Zivilcourage auf der Anklagebank_MM.der.kriPo_Prozess.3.März.15

Zivilcourage auf der Anklagebank – Freispruch für A.D.!
Zürich, 3. März 2015
Am 7. Juni 2013 demonstrierten rund 30 Studierende bei einer spontanen Platzkundgebung vor der
Universität Zürich gegen Zoltan Balog, ungarischer Minister für « gesellschaftliche Ressourcen»
der FIDESZ-Regierung unter Viktor Orban. Dabei kam es zu zwei Handgemengen, bei welchem ein
langjähriger Studierendenpolitiker unserer Organisation kritische Politik UZH&ETHZ (kurz:
kriPo) auf Grund eines beherzten zivilcourageierten Eingreifens verhaftet worden ist. Die kriPo
fordert die Universitätsleitung auf, sich der Forderung auf Freispruch anzuschliessen und sich
dafür einzusetzen, dass auf universitärem Gelände in Zukunft keine Zivilpolizisten zum Einsatz
kommen. Der Prozess wird am 3. März 2015 14h am Bezirksgericht Zürich öffentlich verhandelt.
Massive menschenrechtliche Kritik an der rechtskonservativen ungarischen Regierung
Die Regierung Orban wird von Menschenrechtsorganisationen aller Couleur kritisiert. So steht z.B.
im Menschenrechtsbericht von Amnesty International: «The OSCE criticized the government for
amending electoral legislation and noted that this and other legislation, including the Constitution,
had been amended using procedures that circumvented the requirement for public consultation and
debate.»1 Die erwähnte eiligst nach der Machtübernahme erlassene neuen ungarischen Verfassung
und Gesetzgebung aus dem Jahr 2011 werden bis heute von VerfassungsrechtlerInnen wie auch vom
EGMR scharf kritisiert. Die Kritik reicht von der Verletzung der Religionsfreiheit2, über die
Verletzung des Rechts auf Wohnen, durch die Verfassungsbestimmung Art. 22, welche die
Grundlage für die Gesetze lieferten, Obdachlose zu inhaftieren 3, über die verfassungsrechtliche
Verankerung einer ethnisch-kulturell definierten Nation, welche einerseits die Rromas ausgrenzt
und Millionen „ethnischer Ungarn“ auf anderen Staatsgebieten verfassungsrechtlich einverleibt4.
Die Kritik des Grundrechts auf fairen und gleichen Zugang zu einem Gericht fand gar Niederschlag
im Lehrbuch Staatsrecht der Universität Zürich:
«Nicht zu übersehen sind in der modernen Staatenwelt autoritäre, teilweise auch totalitäre
Tendenzen in Staaten, die sich formell zur Demokratie bekennen. Autoritäre Gruppierungen können
ihre Machtübernahme mit dem Ziel begründen, nach einem Volksaufstand, einer Naturkatastrophe
oder in einer Wirtschaftskrise Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen. So beschneidet die neue
Verfassung in Ungarn (2011) in Art. 25 die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofes
empfindlich, da er neu Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr offensteht.»5
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https://www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/hungary/report-hungary/
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-04/ungarn-kirchengesetz-menschenrechte-urteil-egmr
http://www.mfa.gov.hu/NR/rdonlyres/46A77335-4C82-4BE1-B467E4C74181969E/0/FragenkatalogderdeutschenAnwaltsvereins.pdf S.2, Absatz 5
http://www.verfassungsblog.de/ungarn-eine-verfassung-zum-frchten/
S. 36, §19 Kaufmann, in: Staatsrecht; Biaggini, Gächter, Kiener (Hrsg.); 2011
Viktor Orban, Zoltan Balog, die rechtsextreme Jobbik, die Paramilitärs und die Rromas
Schliesslich werden der Regierungspartei rege Kontakte mit der neofaschistischen Partei Jobbik
nachgesagt. Zoltan Balog verlieh im März 2013 drei der Jobbik nahestehenden rechtsextremen
Künstlern und Publizisten die jeweilig höchste staatliche Ehrenauszeichnung, was allgemein als
Zeichen der partnerschaftlicher Dankbarkeit gewertet wurde:
Einer der Preisträger war Janos Petras. Dessen Band Karpatia gilt als die "Hausband" der Jobbik,
welche auch den Marsch für die zwischenzeitlich verbotene paramilitärische Ungarische Garde
komponierte. Die Band besingt gemäss Spiegel online die „unbefleckte Nation“ und ruft zur
gewaltsamen Veränderung der Grenzen Ungarns auf. 6 Unter dem Gesichtspunkt dieser
Preisverleihung und dass die ungarische Garde und ihre Nachfolgerorganisation Neue ungarische
Garde in systematische gewaltsame Angriffe auf Rromas verwickelt ist, mutete der Vortragstitel von
Zoltan Balog «Romas. Problem oder Chance? » im besten Fall als zynisch an.
