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O-Ton-Service: Wir haben Ihnen hier eine Textfassung der Audio-O-Töne erstellt. Sie dient als
Hilfe zur O-Ton-Auswahl und Schnitthilfe für Hörfunkjournalisten. Print- und OnlineVervielfältigungen einzelner Textpassagen bedürfen der vorherigen Genehmigung durch die
Chrismon Chefredaktion.
FRAGE: Herr Brummer, Sie leiten die Evangelische Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ schon seit
vielen Jahren. Wie gefällt Ihnen selbst das diesjährige Motto „Großes Herz – 7 Wochen ohne
Enge“?
O-Ton 01: Es gefällt mir deswegen gut, weil es im Prinzip die Kernessenz der Lehre des Jesus
von Nazareth ist. Das heißt: Gemeinschaft ist der Ort des Heils und nicht das „Alleine
eingeschlossen im Zimmer Sitzen“, sondern der Jesus hat mit allen gequatscht: mit Huren,
Sündern, Zöllnern und hat sich mit denen an einen Tisch gesetzt und gesagt: erzähl mal,
sprich mit mir, ich spreche mit Dir – und das heißt: nicht Enge walten lassen – das ist ja
sozusagen „7 Wochen ohne Enge“ – Hauptsache wir sind unter uns und uns geht es gut,
sondern auch mit denen, mit denen man normalerweise nicht reden würde.
FRAGE: Das Herz spielt in unserer Sprache eine große Rolle, Menschen können warm- oder
kaltherzig sein, welche Rolle spielt das Herz in der christlichen Religion?
O-Ton 2: Ja also gerade in den Weltreligionen, vorzugsweise in der christlichen, benutzen
wir gerne den Begriff barmherzig, sich jemandes erbarmen und das ist eine zentrale Vokal,
dass wir sagen: komm an mein Herz, ich nehme dich in den Arm, ich spür wie dein Herz
klopft du spürst wie meins klopft und das ist Erbarmen, das ist barmherzig.
O-Ton 3: Zur Großherzigkeit gehört ein Verzicht auf festgeschriebene Ideologien. Die
Aufgabe – wir Christen reden ja auch gern von Heil und Unheil, das Heil liegt nicht in
perfekten Lösungen, die gibt es nicht, sondern dass wir uns dranmachen, mit einem
Grundideal denen, die arm dran sind, zu helfen und dann zu überlegen, wie wir das
hinkriegen. Und dann kann man auch irgendwann sagen „wir schaffen das, wir kriegen das
hin“. Das ist ein Weg, da gibt es viele Möglichkeiten, Fehler zu machen und dann kann man
morgen großherzig sagen: Ja, war vielleicht nicht so toll, was wir heute gemacht haben, wie
können wir das besser machen?
Frage: Nun verbindet man das Wort Fasten ja erstmal eher mit Abnehmen, oder mit
irgendwelchen Formen von Verzicht. Vielleicht auf Alkohol, Rauchen, Kaffee oder Schokolade.
Darauf scheint bei Ihnen nicht der Focus zu liegen, oder?
O-Ton 4: Wenn Ihnen das gut tut, sollen sie das machen, wenn es der Wahrheitsfindung
dient. Wenn es der Wahrheitsfindung dient, zu sagen, ich verzichte jetzt auf Fernsehen oder
auf Alkohol, - es ist nicht in Abrede zu stellen, dass das nützlich sein kann, eine Veränderung
gegenüber dem Alltag. Aber welche Spezies von Askese, oder Verzicht, oder Veränderung
die Leute wählen, das ist ihre persönliche Sache. Es ist reformatorische Theologie zu sagen:
Du entscheidest! Es gibt keinen Sündenerlass durch Verzicht auf Nahrung oder auf Alkohol
oder was auch immer. Und der zweite und viel wichtigere Punkt ist, dass man sich von lieb
gewordenen Gewohnheiten vielleicht mal 7 Wochen löst. Und das ist das, anstatt, was ich
gerne mache, wenn ich abends nach Hause komm, in mein Wohnzimmer setze, den
Fernseher anmache und Sport gucke, dass ich vielleicht sag, heute guck ich nicht Sport,
heute ruf ich mal jemanden an und sag „Können wir uns treffen“, Ohne! Ohne solche
Gewohnheiten auszukommen, die uns dominiert, das ist 7 Wochen Ohne.
O-Ton 5: Ja, der von mir gern zitierte Ulrich Zwingli - der „Chefideologe des ev.
