Was weißt du schon von Prärie?

DEUTSCHLANDFUNK
Redaktion Hintergrund Kultur / Hörspiel
Redaktion: Tina Klopp
Feature
Was weißt du schon von Prärie?
Eine Reise zu den Drehorten unserer inneren Landschaft
Von Daniela Seel und Frank Kaspar
Produktion: SWR/DLF 2015
Die Sprecher waren: Bettina Kurth, Simon Böer,
Daniela Seel und Frank Kaspar
Regie: Frank Kaspar, Frieder Butzmann
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- unkorrigiertes Exemplar -
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Sendung: Freitag, 20. November 2015, 20.10 - 21.00 Uhr
Atmo – Wind, weites Grasland, vereinzelte Vogelrufe (Geräuscharchiv)
SPRECHERIN (1) – Zitat: Emily Dickinson, „To make a Prairie“ (zit. nach: Seel, S. 5)
To make a prairie it takes a clover and one bee, –
One clover, and a bee,
And revery.
The revery alone will do
If bees are few.
Emily Dickinson
SPRECHER (1)
Was weißt du schon von Prärie?
Eine Reise zu den Drehorten unserer inneren Landschaft
Von Daniela Seel und Frank Kaspar
O-Ton 01 – Zitat: Daniela Seel, „was weißt du schon von prärie“, S. 9
Zu Wänden sprechen, sich in Verhältnisse setzen. Die Zunge will immerzu lecken.
Mehrere Enden. Lugen aus Architekturen, Ich-Territorien, Flimmern. Ich will. Ich
verspreche. Überall Interventionen, überall Stimmen. Dazwischen sirren Antennen,
witternde Spitzen, Regeln lassen sich finden. In Schubfächer hingepinnt Dinge. Eins
heißt Jetzt rede ich. Ein andres Die Stille davor, die keine ist. Die Wahrheit ist, ich
war nie ohne Papiere. Ich kann Positionen mit der Zunge bestimmen. Motive, deren
Konturen verwischen, produzieren sie zu wenig Zorn.
Atmo – Autofahrt / Autoradio
Musik 1 – Simone White, „American War”
O-Ton 02 – Daniela Seel im Gespräch
Ja, der Impuls für meinen Gedichtband kam eigentlich aus der Erfahrung, dass ich
durch Kroatien gefahren bin und plötzlich das Gefühl hatte, im falschen Film zu sein,
dass ich im Velebit Gebirge war und dachte, ich bin im Wilden Westen, und mich
dann gefragt habe: Woher kommt dieser Eindruck? Und dann eben da drauf
gekommen bin, dass das mit den Winnetou-Filmen unter anderem zu tun hat, die ich
als Kind gesehen habe und die eine bestimmte Landschafts-Wahrnehmung in mir
geprägt haben davon, wie der Wilde Westen aussieht oder wie Prärie aussieht. Und
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dann habe ich versucht, eben dieser Frage weiter nachzugehen: Woher kommen
eigentlich die Vorstellungen von Landschaft in mir? Wie ist auch das, was ich als
Realität wahrnehme, überformt von Fiktionen?
Und dann hat mich das natürlich auch von der sprachlichen Seite her fasziniert: Was
sind die poetischen Potenziale auch dieser Begriffe – also, „Prärie“ zum Beispiel –,
die ich gar nicht aus persönlicher eigener Anschauung kenne, aber mit der ich ja
trotzdem ganz viel verbinde, und wie kann ich das dann dichterisch nutzen und
gleichzeitig aber auch hinterfragen und eben die Fiktionalität dessen anders plastisch
werden lassen?
