Verschachtelte Wurzeln oder Von der „Kunst“ Einfaches kompliziert auszudrücken 1 = 2 − 2= 1 1 1 1 + − + − + − + ... 4 4 4 4 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 ... Martin Rheinländer Institut für Angewandte Mathematik Universität Heidelberg [email protected] http://www.numerik.uni-hd.de/~mrheinla Vortragsfolien mit zusätzlichen Kommentaren Von der „Kunst“ Einfaches kompliziert auszudrücken In älteren Texten findet man häufig Bandwurmsätze, die sich durch die mehrmalige Verschachtelung von Nebensätzen über viele Zeilen erstrecken und manchmal ganze Absätze füllen. Dadurch läßt sich die Aussage solcher Sätze oft selbst nach der zweiten und dritten Lektüre nur schwer erfassen. Zumindest ergeht dies den meisten heutigen Lesern so und man fragt sich, ob Leser in früheren Zeiten die Sperrigkeit übermäßig länger Sätze nicht ganz ähnlich empfunden haben müßten. Immer noch müssen sich auch manche wissenschaftliche Disziplinen die berechtigte Kritik gefallen lassen, durch einen Hang zu unnötig verklausulierten Formulierungen und Fachtermini Außenstehenden aufgrund der vermeintlich schweren Verständlichkeit Respekt abverlangen zu wollen. Die bevorzugte und angestrebte Ausdrucksweise in der Mathenatik ist eigentlich von Natur aus klar und präzise, obgleich auch hier Ausnahmen die Regel bestätigen mögen. Die gelegentliche Darstellung einfacher Zahlen durch unübersichtlich verkettete Terme hat wohl vor allem einen spielerischen, unterhaltenden oder scherzhaften Charakter, 4 z.B.: 1 = cosh log sin( x ) 2 + cos( x) 2 + 1 − 15 . ( (( ) )) Die Auflösung ist trivial, sofern die Eigenschaften gewisser elementarer Funktionen bekannt sind. Demgegenüber gestaltet sich das Vereinfachen unendlich oft verschachtelter Wurzeln deutlich schwieriger und bedarf zur sauberen Begründung eines Beweises. Dabei ergeben sich einige verblüffende Beobachtungen: Weder ergibt − 14 geschweige denn − 14 + − 14 + − 14 rein reell einen Sinn. − 14 + − 14 + − 14 + ... aber schon! x + x + x + ... involviert eigentlich nur eine einzige Wurzel. Die Grenzfunktion von 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2) ... ist sogar affin − linear. Fast ein philosophisches Problem : 0 + 0 + 0 + ... = 0 oder doch 0 + 0 + 0 + ... = 1 (aus Stetigkeitsgründen)? Bei der Kunst des Lehrens (Didaktik) geht es bekanntlich nicht darum, zu erklärende Zusammenhänge durch umständliche Erläuterungen zu verschleiern. Vielmehr besteht das Ziel darin, auch für schwierige Sachverhalte eine eingängige, möglichst einfache aber dennoch zutreffende Erklärung zu finden. Wozu dann bandwurmartige Formelungetüme wie verschachtelte Wurzelterme in einer Didaktikveranstaltung? Tatsächlich ist die Beschäftigung damit lehrreicher als man zunächst denken mag. Wem das nicht als Motivation genügt, den überzeugt vielleicht die kleine nachfolgende (freilich etwas überspitzte) Geschichte aus der Schule. Man beachte, daß sich im Grenzwert auch vieles vereinfachen kann. So ist ggf. eine unendlich oft verschachtelte Wurzel einfacher zu berechnen als eine zehnfach verschachtelte Wurzel. 