Pflanze ■ BAUERNBLATT l 20. Juni 2015 Interview zur elektronischen Meldepflicht für Wirtschaftsdünger Landwirtschaftskammer mit neuer Datenbank beauftragt Mit einer Meldepflicht für Wirtschaftsdünger möchte das schleswig-holsteinische Landwirtschafts- und Umweltministerium mehr Transparenz in die Nährstoffströme bringen. So soll bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein eine Meldedatenbank eingerichtet werden, in die alle landwirtschaftlichen Betriebe, die jährlich mehr als 200 t Frischmasse an Wirtschaftsdünger auf andere Betriebe verbringen, eine entsprechende Meldung abzugeben haben. Mit dem Geschäftsführer der Kammer, Peter Levsen Johannsen, sprach Isa-Maria Kuhn über die praktische Umsetzung. Nach Niedersachsen und NordrheinWestfalen führt Schleswig-Holstein jetzt die Meldepflicht für Gülle und Gärreste ein. Welche Betriebe und Regionen sind davon betroffen? Peter Levsen Johannsen: Für Betriebe, die Wirtschaftsdünger verbringen, ist eine Aufzeichnungsund Meldepflicht vom Grundsatz her nicht neu. Schon seit 2010 gilt bundesweit die Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdüngern. Von der Landesverordung sind zukünftig Betriebe betroffen, die jährlich mehr als 200 t Gülle beziehungsweise Gärreste auf andere Betriebe verbringen. Vor allem wird es um die Betriebe gehen, wo ein hoher Anfall von Wirtschaftsdüngern aus der Viehhaltung beziehungsweise Biogasproduktion nicht mehr nur auf den eigenen Flächen verwertet wird. Die Konzentration dieser Unternehmen finden wir vor allem auf dem Mittelrücken Schleswig-Holsteins. Hier haben sich die Betriebe auf eine intensive Viehhaltung beziehungsweise Biogaserzeugung spezialisiert. Die Kammer wird in den kommenden zwei Jahren eine Datenbank aufbauen. Welche Informationen müssen die betroffenen Betriebe hierfür angeben? Die Betriebe müssen die Daten melden, die diese nach § 3 der Verordnung über das Inverkehrbringen und Befördern von Wirtschaftsdünger bereits seit 2010 aufzeichnen und aufbewahren. Neben den Angaben zum Abgeber und Aufnehmer (Name, Anschrift, Betriebsnummer) sowie dem Beförderer sind auch Angaben zum Datum der Abgabe sowie Art, Menge und Nährstoffgehalte (Gesamt-N und P2O5) des Wirtschaftsdüngers zu machen. Es wird die Aufgabe der Landwirtschaftskammer sein, im Auftrag des Ministeriums diese Meldedatenbank aufzubauen. Dabei orientieren wir uns an den Erfahrungen, über die die Kammer Niedersachsen seit Jahren verfügt. Unser Ziel ist, den Verwaltungsaufwand auf Landwirtsseite so gering wie möglich zu halten. Da bereits nahezu alle Betriebe über die HITDatenbank beziehungsweise im Sammelantrags Onlineverfahren erfasst sind, liegen vielfach Stammdaten für den Aufbau der Datenbank vor. Da auch die Verbringungsmengen an zwei Meldeterminen im Onlineverfahren übermittelt werden, dürfte sich der Aufwand in Grenzen halten. Wichtig ist, dass bisherige Erfassungsund Dokumentationsverfahren, beispielsweise über Maschinenringe, Lohnunternehmer oder Güllebörsen mit dem neuen Verfahren kompatibel sind. In der Aufbauphase werden detaillierte Schulungen der Anwender und weiterer Multiplikatoren, zum Beispiel Berater, erfolgen. Sie werden einer Vielzahl an Transporten registrieren müssen, Experten nennen die Zahl von rund 1 Mio. t Wirtschaftsdünger oder rund 200.000 Fahrten. Wird das viel Personal binden, und werden dafür andere wichtige Aufgaben wegfallen? Schon bisher sind große Mengen von Wirtschaftsdünger sowie Gärsubstrate innerhalb der Region und darüber hinaus verbracht worden. Dieser Trend wird vor dem Hintergrund veränderter Obergrenzen durch die neue Düngeverordnung zunehmen. Hier geht es zunächst um die Erfassung von verbrachten Mengen jenseits der 200-t-Grenze auf der Abgeber- sowie Aufnehmerseite. Wie viel es genau sein wird, ist derzeit nicht gesichert, zumal die Mengen jährlich sicherlich schwanken werden. Wir gehen davon aus, dass das Meldevolumen