AUTOR (1)
Emily Dickinson brauchte nicht viel, um die Vorstellung von Prärie
heraufzubeschwören: ein Kleeblatt und eine Biene. Und Reverie. Für sie war die
Prärie ein Ort der Imagination. Die Landschaft des amerikanischen Westens ist bis
heute ein Ort, an dem sich Fakten und Fiktionen mischen, und verstricken; ein Ort,
der nur scheinbar menschenleer und geschichtslos ist. Tatsächlich reicht seine
Besiedlung weit zurück vor die Zeit, in der die ersten Trecks europäischer
Siedlerinnen und Siedler in den Westen aufbrachen, mehrere tausend Jahre weit. Es
ist ein Terrain, auf dem die unterschiedlichsten Sehnsüchte, Interessen und
Ansprüche aufeinandertreffen. Geschichten von Glückssuchern kommen einem in
den Sinn, von Eroberern und Entdeckern. Aber an Vernichtungskriege und Genozid
denken die wenigsten, wenn es um „Prärie“ geht – sei es in Amerika oder hier in
Europa.
O-Ton 03 – Lößnitzgrundbahn, Radebeul (OT 19)
Tuten – Zischen der am Bahnsteig wartenden Dampflok. Anfahren des Zuges.
AUTOR (2)
Die Dampflok wartet auf dem Nebengleis. Von Radebeul bei Dresden geht es mit der
Schmalspurbahn ins Hinterland. „Indianerland“.
O-Ton 04 – Fahrtgeräusche der Lößnitzbahn (OT 20)
AUTOR (3)
Die Lößnitzgrundbahn fährt durch eine enge Schlucht. Wenn man von dort aus ein
Stück durch den Wald und die Weinberge geht, kommt man oberhalb von Radebeul
nach „Stetson City“: eine Art Westerndorf mit ungefähr 20 selbst gezimmerten
Blockhütten, das schon seit DDR-Zeiten besteht.
3
O-Ton 05 – Club „Old Manitou“, Radebeul (OT 21)
Trommeln, Rufe, Schellen
O-Ton 06 – Medizinmann “Roy”, Indianer- und Westernclub „Old Manitou“ (OT 22)
Manitou, du gebietest über alles: die Sonne, den Mond, die vier Winde, den Regen
und den Eis- und Hagelsturm. Nimm diesen Tabak als Opfer und mache, dass nur
Gutes uns befügelt. Und halte das Böse von uns fern.
Kurze Ansprache in Lakota-Dialekt – endet auf: Ada dang - mang - How!
O-Ton 07 – Lutz Läber, Indianer- und Westernclub „Old Manitou“ (OT 23a)
Das war ein Dankopfer mit der Pfeife. Das war, ich bin mir nicht hundert Prozent
sicher, aber es ist sicherlich ein Lakota-Dialekt.
AUTORIN (1) (4)
Das Dorf gehört dem Club „Old Manitou“. Am 5. September findet dort der so
genannte „Indian Day“ statt, ein Festtag zu Ehren des Lakota-Häuptlings Crazy
Horse, der am 5. September 1877 ermordet wurde. In Lakota lautet sein Name:
Tashunka Witko [Tȟašúŋke Witkó], wörtlich: Sein Pferd ist verrückt.
Atmo – Trommeln und Glöckchen: Indian Day „Old Manitou“
AUTOR (4) (5)
Am Lagerfeuer vor einem großen Tipi sind Tänzer in Lederhemd und Lendenschurz
versammelt: Ein Tänzer hat sich Adlerflügel auf den Rücken geschnallt, ein zweiter
hat sich ein Bärenfell übergeworfen.
O-Ton 08 – Lutz Läber, Club „Old Manitou“ (OT 25)
So, wie Sie uns heute hier sehen, das können Sie in Amerika gar nicht mehr sehen,
(...) denn wir stellen eine Zeit dar, die 150 Jahre zurück liegt. (...) Und das gibt es in
Amerika auch nur in Museen.
AUTOR (5) (6)
Lutz Läber war bis vor Kurzem der Chief von „Old Manitou“.
AUTORIN (2) (10)
Wie die Hobby-Indianer zu den Native Americans der Gegenwart stehen, darüber
gingen die Meinungen schon zu DDR-Zeiten auseinander.