1 Aufhänger: Mysteriöser Wurzelterm in der Schule Vormittags in der Mathestunde vertieft man meist die Rechenkunde. Diesmal aber sind Carl und Fritz am Schwätzen; ein solches Verhalten weiß der Pauker nicht zu schätzen. Konkret steht diesmal auf dem Programm, daß man Wurzeln negativer Zahlen nicht ziehen kann, Wer aber den Unterricht derart stört, der hat meist auch nicht zugehört. solange man nur das Reelle betrachtet und Komplexwertiges nicht beachtet. So fragt er Carl mit List, was die Wurzel von minus Einviertel ist. Doch dies ist in der Schule kein Thema, wichtig ist hier vor allem das Schema. Dieser antwortet und spricht: „Herr Lehrer, die gibt es nicht. Am Beispiel erklärt der Lehrer, wie es geht, insbesondere wo das Minuszeichen steht. Doch ganz unumwunden, wir haben etwas Merkwürdiges gefunden.“ „Wurzel von minus Vier macht keinen Sinn, doch schreibt man das Minus vor die Wurzel hin, Dabei reicht er ein Blatt mit einem langen Term. Diesen sieht der Lehrer gar nicht gern, so ergibt sich ganz zweifelsfrei das Negative der Zwei.“ 1 = 2 Die Unbesonnenheit der Schüler ahnend, wiederholt der Lehrer nochmals mahnend: „Setzt das Minuszeichen niemals in die Wurzel hinein, denn diesen Fehler werd‘ ich nicht verzeih‘n. Wurzeln negativer Zahlen sind nicht erklärt, wer sie dennoch schreibt, macht‘s verkehrt.“ Dann fragt er zur Kontrolle, ob jemand den Stoff rekapitulieren wolle. Normalerweise wird es mucksmäuschen still, wenn der Lehrer etwas wissen will. − 1 1 1 1 + − + − + − + ... 4 4 4 4 ist er doch ziemlich irritiert, diese Reaktion hatte er nicht antizipiert. Wie kann das nur gelingen, wenn‘s denn zugeht mit rechten Dingen? Nun blickt der Lehrer fragend drein, was kann des Rätsels Lösung sein? Beispiel 1 Iterierte Wurzeln als rekursive Folgen w := Verallgemeinerung: w( x ) : = 1 + 1 + 1 + 1 + ... = ? zunächst x ≥ 0 x + x + x + x + ... Definition als Folge, um Pünktchen-Notation zu präzisieren: spezielle Initialisierung allgemeine Initialisierung w1 ( x ) : = x w1 ( x ) : = s w2 ( x ) : = x+ x w2 ( x) : = x+s w3 ( x) : = x+ x+ x w3 ( x ) : = x+ x+s w4 ( x ) : = x+ x+ x+ x w4 ( x ) : = x+ x+ x+s M Rekursive Definition der Folge (wn(x))n für x≥0: M w1 ( x ) : = s wn +1 ( x ) : = x + wn ( x ) Konvergenz ? Falls ja, hängt Grenzwert w( x) := lim wn ( x ) vom Startwert s ≥ 0 ab? n →∞ 2 Beispiel 1 Monotonieverhalten Konvergenzkriterium: Monotonie & Beschränktheit ⇒ Konvergenz Monotonie: i) w1 ( x) < w2 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : wn ( x) < wn +1 ( x) ⇔ Folge ist streng monoton wachsend ii) w1 ( x) > w2 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : wn ( x) > wn +1 ( x) ⇔ Folge ist streng monoton fallend iii) w1 ( x) = w2 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : wn ( x) = wn +1 ( x) ⇔ Folge ist konstant Nachweis per Induktion Induktionsanfang ist durch die jeweilige Voraussetzung