den Argumenten der Anklage folgen. In dem Fall ist mit einer Neuauflage des Westenthaler-Prozesses zu rechnen. (m. s.) Wien. Schwere Vorwürfe gegen die Wiener Polizei: Eine 47 Jahre alte Frau gibt an, dass sie in der Silvesternacht in Wien ungerechtfertigt wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen und dabei von Polizisten misshandelt wurde. Wie die Wochenzeitung „Falter“ berichtet, werden auch Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft erhoben. So habe der zuständige Vertreter der Anklagebehörde in seinem Strafantrag gegen die Frau die Darstellung der Polizei übernommen, die den Vorfall als Widerstand sowie als schwere Körperverletzung an Beamten klassifizierte. Der Staatsanwalt habe jedoch weder einen Beamten befragt, obwohl die 47-Jährige Anzeige erstattet hatte, noch ein Video als Beweismittel herangezogen. Die Festnahme erfolgte an einer Tankstelle in der Innenstadt, die Geschehnisse wurden von der Überwachungskamera erfasst. Die Frau konnte die Aufnahmen auftreiben – die Behörden hatten sich nicht für sie interessiert. Der Rechtsanwalt der Frau habe laut „Falter“ beim Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde wegen unmenschlicher Behandlung eingebracht und werde eine Entschädigung einklagen. Der für Mitte März angesetzte Prozess gegen die 47-Jährige sei bis auf Weiteres vertagt worden. (APA) Terrordrohung: Buchmesse abgesagt St. Pölten: Anschlag in Drohbrief angekündigt. St. Pölten. Eine Terrordrohung sorgte am Dienstag für die Absage des Kinder- und Jugendbuchfestivals (Kijubu) in St. Pölten. In einem handschriftlichen Brief, der am Montag an einer der teilnehmenden Schulen eingegangen war, wurde detailliert ein Anschlag mit Sprengstoff angekündigt, wie Polizeisprecher Thomas Heinreichsberger im Gespräch mit der „Presse“ erklärt. Der betreffende Bereich – das Festspielhaus, das Landesmuseum und die Landesbibliothek – wurden durchsucht, Sprengstoff wurde allerdings keiner gefunden. Verfassungsschutz ermittelt Das Niederösterreichische Landesamt für Verfassungsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Die Polizeipräsenz im Kulturbezirk St. Pölten wurde erhöht. Über das Motiv der Drohung war zunächst nichts bekannt. Einen islamistischen Hintergrund schloss die Polizei jedenfalls aus. Das Kijubu hätte von Dienstag bis Sonntag stattfinden sollen. Nach Angaben der Veranstalter werden jedes Jahr bis zu 5000 Kinder erwartet, die an Lesungen, Workshops und Treffen mit Autoren teilnehmen können. (eko/APA)
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