Der Vorfall vom 7. Juni aus Sicht des Beschuldigten
Vorgängig sei noch erwähnt, dass der Protest im Schatten der Ermordung des studentischen
Aktivisten Clement Merik durch Neonazis in Paris zwei Tage zuvor stand. Die kriPo und das resau
d'action (resacte) verbreiteten hierzu am 6. Juni eine Trauerbekundung 7 und veranstalteten am 11.
Juni eine kleine Solidaritätsfotoakation.8
Die Kundgebung am 7. Juni unter dem Slogan «Faschisten an der Uni. Problem oder Chance?» war
gemäss Mitgliedern der kriPo von Beginn weg Anfeindungen seitens der Vortragsbesuchenden
ausgesetzt. Bei einer hitzigen Diskussion9 griff ein älterer Mann eine Kundgebungsteilnehmerin
rabiat
am
Arm.
Ein
anderer
begann
aggressiv
keinen
halben
Meter
entfernt
KundgebungsteilnehmerInnen zu fotografieren. Uniformierte Polizei war zu diesem Zeitpunkt noch
keine vor Ort, dafür, wie sich später auf Fotos herausstellte, mind. 5 ZivilpolizistInnen. In dieser
bereits aufgeheizten Diskussion versuchte aus dem Blickwinkel von A.D. ein sich später als
Zivilpolizist herausstellende Person einen Kundgebungsteilnehmer von hinten zu packen 10. Der an
der UZH vielfältig engagierte A.D., der als Reaktion auf das erste Handgemenge eine Protestnote 11
via Megafon am Verlesen war, reagierte geistesgegenwärtig und versuchte den Angreifer von hinten
wegzuziehen12. Daraufhin wurde er von eiligst herbeieilenden uniformierten Polizisten verhaftet.
Wäre der Auslöser des Handgemenges kein Zivilpolizist gewesen, sondern ein unfreundlich
gestimmter Angreifer, hätte ein Zögern und ein Fehlen der Zivilcourage möglicherweise ähnlich
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http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-ehrt-antisemiten-mit-orden-a-889331.html
http://www.kripo.uzh.ch/2013/06/06/solidaritat-mit-clement-meric/
http://www.kripo.uzh.ch/2013/06/11/soli-clement/
Vgl. Www.newspictures.ch JOD_20130607005
Ebd.: JOD_20130607003
http://ch.indymedia.org/de/2013/06/89821.shtml
Vgl. Www.newspictures.ch: JOD_20130607009
schlimme Konsequenzen haben können, wie bei Clement Meric. In solch einer Situation kann von
keiner Person erwartet werden zuerst die Wahrscheinlichkeit abzuwägen, ob dieses Person nun
eventualiter ein ziviler Polizist sei oder doch eher ein rechtsgerichteter oder aus sonstigen Gründen
aggressiver Angreifer, um keinem Sachverhaltsirrtum zu unterliegen.