Fastendenkens“, sagte, dass Fasten nicht bedeutet einen Verzicht auf Nahrung und Askese,
sondern dass Fasten – was uns im englischen ja begegnet: „Fasten your seatbelts“ –
schließen, beschließen – dass wir die Perspektive wechseln sollen in diesen 40 Tagen.
Genauso wie Jesus das in der Wüste getan hat, als er überlegt hat, ob er dem Ruf und dem
Auftrag seines „Vatters“ genügen kann, der ja im Kreuzestod und der Auferstehung dann
endet, und da geht es darum, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und mal sich zu
entschließen, zu beschließen, mal zu schauen, was läuft verkehrt bei uns.
Frage: Sie sprechen damit auch eine gesellschaftliche Dimension an. Ist die Evangelische
Fastenaktion eine politische Aktion?
O-Ton 6: Es geht um ein großes Herz und wir haben ja auch den schönen Begriff offenherzig,
das heißt offen sein für andere. Das heißt zum Beispiel in dieser Zeit angesichts der
Auseinandersetzungen, die wir in der Gesellschaft und um unsere Gesellschaft herum in den
letzten Monaten hatten, zu sagen, wir müssen ein großes Herz fordern, nicht nur für die, di e
als Flüchtende zu uns kommen, sondern auch für die, die sagen „Oh ich hab Angst ich mach
mir Sorge, wie das ausgehen kann“. Eine christliche Großherzigkeit heißt: Auch du hast Platz
an unserem Tisch setz dich hin und sprich mit uns, erzähl uns, was los ist.
FRAGE: Nun ist die Evangelische Fastenaktion eine Mitmach-Aktion. Haben Sie schon eine
Idee, wie man das so schafft – aus der Enge rauszukommen? Wie bekomm ich ein großes
Herz?
O-Ton 7: also das Beste ist – und das ist auch das, was wir von den vergangenen Aktionen
rückgemeldet kriegen – dass das ein Anlass zum gemeinschaftlichen Reflektieren ist; Dass es
überall Gruppen, „Sieben Wochen Ohne“ Gruppen, gibt, die sagen „wie können wir das
besser machen“. Und dann kommt halt der Spruch „Geht raus und redet mit den Leuten“.
Also wenn ich mit jemandem, den ich auf der Straße treffe, den ich seit 10 Jahren mit
vielleicht einem Kopfnicken begrüße, mal frage „wie geht’s Ihnen, was machen Sie so?“ oder
jemand treffe und ich hab den Eindruck, dass der nicht gut drauf ist und ich sage: wie kann
ich Ihnen helfen, was kann ich tun? Und wenn der sagt: Nein danke, oder so, dann ist aber in
der Regel schon das Eis gebrochen. Und da gibt es ja sehr unterschiedliche Formen von
Engherzigkeit: Es geht jetzt nicht darum, dass jemand, der wenig Geld hat, viel Geld spendet,
aber er kann vielleicht Geld spenden und was tun. Und nicht immer erst gucken: gefällt mir
die Nase, oder gefällt sie mir nicht, sondern umgekehrt: erst was tun! - Und dann bin ich der
festen Überzeugung, dass die Nase gleich sympathischer wird. Weil da ein „Oh ja
Dankeschön“ zurückkommt.
Frage: Sie betonen sehr stark das „Aufeinander Zugehen“ als einen Schlüssel für die
evangelische Art des Fastens, gerade das fällt ja vielen Leuten in Deutschland zur Zeit
besonders schwer.
O-Ton 08: Integration ist ja nichts, was man von einem Plan runterproduzieren kann, aber
wenn ich mit denen, die vielleicht anders aussehen auch vertrauensweckend umgehe und
sage: Schön, wie geht es Ihnen, fühlen Sie sich wohl hier bei uns? Oder was is? Dann beginnt
Integration, wenn die anderen merken, sie gelten hier nicht als die schräg von unten
betrachteten „strangers“, die Fremden, wo ma sagt, was is n das, was sind denn das für
Leute. Wir haben in den letzten Wochen gelernt gelernt, dass das Thema Integration
bedeutet: keine geschlossenen Türen oder Stadtviertel, nach dem Motto: In die Straße
gehen wir nicht, da wohnen diese komischen Heinis. Sondern wir gehen mal in die Straße
und gehen mal in den Laden und vielleicht kommen wir in’s Gespräch.
Frage: Diejenigen, die mitmachen wollen an der Fastenaktion, werden von Ihnen begleitet.
