Arbeitsplätze in Gefahr - was tun? - Welt der Arbeit

Arbeitsplätze in Gefahr - was tun?
Notfall-Konzeption zur Sicherung von Arbeitsplätzen
In vielen Betrieben verlangt die Geschäftsleitung eine spürbare Reduzierung der
Personalkosten. Häufig werden die Beschäftigten durch Androhung von Entlassungen,
Auslagerung von Aufträgen oder gar Schließung des Betriebes zum Verzicht auf
betrieblich oder tariflich vereinbarte Leistungen gezwungen. In der Regel fehlt jedoch
eine sachverständige Prüfung der wirtschaftlichen Situation durch Veranlassung des
Betriebsrates. Er soll in der Regel die Erklärungen der Geschäftsleitung ungeprüft
hinnehmen. In einer solchen Situation sollte der Betriebsrat mit Unterstützung der
zuständigen Gewerkschaft eine betriebswirtschaftliche Untersuchung veranlassen.
Betriebsräte sind in der Regel mit folgender Entwicklung konfrontiert:
• Der betroffene Betrieb ist in akuten wirtschaftlichen Nöten. Oftmals bestehen
schon Liquiditätsschwierigkeiten und der Kreditrahmen der Hausbanken ist
ausgeschöpft.
• Betriebsrat und Gewerkschaft sind mit Verzichtsforderungen der
Geschäftsleitung auf betriebliche Sozialleistungen und/oder Einschnitte in die
Tarifverträge konfrontiert.
• Zur Begründung werden konkrete oder allgemeine Hinweise auf eine sehr ernste
wirtschaftliche Situation gegeben und Forderungen von Banken zitiert.
Für Betriebsrat und Gewerkschaft ergeben sich dadurch folgende Probleme:
• Wenn Fakten bzw. Zahlen seitens der Geschäftsleitung vorliegen, fehlt die
Erfahrung und /oder Qualifikation, diese zu hinterfragen.
• In vielen Fällen liegen die notwendigen Informationen aber auch nicht vor und
müssen angefordert werden. Gleichwohl ist die Bereitschaft des Unternehmens,
sie in der Krise herauszugeben, meistens vorhanden.
• Betriebsrat und Gewerkschaft sind sich über die reale Situation des Unternehmens im Unklaren. Sie sind darauf angewiesen, sich erst einmal ein eigenes
Bild von der Lage zu machen, bevor man mit der Geschäftsleitung fundiert über
Sanierungskonzepte, Opfer der Beschäftigten oder andere Wege diskutieren
kann.
• Betriebsrat und Gewerkschaft stehen unter erheblichen Zeitdruck
Ziele des Betriebsrates und der Gewerkschaft sind:
• Sachverständige mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen (Kosten §40
BetrVG).
• Durch das Gutachten sowohl zeitlich als auch inhaltlich neuen Spielraum zu
gewinnen.
• Entscheidungshilfen durch eine Bewertung der analysierten Tatbestände zu
erreichen.
•
•
Aufknacken von Totschlagargumenten der Geschäftsleitung zu ermöglichen
(...gegen den Markt kann man nichts machen).
Über die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherung der
Arbeitsplätze qualifiziert verhandeln zu können.
Grundlage ist folgende Konzeption:
1.
Betriebswirtschaftliche Analyse
Der Betriebsrat verlangt eine Untersuchung der wirtschaftlichen Situation des Betriebes
durch einen externen Sachverständigen seiner Wahl entsprechend § 80 Ziffer 3
BetrVG, um Erforderlichkeit und Vertretbarkeit, Form und Umfang eines eventuellen
Sanierungsbeitrags der Beschäftigten abschätzen zu können. Die Kosten dieser
betriebswirtschaftlichen Analyse hat die Geschäftsleitung entsprechen § 40 BetrVG zu
tragen.
Als Sachverständige empfehlen sich die Experten der Technologieberatungsstelle beim
DGB in NRW (TBS), die schon in vielen Firmen betriebswirtschaftliche Analysen
durchgeführt und mit den Betriebsräten Vorgehens- und Verhaltensweisen in der
zumeist schwierigen wirtschaftlichen Situation beraten haben.
2.
Entwicklung einer Konzeption zur Zukunftssicherung des Unternehmens
Auf der Grundlage der durchgeführten betriebswirtschaftlichen Analyse verlangt der
Betriebsrat von der Geschäftsleitung konkrete Lösungsvorschläge zur Überwindung
der wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dabei müssen die Ursachen der Krise offen
diskutiert und beseitigt werden. Die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und
eine entscheidende Verbesserung der Ertragssituation des Unternehmens können
jedoch in der Regel nicht alleine durch Kostenersparnisse erreicht werden.