gegeben. Induktionsschritt: Fall i) wn ( x) < wn +1 ( x) ⇒ wn +1 ( x) < wn + 2 ( x) Induktionsvoraussetzung Fall ii) & Fall iii) ergeben sich völlig analog durch Ersetzen des „Größer-Zeichens“. Induktionsbehauptung wn ( x) < wn +1 ( x) ⇔ x + wn ( x) < x + wn +1 ( x) ⇔ x + wn ( x) < ⇔ Monotonie der Wurzelfunktion x + wn +1 ( x) wn +1 ( x) < wn + 2 ( x) ■ Beispiel 1 Formale Berechnung des Grenzwertes Herleitung einer Gleichung für den Grenzwert w(x) aus der Rekursionsgleichung unter der Annahme vorhandener Konvergenz: w( x ) = lim wn +1 ( x ) = lim x + wn ( x ) = n →∞ x + lim wn ( x ) = n →∞ n →∞ x + w( x ) Stetigkeit der Wurzelfunktion Grenzwert ergibt sich als Fixpunkt der Iterationsfunktion: w( x ) = ⇒ w( x ) 2 = x + w( x ) ⇒ w( x ) ∈ Beachte: s, x > 0 I: w a x+ w x + w( x ) { 1 2 − ⇒ x + 14 , 1 2 + x + 14 } ∀n ∈ N : wn ( x) > 0 Die negative Nullstelle der quadratischen Gleichung für w(x) ist zu verwerfen. ⇒ w( x) = 1 2 + x + 14 Allerdings w(0) ∈ { 0 , 1 }. Keine der beiden Möglichkei ten ist à priori ausgeschlo ssen. Sofern ein Grenzwert existiert, hängt dieser für x > 0 nicht vom Startwert s≥0 ab sondern nur von x. 0 falls s = 0 1 falls s > 0 Ausnahme für x = 0: w(0) = Falls s = x : keine Vertausch barkeit der Grenzwerte : lim lim wn ( x) = 0 ≠ 1 = lim lim wn ( x) n→∞ x→0 lim Aus demselben Grunde wie: nlim →∞ x→0 n x→0 n→∞ x = 0 ≠ 1 = lim lim n x x →0 n →∞ 3 Beispiel 1 Beschränktheit Formal ermittelter Grenzwert als obere bzw. untere Schranke (bei entsprechender Initialisierung). i) 1 2 + x + 14 > w1 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : 1 2 + x + 14 > wn ( x) ii) 1 2 + x + 14 < w1 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : 1 2 + x + 14 < wn ( x) iii) 1 2 + x + 14 = w1 ( x) ⇒ ∀n ∈ N : 1 2 + x + 14 = wn ( x) Nachweis per Induktion Induktionsanfang ist durch die jeweilige Voraussetzung gegeben. Induktionsschritt: Fall i) 1 + x + 14 2 > wn ( x) ⇒ 1 2 + x + 14 Induktionsvoraussetzung 1 2 ⇔ 1 4 + x+ ⇔ ⇔ ( 1 2 1 4 + x + 14 > wn ( x) Fall ii) und iii) werden analog behandelt. + + x > x + wn ( x) 1 4 + x + 14 1 2 > wn +1 ( x) Induktionsbehauptung ) 2 + x + 14 > ( x + wn ( x) ) 2 = wn +1 ( x) 2 > wn +1 ( x) ■ Beispiel 1 Startwert & Konvergenz Wie hängt Monotonieverhalten vom Startwert w1 (x) = s>0 ab? Bereits gezeigt: ⇒ (wn(x))n streng monoton wachsend w1 ( x) = s < x + s = w2 ( x) ⇒ (wn(x))n streng monoton fallend w1 ( x) = s > x + s = w2 ( x) Wie ist s zu wählen, damit s kleiner bzw. größer sqrt(x+s) ist? Es gilt: i) s < 12 + x + 14 ⇒ s < x+s ii) s > 12 + x + 14 ⇒ s > x+s iiI) s = 12 + x + 14 ⇒ s = x+s Beachte: Monotonieverhalten und Beschränkung nach unten bzw. oben ergänzen einander, um stets Konvergenz zu erzwingen! Somit folgt: Zusammenfassung der Resultate: Im Fall i) konvergiert (wn(x))n von unten Im Fall ii) konvergiert (wn(x))n von oben monoton gegen 1 2 + x + 14 . Im Fall iii) ist die Folge konstant. s = 0 entspricht im Prinzip der Initialisierung s = sqrt(x) mit verschobenen Indizes. 