langfristig bei jährlich zirka 4 Mio. t liegt. Als Meldetermine sieht die Verordnung jährlich den 31. März sowie 30. September vor. In der sogenannten Aufbauphase bis 2017 wird die Landwirtschaftskammer den Aufbau der Meldedatenbank, Anwenderschulung, Erfassung, Dokumentation und Auswertung der Rohdaten vornehmen. Hieraus wird ein Nährstoffbericht erstellt. Kammergeschäftsführer Peter Levsen Johannsen über die praktische Umsetzung der Verbringungsverordnung. Foto: Isa-Maria Kuhn Neben Personal- und Sachmitteln, die für diese Aufbauphase vom Ministerium zusätzlich bereitgestellt werden, kann eine Gebühr je Tonne verbrachter Menge erhoben werden. Nach der relativ neuen Medikamentendatenbank für Tierhalter kommt nun eine weitere Dokumentation auf die Landwirte zu. Die Kammer soll im Auftrag des Melur diese Datenbank einrichten. Haben Sie die Befürchtung, dass Ihr Haus die Frustration für den Mehraufwand auf den Betrieben zu spüren bekommt? In der Tat ist es grenzwertig, mit welchen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten die heutigen Betriebe der Landwirtschaft, aber auch anderer Branchen belegt sind. Daher muss sichergestellt sein, dass die Anwendung und Handhabung einfach, praktikabel und – wie bereits erwähnt – kompatibel funktionieren. Man darf aber auch nicht außer Acht lassen, dass diese Daten einem Zweck dienen. Es geht um die Erfassung der Nährstoffströme und deren sinnvolle und effiziente Anwendung im Sinne von Bodenschutz- und auch ökonomischen Interessen. Neben der Erfassung und Prüfung geht es auch um den sinnvollen Einsatz, das heißt: Beratung, Kontrollen und gegebenenfalls Sanktionen. Während der Aufbauphase werden die Kontrollen von den nachgeordneten Behörden des Ministeriums (Llur) durchgeführt. Ab 2018 werden diese Aufgaben als „Weisung“ – wie beim amtlichen Pflanzenschutz – auf die Kammer übertragen. In dem Bewusstsein, dass das Land Schleswig-Holstein – wie zuvor Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen – eine derartige Verordnung erlassen will, haben sich die Gremien der Landwirtschaftskammer sehr intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und sich die Frage gestellt: „wollen wir als Selbstverwaltungseinrichtung diese staatliche Weisungsaufgabe übernehmen? Die Erfahrungen aus den Nachbarkammern und der Zuspruch der begleitenden Verbände und Organisationen, die unsere landwirtschaftliche Kompetenz schätzen, haben uns letztlich zu diesem Schritt ermutigt. Trotz aller Bedenken muss ehrlicherweise festgestellt werden, dass sonst eine andere – möglicherweise landwirtschaftsfernere – Einrichtung mit dieser Aufgabe betraut würde. Um alle von der Maßnahme Betroffenen über die Umsetzung und deren Handhabung zu informieren, soll ein Arbeitskreis geschaffen werden. Diesem werden Vertreter von Ministerium, Bauernverband, Wasser- und Bodenverbände, Beratungsringe, Agrarverwaltung und Landwirtschaftskammer angehören. Wird die Kammer in letzter Konsequenz auch für die Kontrolle der Einhaltung der N-Obergrenze von im Schnitt 170 kg N pro Jahr und Hektar aus Wirtschaftsdünger zuständig sein? „Dieses wird auf die Landwirtschaftskammer erst nach 2018 in der sogenannten „Intensivierungsphase“ zukommen. Hierbei wird es in erster Linie nicht um Kontrolle zur Einhaltung der Düngeverordnung gehen. Im Vordergrund steht die Nachvollziehbarkeit von verbrachten Wirtschaftsdüngern und Gärresten zwischen Betrieben und Regionen sowie deren Verwendung. Sicherlich wird es, wie bei den Sammelanträgen, zu Vor-Ort-Kontrollen auf abgebenden wie aufnehmenden Betrieben kommen. Dieses erfolgt in einem Standardumfang sowie auch anlassbezogen. Entscheidend wird sein, dass im Verfahren immer der Beratungsansatz im Vordergrund steht. Nur bei vorsätzlicher Missachtung werden am Ende Sanktionen nicht vermeidbar sein.“ Das Interview führte Isa-Maria Kuhn, Landwirtschaftskammer 29
© Copyright 2025 ExpyDoc