Sie versenden Materialien an zahlreiche Kirchengemeinden im Land, es bilden sich
sogenannte Fastengruppen. Wie läuft das ab? Was bieten sie den Teilnehmern an?
O-Ton 09: Also es gibt den traditionellen Kalender, den man bei uns bestellen kann, den
man aber auch in Buchhandlungen kriegt. Den gibt es als Tischkalender und als
Wandkalender. Es gibt ein sogenanntes Zutatenheft, das gerne von den Fastengruppen
benutzt wird. Da sind auch Vorschläge zur Gottesdienstgestaltung drin. Und dann gibt es
dieses Jahr erstmalig auch ein kleines Taschenbüchlein mit Texten, die von großen Geistern
(und auch von mittleren Geistern) produziert sind zu diesem Thema. In diesen Kalendern
finden sich auch viele Zitate von Menschen, die mit Kleinherzigkeit zu tun hatten und das
wird gern genutzt. Es gibt inzwischen auch eine Facebook Präsenz, es gibt eine App, die man
runterladen kann. Also wir sind crossmedial und multimedial natürlich inzwischen auch
unterwegs.
Frage: Das sind eher Materialien, die Sie genannt haben, gibt es auch eine – ich nenne es mal
– individuelle Begleitung?
O-Ton 10: Wenn jemand uns seine Adresse übermittelt, dann gibt es drei Briefe zum Anfang,
zur Mitte und gegen ende, wo wir das nochmal reflektieren und versuchen, Wege zu zeigen,
die die Leute benutzen können, aber nicht müssen. Es gibt die Möglichkeit bei uns im Netz
zu gucken. Bei Chrismon, ev.de und 7wo. Wenn man nun nichts findet, dann kann man auch
bei uns anrufen die Adressen stehen auch in den Zutatenheften und Kalendern.
Frage: Der Fastenkalender wird dann bis Aschermittwoch über die Gemeinden verbreitet und
zeigt ja vermutlich mehr an, als nur das Datum.
O-Ton 11: Genau so ist es. Die Leute, die den Tisch oder Wandkalender nutzen, die lassen
sich gerne jeden Tag von einer Sentenz oder einem Bild inspirieren, d as ihnen noch mal den
Weg weist. Es gibt sicher auch Tage, wo sie drüber wegblättern. Aber wir wissen, dass es ein
sehr hohes Interesse an der Begleitung gibt und wenn man sich dann in einer Gruppe trifft,
das macht man natürlich auch nicht jeden Tag, aber ein mal in der Woche oder so, dann wird
das Wochenthema auch nochmal miteinander behäkelt.
O-Ton 12: Der Fastenkalender von 7 Wochen Ohne enthält erstmal 7 Mottos, die zum
Großteil aus den Evangelien stammen oder aus dem alten Testament. Wir haben hier gerne
auch Aussagen: Matthäusevangelium: Jesus isst mit einem Zöllner. Zöllner ist ja das
Synonym für linke, kriminelle Lebensweise gewesen, als das Evangelium geschrieben wurde.
Und dann gibt es Zitate von Mascha Kaleko, oder Bonhoeffer oder wem auch immer zu
diesem jeweiligen Wochenthema. Und es gibt Bilder dazu, Fotos, die versuchen auch ne
Aufmerksamkeit herzustellen von Fotografen, die wir mit dem Motto konfrontiert haben
und Fotografinnen, die da auch gerne mitmachen. Und dieser Kalender beginnt an
Aschermittwoch und Endet an Ostersonntag.
Frage: Wer ist denn eigentlich der Prototy der Fastenteilnehmer?
O-Ton 13: Das ist für uns eigentlich die positivste Nachricht, dass wir feststellen dürfen es
gibt keine klassischen Typus von „7-Wochen-Unisten“, sondern es gibt ältere Damen, junge
Männer, Mädchen und ältere Herren, Leute mitten im Business und Agnostiker, vielleicht
nicht unbedingt Atheisten, aber Zweifler, die sagen: naja, mit dem Ansatz kann ich was
anfangen und es gibt natürlich auch solche, die nahe an der Idee sind und häufig sonntags in
diesen Häusern namens Gotteshäusern zu finden sind.
Frage: Sie hatten vorhin Apps und E-books erwähnt. Ist die Zielgruppe nicht eher doch eine
jugendliche?