4 Beispiel 1 Ausgangsbeispiel – iterierte Wurzeln mit x < 0 1 = 2 1 1 1 1 − + − + − + − + ... 4 4 4 4 Die iterierte Wurzel kann als Grenzwert einer rein reellwertigen Folge (wn(–1/4))n verstanden werden, falls diese mit einem Startwert s ≥ 1/2 initialisiert wird. Zeige dazu ∀n ∈N: i) wn(–1/4) ≥ 1/2 wn(–1/4) ≥ wn+1(–1/4) ii) ad i) ⇒ wn+1(–1/4) ≥ 1/2 wn (− 14 ) ≥ 1 2 ⇒ wn +1 (− 14 ) = − 14 + wn (− 14 ) ≥ − 14 + 12 = 1 4 = 1 2 ad ii) analog zum Nachweis des vorherigen Beispiels. Aus i) folgt: alle Folgenglieder bleiben reell. Außerdem ist die Folge durch 1/2 nach unten beschränkt und nach ii) fällt sie monoton. Somit existiert ein Grenzwert, der sich wiederum als Fixpunkt der Iterationsfunktion zu 1/2 ergibt. ⇒ (wn(–1/4))n konvergiert gegen 1/2. Alternativer Zugang: Funktionalgleichung Beispiel 1 w( x ) : = x + x + x + x + ... Ohne die Wohldefiniertheit von w zu diskutieren, liefert formales Quadrieren: w( x) 2 = x + x + x + x + ... ⇒ w( x) 2 = x + w( x) Auflösen der quadratischen Gleichung nach w: (unter Berücksichtigung der Positivität von w für x>0) w( x) = Funktionalgleichung für w 1 1 + x+ 2 4 •A priori ist nicht klar, daß die gefundene Lösung der Funktionalgleichung auch tatsächlich dem Wurzelterm entspricht, denn die Lösung einer Funktionalgleichung muß nicht eindeutig sein. • Hier entspricht die Funktionalgleichung der (quadrierten) Rekursionsgleichung im Grenzwert. • Der Zugang über Funktionalgleichungen mag auch dann funktionieren, wenn eine Rekursionsgleichung nicht zur Verfügung steht (siehe folgende Beispiele). •Die hiesige Funktionalgleichung involviert nur Werte von w an einer einzigen Stelle x. Überlicherweise werden durch eine Funktionalgleichung Werte an verschiedenen Stellen miteinander verknüpft. Dann ist das Auflösen in der Regel deutlich schwerer. 5 Beispiel 1 Beschränktheit (ohne Rückgriff auf Grenzwert) Beschränktheit: Falls w1(x) = s < 1+2x gilt für alle n ∈ N: wn ( x) < 1 + 2 x Beweis per Induktion Induktionsanfang klar nach Voraussetzung. wn ( x) < 1 + 2 x Induktionsschritt: ⇒ Induktionsvoraussetzung wn +1 ( x) < 1 + 2 x Induktionsbehauptung wn ( x) < 1 + 2 x ⇒ x + wn ( x) < 1 + 4 x + 4 x 2 ⇔ wn +1 ( x) < 1 + 2 x Somit ist die Existenz eines Grenzwertes gesichert. ■ • Beachte, daß insbesondere für alle x0 die Standardinitialisierung w1(x) = sqrt(x) der Bedingung „kleiner 1+2x“ genügt. • Alternativ kann man zeigen, daß die Folge durch ihren Grenzwert beschränkt ist. • Man beachte, daß der Grenzwert, sofern er existiert, unabhängig von der Initialisierung ist, egal wie diese gewählt ist. Beispiel 1 1 = 2 − 1 1 1 1 + − + − + − + ... 4 4 4 4 6 Beispiel 1 1 = 2 z1 = s z n +1 = zn − 1 4 lim zn = n→∞ − 1 1 1 1 + − + − + − + ... 