Verein(t) auf Insektenpirsch

Rundfunk Berlin Brandenburg
Mo 12.10.2015 I 22:15 I OZON unterwegs
Verein(t) auf Insektenpirsch
Klopfschirm, Käfersieb und Leuchtturm - mit sehr speziellen Utensilien sind die
Hobbyforscher auf der Suche nach Grillen, Käfern und Faltern. Den Berliner
entomologischen Verein Orion gibt es schon seit 125 Jahren, Nachwuchssorgen hat er
nicht. Was ist das Geheimnis? Wenn sich bei der Freizeitforschung Enthusiasmus mit
Nutzen verbindet - meinen Lehrer, Tierpfleger und Rentner.
Manuskript des Beitrags:
Sie suchen unten – und oben. Manchmal ist es mühsam mitten in Berlin.
O-Ton Jonte Mutert:
Schüler
„Ich hatte jetzt mir auch nicht zu viel versprochen, weil ich will ja nicht angeben, aber wenn
man schon etwas länger dabei ist, dann kann man auch schon von der Vegetation her
abschätzen, was hier für Käfer ungefähr vorhanden sind. Und hier ist jetzt mit so
niedrigem Gras und Büschen und weinigeren Bäumen, sind das meistens dann so was.
Marienkäfer, Zikaden und dieses ganze Kleinzeug, womit ich mich nicht so auskenne, mit
den ganzen Fliegen und so.“
Doch er gibt nicht auf. Genauso wenig wie die Anderen der Entomologischen Gesellschaft
Orion Berlin. Im Großen Tiergarten sind sie an diesem Herbst-Wochenende auf „Jagd“.
Jonte ist seit 3 Jahren dabei. Damals war er 9.
O-Ton Jonte Mutert:
Schüler
„Ich glaube, das ist schon angeboren. Da gibt es noch Bilder, wie ich als 4-jähriger mit
Regenwürmern spiele und so. Ich glaub, das hatte ich schon immer irgendwie. Das ist
auch voll spannend, das die in so einem komischen Körper voll überleben können und das
die so anpassungsfähig sind und alles. Da gibt es ganz viele interessante Sachen.“
Promovierter Entomologe, Insektenforscher, ist hier keiner. Im „richtigen Leben“ sind sie
Rentner, Tierpfleger und Lehrer wie der 43-jährige Jens Esser. Der Vorsitzende des
Vereins. Er ist irgendwie besessen und Europaweit unterwegs.
Hier findet er jetzt nur Tausendfüßer, doch in der Türkei hat er einen bisher unbekannten
Schwimmkäfer entdeckt.
O-Ton Jens Esser:
Lehrer
„Das Tier heißt Hydroprus esseri. Klingt komisch, ein nicht mal 3 mm großer, kleiner
schwarzer Schwimmkäfer. Sieht eigentlich nach nichts aus. Also nichts zum Angeben.“
Mehr als 34-tausend Insektenarten gibt es allein in Deutschland. Professionelle
Entomologen könnten sie kaum alle dokumentieren.
O-Ton Robert Seuntjens
Tierpfleger
„Das ist auch eine Bestandserfassung. Man hilft mit heraus zu finden, was gibt es in
Deutschland noch für Tierarten. Was lebt wo und was kann man machen, damit es den
Tieren wieder besser geht. Und damit hilft man der Wissenschaft.“
Das, was sie nicht genau bestimmen können, kommt in Glasröhrchen und später unter’s
Mikroskop. Ein Rüsselkäfer.
O-Ton Jens Esser
Lehrer
„Sieht irgendwie eigenartig aus. Vielleicht ein Neuberliner. Der ist auch behaart.
Tatsächlich. Wow.“
Eine halbe Nacht hängen sie dann noch dran. Locken mit einem Speziallicht Nachtfalter
an. Über vierhundert Arten gibt es. Durch sie kam Bernd Krüger zu seiner Leidenschaft.
Heute landen nur wenige. Meist Eulenfalter wie die Hausmutter.
O-Ton Bernd Krüger
Rentner
„Es fängt eigentlich einfach an. Man guckt sich einen Schmetterling an und findet den
schön. Fotografiert den und sieht dann plötzlich Details. Man sieht die Schuppen, man
sieht die Fühler, man sieht die Augen und ist fasziniert davon und fotografiert den
nächsten Schmetterling und wieder einen, noch einen. Man will mehr erfahren über die
Tiere, die man fotografiert.“
Das Mikroskopier-Zentrum im Naturkundemuseum. Monatlich treffen sie sich hier. 60
Mitglieder hat der Verein. Jonte kann nun seine Käfer aus dem Tiergarten bestimmen. Und
natürlich will Jens Esser endlich seinen „Neuberliner“ identifizieren. Bücher helfen - und
eine Sammlung von Insekten. Gefunden und präpariert von Vereinsmitgliedern in 125
Jahren. Schon immer unternahm man Exkursionen auch nach außerhalb. Ein Käfer aus
dieser Sammlung soll nun Aufklärung bringen. Der Vergleich ergibt: Ein
Dickmaulrüsselkäfer, Otiorhynchus desertus.
O-Ton: „Es ist das erste Exemplar dieser Art, das hier gefunden wurde und das ist eine
tolle Neuigkeit.“
Der neue Fundort wird ins online-Verzeichnis der Käfer in Deutschland eingetragen.
Bisher war diese Art nur an wenigen, kühlen Standorten im Norden und Süden zu finden.
O-Ton Jens Esser:
Lehrer
„Dieser Fund im Großen Tiergarten passt eigentlich gar nicht ins Bild. Es ist ja ein
trockener, warmer Standort. Es bleibt eigentlich nur anzunehmen, dass die Art hier her
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verschleppt wurde. Wie und woher weiß ich auch nicht. Wir sind ja noch in der
Staunphase aber vielleicht kriegen wir das ja auch noch raus.
Ein Bericht von Iduna Wünschmann
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