Der Zivilpolizist macht nun heute vor Gericht zwei kleine Schürfwunden am Knie und Schmerzen
im Daumen als leichte Körperverletzung geltend. In Anbetracht der beschriebenen Umstände und
der faktischen wie theoretischen Bedrohungslage gegen die KundgebungsteilnehmerInnen (vgl. Art.
13 StGB)13 handelte A.D. in unseren Augen in Notwehr respektive in Notwehrhilfe und dies in einer
angemessenen Weise. (Art. 15 StGB) Es ist auch fraglich ob die beiden Verletzungen überhaupt
durch das beherzte, aber wie auf den Pressefotos zu erkennen verhältnismässige, Eingreifen unseres
Mitglieds verursacht wurden. Der Zivilpolizist schlug noch, wie auf den Fotos zu erkennen ist, eine
Person mit einem gezielten Boxschlag nieder14, nachdem er sich aus der Umklammerung von A.D.
befreit hatte.
Hätten Sie diese Person als Zivilpolizisten erkannt?
Anstatt eine engagierte Person für Zivilcourage auf die Anklagebank zu setzen, sollte die Polizei
ihre Praxis überdenken und nicht zivile Polizisten auf universitärem Grund gegen eine
menschenrechtlich orientierte Kundgebung einsetzen. Insbesondere der Einsatz von Zivilpolizisten,
welche auch von ihrem Äusseren und Auftreten überdies eher als aggressiv gestimmte
Vortragsbesuchende wahrzunehmen sind, ist in kritisch zu hinterfragen. Oder hätten Sie, liebe
LeserInnen, geschätzte JournalistInnen mit genügender Gewissheit die folgende Person als
Polizisten erkannt? (Fotos online auf Newspictures.ch und zs-online.ch abrufbar)
13 http://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19370083/index.html
14 Vgl. Www.newspitcuters.ch: JOD_20130607012
UZH-Grundrechtsskandale Einhalt gebieten!
In der Nahen Vergangenheit gab es bereits zu viele Grundrechtsskandale an der UZH. Namentlich:
•
Der Zensurskandal, in welchem die gleiche Technik wie in Diktaturen z.B. Burma
angewendet wurde;15
•
Der Toilettenüberwachungsskandal durch den immer noch im Amt weilenden und an der
Kundgebung
ebenfalls
fleissig
fotografierenden
Sicherheitsverantwortlichen
René
Zimmermann;16
•
Der Skandal um die Weitergabe von E-Maildaten von UZH-Angehörigen inkl. Studierender
der kriPo, welche im Netz der Universität Kontakt mit den Medien pflegten!17
•
Und der vorliegende Fall mit dem Einsatz von mind. 5 Zivilpolizisten gegen 30-50 ihre
Meinung kundtuender Studierender.
Wir erwarten nun vom Rektor und der Universitätsleitung, dass
•
Diese sich klar für die Einhaltung der Grundrechte – sowohl im physischen wie auch im
virtuellen Raum – einsetzen;
•
Sie sich für Zivilcourage und einen Freispruch von A.D. aussprechen;
•
Und dass sie dafür sorgen, dass auf universitärem Grund in Zukunft keine Zivilpolizisten
gegen Studierende eingesetzt werden oder diese bespitzeln.
Nur ein Freispruch schützt die Grundrechte!
Alles andere als ein Freispruch wäre ein harter Schlag ins Gesicht für alle menschenrechtlich- und
zivilcouragiert denkenden und handelnden Menschen! Zivilcourage darf kein Verbrechen
werden!
Im Namen der kritischen Politik
Der Vorstand & A.D.
Rückfragen per Telefon ab Di. 12:30 bis Mittwochabend gerne an 078 972 19 17
ansonsten per Mail [email protected]
15 http://www.kripo.uzh.ch/2014/03/19/abschaffung-netzzensur/
16 http://www.zs-online.ch/zs-print/zs-2-11/illegale-bilder-einem-studenten-gezeigt/
17 http://www.kripo.uzh.ch/2013/11/01/rasterfahndung-nach-whistleblower-an-der-universitaet-zuerich/