4 4 4 4 1 2 Beispiel 1 Detail z n +1 = 1 4 + zn − 1 4 7 Verschachtelte Wurzeln II u := Ausgangsproblem 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 ... = ? Läßt sich die verschachtelte Wurzel als Grenzwert einer Folge darstellen? Definition einer geeigneten rekursiven Folge, d.h. vn+1 als Funktion von vn , ist nicht ersichtlich! u0 = 1 + 1 u1 = 1 + 1 1 + 2 Alternative: Betrachte Folge abgeschnittener verschachtelter Wurzeln. u2 = 1 + 1 1 + 2 1 + 3 u3 = 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 u4 = 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 1 + 5 u := lim u n n→∞ Verschachtelte Wurzeln II u := Formale Herleitung einer Funktionalgleichung 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 ... Verallgemeinerung für beliebiges x ≥ 0: W ( x) := 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2 ) 1 + (x + 3) ... ⇒ u = W(1) Angenommen W(x) ist sinnvoll definiert, dann gilt: W ( x) 2 = 1 + x 1 + ( x + 1) 1 + (x + 2 ) 1 + (x + 3) ... ⇒ W genügt der Funktionalgleichung W ( x) 2 = 1 + x W ( x + 1) (⋆) Definition von W(x) bzw. Funktionalgleichung ⇒ W(0) = 1. W(1) kann nicht mittels der Funktionalgleichung aus W(0) berechnet werden. W(2) könnte jedoch mittels der Funktionalgleichung aus W(1) ermittelt werden. 8 Verschachtelte Wurzeln II Initialisierung der Funktionalgleichung Beobachtung: Sehr sensitiv gegenüber Anfangswerten. Verschachtelte Wurzeln II Auffinden einer Lösung Gesucht ist eine explizite Darstellung einer (stetig differenzierbaren) möglicherweise nicht eindeutig bestimmten Funktion w:(0,∞)→R, welche die Funktionalgleichung (⋆) löst, d.h.: w( x) 2 = 1 + x w( x + 1) Versuche polynomialen Ansatz für w. Bestimme zunächst deg w : ( ) ( deg w2 = deg 1 + id ⋅ w o S1l ) ⇒ 2 deg w = deg w + 1 (ax + b )2 Einsetzen des Ansatzes w(x) = ax + b: ⇒ deg w = 1 = 1 + x(ax + a + b ) a x + 2abx + b = ax 2 + (a + b )x + 1 2 2 2 x2 : a2 = a ⇒ a = 1 Koeffizientenvergleich: x1 : 2b = 1 + b ⇒ b = 1 x : b = 1 ⇒ b ∈ {− 1, 1} 0 2 ⇒ Steht nicht im Widerspruch zu den beiden vorangehenden Gleichungen. w(x) = x +1 ! Resultat legt folgende Vermutung nahe: u = W (1) = w(1) = 2 9 Verschachtelte Wurzeln II Frage 1) Wohldefiniertheit & Gleichheit Ist W wohldefiniert? W0 ( x) := 1+ x W1 ( x) := 1 + x 1 + (x + 1) W2 ( x) := 1 + x 1 + ( x + 1) 1 + (x + 2 ) M 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2 ) 1 + ... 1 + (x + n ) Wn ( x) := W ( x ) := lim Wn ( x ) ≡ n→∞ Frage 2) 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2 ) ... falls der Grenzwert existiert. Gilt w = W ? Genauer, gibt es x0 ≥ 0 mit ? x +1 = 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2 ) 1 + (x + 3) ... Verschachtelte Wurzeln II für x ≥ x0 ≥ 0 ? Beweis der Wohldefiniertheit Eine (reelle) monotone Folge konvergiert genau dann, wenn sie beschränkt ist. Die Folge (Wn(x))n ist für alle x > 0 streng monoton wachsend. 1 + (x + n ) < 1 + (x + n ) 1 + (x + n + 1) ⇒ 1 + (x + n − 1) 1 + ( x + n ) < 1 + (x + n − 1) 1 + ( x + n ) 1 + (x + n + 1) M ⇒ ⇒ Monotonie der Wurzel etc. M 1 + x 1 + ... 1 + ( x + n ) < 1 + x 1 + ... 1 + (x + n ) 1 + (x + n + 1) Wn ( x) < Wn +1 ( x + 1) ■ Außerdem gilt Wn(x) < W(x) < 4(x+1) für alle x ≥ 0 (siehe unten). Folglich ist (Wn(x))n beschränkt und somit konvergent. W(x) ist also wohldefiniert. 