O-Ton 14: Das sehe ich nicht als Ansprechen der jüngeren Leute, ich kenne Leute die sind 80
und laden Apps runter. Das ist inzwischen Usus, eine Gepflogenheit, dass ma sagt: wir
müssen alle Wege nutzen. Es heißt ja frohe Botschaft und nicht saure Holschuld. Also wir
müssen überall gucken: Go tell it on the mountains - alle medialen Wege, das Thema
anzubieten.
Frage: In den Berichten über die Fastenaktionen von 7 Wochen Ohne in den vergangenen
Jahren ist von 2 Millionen Menschen die Rede, die da mitgemacht haben sollen. Können Sie
das so bestätigen?
O-Ton 15: Naja, es sind möglicherweise sogar über drei Millionen gewesen. Das kann man
nicht genau feststellen. Wir hatten da zwei Studien angelegt. Die eine hat gesagt 2 Millionen,
die andere hat gesagt, das ist zu wenig, es sind eher drei Millionen, aber zu wissen, was „7
Wochen Ohne“ ungefähr ist, das sind zweistellige Millionenzahlen.
Frage: Ob nun zwei, drei Millionen, oder irgendwas dazwischen. Protestantisches Fasten
scheint im Trend zu liegen. Woran liegt das?
O-Ton 16: Ich weiß es nicht, ich will mir das auch nicht erklären. Das ist auch nicht unser
Thema. Wir bieten es an und wenn wir einen großen Rücklauf kriegen, dann freut uns das.
Aber das ist jetzt nicht so sehr eine merkantile Größe, sondern das ist das, was wir für
vertretbar halten. Auch in dem Kuratorium, wo wir uns das Motto dann immer ausdenken,
sitzen ganz unterschiedliche Leute, eine Designerin, Leute aus dem Hörfunk und kirchliche
Leute und da wird offen gequatscht und überlegt, was könnte die Leute anregen. Da geht es
einmal um Mut und einmal – jetzt geht es um Großherzigkeit. Ja und wenn wir damit
erreichen, dass er (man) sein Leben mal aus einer anderen Perspektive anguckt und
wahrnimmt als normal – wir kennen das ja alle aus dem Urlaub, dass ma sagt: Schatz, wenn
wir jetzt aus dem Urlaub kommen, dann machen wir das alles anders und dann kommt der
erste Berg Wäsche und die Post und dann ist es manchmal schwer, wobei – wenn man das
mal 7 Wochen entlang des Alltags überprüft, was müssen wir anders machen, was können
wir anders machen, dann sind wir zufrieden und wir haben den Eindruck, dass es
funktioniert.
Frage: Es gibt ja auch sehr viele Biblische Zitate und auch die einzelnen Wochenüberschriften
sind alle aus der Bibel entlehnt. Können Sie das vielleicht die Überschriften für die einzelnen
Wochen noch stichwortartig nennen?
O-Ton 17: Dieses Jahr heißt das erste Motto: „Mein Herz ist weit“, bezieht sich auf einen
alttestamentlichen Text aus dem 57. Psalm. In der zweiten Woche „Ich lad Euch ein“. Das ist
aus dem Matthäusevangelium. Im Dritten „Es reicht für alle“, auch wieder
Matthäusevangelium, die wunderbare Brotvermehrung, das Brotwunder. Die vierte heißt
„Verzeihen“, Dir ist verziehen, da geht es um die Genesis, der Mensch als Sünder, der von
Gott trotzdem freundlich behandelt wird, die fünfte ist „Hier ist noch Platz“ aus einem
alttestamentarischen Text. Dann kommt in der sechsten Woche „Ich gönn Dir das“ aus dem
Lukasevangelium und das siebte ist „Gottes großes Herz“ in Gottes grenzenloser Zuwendung
zu uns. Das ist aus dem Johannesevangelium.
Frage: Haben Sie darunter einen Favoriten, ein Lieblingsthema?
O-Ton 18: Mir gefällt immer besonders, wenn es überraschende Herzlichkeit gibt, so wie
Esau und Jakob, als Jakob zurückkommt, nachdem er den Esau ja betrogen hat um sein
Erstgeburtsrecht und Jakob Muffe hat, dass ihn der Esau, der da drüben jetzt mit Hundert
Leuten steht, dass die jetzt gegen ihn gewalttätig werden, aber Esau sagt, Mensch toll, dass
du wieder da bist und drückt ihn an sein Herz. Und das ist dann die Überraschung, ja, sowas
sind schöne Themen.
Arnd Brummer, Chefredakteur vom Evangelischen Monatsmagazin Chrismon und
Geschäftsführer der Evangelischen Fastenaktion „7 Wochen Ohne“, herzlichen Dank.