Die Geschäftsleitung muss überzeugend darlegen, wie sie zum Beispiel durch neuen
Kapitaleinsatz, durch Innovationen, also neue bzw. bessere Produkte und
Dienstleistungen, durch eine optimalere Arbeitsorganisation, durch Abbau betrieblicher
Hierarchien und Maßnahmen zur Qualifizierung und Motivierung der Beschäftigten die
Zukunft des Unternehmens sichern will.
Der Betriebsrat sollte sich auch mit den Hausbanken des Unternehmens in Verbindung
setzen und ein Gespräch verlangen. Er muss die Bedingungen der Banken kennen,
um zu einer realistischen Einschätzung der Zukunftschancen des Unternehmens
kommen zu können.
Es gibt auch zahlreiche Förderprogramme der Landesregierung von NordrheinWestfalen und der Europäischen Gemeinschaft für Betriebe, die durch die
technologische Entwicklung und strukturelle Veränderungen in wirtschaftliche
Schwierigkeiten geraten sind.
3.
Sicherung der Arbeitsplätze
Es macht Oberhaupt keinen Sinn, wenn Belegschaften Opfer bringen und alles geht
weiter wie bisher. Erst wenn eine überzeugende und realistische Konzeption für die
Zukunftssicherung des Unternehmens vorliegt und durch Sachverständige, die den
Betriebsrat beraten, Unterstützung findet, kann über einen Sanierungsbeitrag der
Belegschaft verhandelt werden unter der Voraussetzung, dass 1. die Maßnahmen
befristet sind und 2. im vereinbarten Zeitraum keine betriebsbedingten Kündigungen
erfolgen.
Bevor über befristete Verzichte auf Leistungen aus Tarifverträgen (z.B. Urlaubsgeld,
Jahresleistung, Überstundenzuschläge) beraten wird, sollte geprüft werden, ob die
Reduzierung der Personalkosten durch Kürzung übertariflicher Leistungen möglich ist.
Sollte dies nicht möglich oder ausreichend sein, muss festgestellt werden, in welcher
Form eine Tarifbindung besteht.
Ist der Betrieb Mitglied im zuständigen Arbeitgeberverband oder besteht ein Firmentarifvertrag dann gelten die Tarifverträge unmittelbar und zwingend. Nach dem Tarifvertragsgesetz sind Tarifnormen unabdingbar. Das heißt, ein Verzicht ist rechtsunsam. Nur die Tarifvertragspartelen können eine Veränderung der bestehenden Normen
vereinbaren.
In vielen Fällen wurden die Tarifverträge in der Vergangenheit angewendet, obwohl der
Betrieb nicht dem zuständigen Arbeitgeberverband angehört und auch keinen
Firmentarifvertrag vereinbart hat. In einem solchen Fall kann die Geschäftsleitung die
betriebliche Übung mit einer rechtzeitigen Ankündigung ändern.
Wenn die Tarifverträge durch eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag zur Anwendung
kommen, wird die Geschäftsleitung von diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das
Einverständnis für künftige Abweichungen von den Tarifverträgen verlangen oder eine
entsprechende Änderungskündigung aussprechen.
Der Betriebsrat kann bekanntlich in keinem Falle Verzichte auf tarifliche Leistungen
vereinbaren! Solche Vereinbarungen sind rechtsunwirksam! Das heißt, jeder
Beschäftigte kann im Falle einer bestehenden Tarifbindung seine Ansprüche weiterhin
uneingeschränkt geltend machen!
Die Angst der Beschäftigten vor dem Verlust der Arbeitsplätze fördert die Bereitschaft,
auf tarifliche Rechte zu verzichten. Die Gewerkschaft darf die daraus entstehenden
Probleme nicht ignorieren und undifferenziert mit dem Verweis auf die bestehenden
Tarifverträge beantworten.
Es muss im Einzelfall sorgfältig geprüft werden, ob zur Erhaltung von Arbeitsplätzen
befristete Abweichungen von bestehenden tariflichen Normen durch die
Tarifvertragsparteien notwendig sind!
Die Tarifvertragsparteien könnten zum Beispiel vereinbaren, dass die Belegschaft dem
Arbeitgeber die Erfüllung konkret festgelegter Teile tariflicher Ansprüche bis zu einem
bestimmten Termin oder bis zur Erreichung einer festgelegten Rendite kreditiert!
Die Maßnahme sollte zuvor sorgfältig mit den sachverständigen und
gewerkschaftlichen Beratern des Betriebsrates erörtert werden!
Die Gewerkschaft muss in vielen Fällen ihre Kompetenz und Tarifzuständigkeit
zurückgewinnen und damit Betriebsräte und Belegschaften von Überforderungen durch
die Geschäftsleitung entlasten und vor Fehleinschätzungen bewahren.
Die Betriebsräte müssen darauf vertrauen können, dass sie durch die Einbeziehung
ihrer Gewerkschaft sachgerechte Lösungen finden. Schließlich ist es auch eine
Chance, die Beteiligungsrechte von Betriebsräten zu stärken! Die Unternehmer
müssen Macht abgeben!