10 Verschachtelte Wurzeln II Beweis der Gleichheit Angenommen ∃ c ∈ (0, 1] und ∃ C ∈ [1, ∞ ) : c (x + 1) ≤ W ( x ) ≤ C (x + 1) ⇒ W ( x) = x + 1 für x ≥ x0 ≥ 0 für x ≥ x0 ≥ 0 Beweis: x→ x+1 c (x + 2 ) ≤ W ( x + 1) ≤ C (x + 2 ) cx( x + 2 ) ≤ x W ( x + 1) ≤ Cx ( x + 2 ) ( ) ( ) c x 2 + 2 x + 1 ≤ 1 + x W ( x + 1) ≤ C x 2 + 2 x + 1 c (x + 1) ≤ W ( x ) 2 ≤ C (x + 1) 2 c1 2 (x + 1) ≤ W ( x ) ≤ C 1 2 (x + 1) n-fach wiederholte Ausführung der Rechnung liefert: Wegen lim k →∞ k c = lim k →∞ k 2n c (x + 1) ≤ W ( x) ≤ 2n C (x + 1) C = 1 folgt mit n → ∞ x + 1 ≤ W ( x) ≤ x + 1 für x ≥ x0 ≥ 0 Verschachtelte Wurzeln II ■ Abschätzung von W nach unten benutze: ∃ x0 ≥ 0, ∃ c > 0, ∀x ≥ x0 : ∀x ≥ 0, ∀r ≥ 0, ∀n ∈ N 0 : W ( x) ≥ c( x + 1) x r ≤ 1 + ( x + n) r Beweis: W ( x) = 1 + x 1 + ( x + 1) 1 + ( x + 2 ) ... ≥ x 1 + ( x + 1) 1 + (x + 2 ) ... ≥ x x 1 + (x + 2 ) ... M ≥ 1 = x x x ... 1 1 x 2 ⋅ x 4 ⋅ x 8 ⋅ ... = ∏x 1 2n = x ∑ n≥1 1 2 n = x1 = x n ≥1 Es sei z > 1: Also: x +1 ≤x z ∀x ≥ x0 := 1 z −1 : ⇔ 1 z ≤ x(1 − 1z ) W ( x) ≥ x ≥ 1 z ⇔ 1 z −1 ≤ x ( x + 1) ■ Problem: sqrt(1+x) läßt sich nicht in der ersten Wurzel faktoriell abspalten, da dies eine Vergrößerung bewirkt. 11 Verschachtelte Wurzeln II Abschätzung von W nach oben benutze: Für alle x ≥ 0: 1 + ( x + n) r ≤ 2n ( x + 1) r ∀x ≥ 0, ∀r ≥ 1, ∀n ∈ N 0 : W(x) ≤ 4(x+1) Beweis: W ( x) = 1 + x 1 + (x + 1) 1 + (x + 2 ) ... Anwendung der Hilfsungleichung für n = 0 ≤ ( x + 1) 1 + (x + 1) 1 + (x + 2) ... Anwendung der Hilfsungleichung für n = 1 ≤ (x + 1) 2(x + 1) 1 + (x + 2 ) ... M ≤ (x + 1) 2(x + 1) 4( x + 1) ... = ∏ (2 (x + 1)) n 1 2n +1 = n≥0 ≤ ∏ 2 (x + 1) 1 2n 1 2n +1 n≥0 ∏ 2 (x + 1) n 2 n+1 = 2 ∑ n≥0 1 2 n 1 z (x + 1) n ≥1 1 2n ■ Resumé ≤ W ( x) ≤ 4( x + 1) ⇒ W ( x ) = w( x ) ≡ x + 1 (x + 1)∑ = 2 2 (x + 1) = 4(x + 1) Verschachtelte Wurzeln II Ist z > 1, so gilt: 1 2n +1 n≥0 für alle x ≥ für x ∈ [ z1−1 , ∞) für x ∈ [0, ∞) 1 z −1 Wegen W(0) = w(0) = 1 und für z → ∞ folgt: ⇒ W ( x ) = w( x ) ≡ x + 1 Insbesondere läßt sich nun die Vermutung bestätigen: u := 1 + 1 1 + 2 1 + 3 1 + 4 ... = W (1) = w(1) = 2 12 Verschachtelte Wurzeln III v := Verallgemeinerung für x ≥ 0: Aufgabenstellung 1 + 2 + 3 + 4 + ... V ( x ) := = ? x + x + 1 + x + 2 + x + 3 + ... Funktionalgleichung: V ( x ) 2 = x + x + 1 + x + 2 + x + 3 + ... ⇒ V ( x) 2 = x + V ( x + 1) x x x Verschachtelte Wurzeln III Konvergenzvergleich 1+1 1 1+1 1+ 2 1+ 2 1+1 1+ 2 1+ 3 1+ 2 + 3 1+1 1+ 2 1+ 3 1+ 4 1+ 2 + 3 + 4 13 Verschachtelte Wurzeln III ○ direkte Berechnung als (genäherter) Grenzwert – Berechnung mittels Funktionalgleichung basierend auf V(1) Vorhersage mittels Funktionalgleichung Bestimme durch Berechnung des Grenzwerts V (1) = v = 1 + 2 + 3 + 4 + ... Initialisiere Funktionalgleichung mit V(1). Vergleiche nun: V(x) ! V ( 2) = 2 + 3 + 4 + 5 + ... = V (1) 2 − 1 V (3) = 3 + 4 + 5 + 6 + ... = V (2) 2 − 1 V ( 4) = 4 + 5 + 6 + 7 + ... = V (3) 2 − 3 ! ! M x Zusammenfassung 14
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