O-Ton 09a – Helmuth Grimmer, Indianist, Weinböhla (OT 26a)
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Das ging dann los bei den Treffen: Die Alten kamen in schöner Lederkleidung,
perlenbestickt, und die Jugend, die kam mit dem Fleischerhemd. Da gab es schon
die ersten Reibereien: Was ist nun recht und was nicht?
AUTOR (6) (8)
Helmuth Grimmer hat 1978 mit Freunden im benachbarten Weinböhla selbst einen
Indianerclub gegründet.
O-Ton 09b – Helmuth Grimmer, Indianist, Weinböhla
Das ging dann weiter, dann bildeten sich Soli-Gruppen. Die haben dann Verbindung
aufgenommen, meinetwegen zu einer indianischen Schule und gesagt: Ihr mit eurem
alten Mist hier! Wieso beschäftigt ihr euch mit den Alten, die sowieso untergegangen
sind, wenn man das so will. Aber, was die heute für Probleme haben, dafür
interessiert sich keiner von euch!
O-Ton 10 – Zitat: Daniela Seel, „was weißt du schon von prärie?“, S. 59 (OT 28)
alle wetter, ein weißer schimmel. dabei wollten wir doch
contenance. die finger spreizen, an der treppe kurz stehen
bleiben. es zieht. pelziges trampolin, sprungfedern, striegel,
den poncho halbiert. nicht die lücken zuschmieren. unter
den händen wirkt form ganz anders als unter den augen,
unter der haut. angrenzend, interveniert. vertraut. jetzt die
fassung verlieren. und wiederfinden. sich umsortieren, wo
zugehörig, gestreut souverän. oder flocken, von eroberung
frei. soll das so kalt sein hier. das tempo anziehen. während wir
springen, wechselt das wetter. sonnenflecken, durch flechten
steppe, unstete plätze, im flug zusammengesetzt. spukkraft,
verdacht auf. ich klopfe die wand ab. gedreht, gedreht, bis
was passt. „ich wär immer gern der eine kartäuser gewesen,
der reden darf.“ um dann beim indianerspielen zu fragen, was
weißt du schon von prärie. vereinbarung war, dass es ruhig
auch mal wehtun darf. rück das messer zurecht, ehe du gehst.
so etwa. wenn kein zimmer hält, wollen wir zelten. „you became
chief, how did you enjoy it. / and now you're married, all relation
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is challenge. / that's all that's about it.“ die finger wie richtungen
kreuzen. das grasland, weiter ist keine entscheidung, passieren.
Atmo – Radio-Sendersuche
Musik 2 – Buffy Sainte-Marie, „Now That the Buffalo’s Gone”
Oh, it’s all in the past you can say / But it’s still going on here today ...
O-Ton 11 – Kader Attia, bildender Künstler (OT 10)
The landscape is cannibal. (...) It is a fight. It is a fight between this extreme power of
landscape that is gonna eat you, and you (...) have to struggle against.
SPRECHER (2)
Die Landschaft ist kannibalistisch. (...) Es ist ein Kampf mit dieser Kraft, die die
Landschaft hat und die dich verschlingen wird, gegen die du dich wehren musst.
O-Ton 12 – San Carlos Apache-Tribe: Protest gg. Kupfermine in Arizona (OT 11)
Trommeln, Gesänge
O-Ton 13 – Zitat: Daniela Seel, „was weißt du schon von prärie?“, S. 21 (OT 15)
Träumte wieder von Unterwerfung.
O-Ton 14 – Apache-Aktivistin gg. Kupfermine in Arizona
Leave the Apaches alone, let us remain to practice our culture, say our prayers!
O-Ton 15 – Schauspiel: Winnetou I., Felsenbühne Rathen (OT 34)
Win - Sie haben Rohre, mit denen zielen sie wie mit einem Gewehr. Sie schießen
nicht, aber sie schreiben etwas auf sprechendes Papier.
Kl-P - Das werden Landvermesser sein. Nun vermessen sie also auch bei uns den
Pfad für das Feuerross.
O-Ton 16 – Apachen-Proteste gg. Kupfermine (Oak Flat) (OT 36a)
For nearly a month Naelyn Pike and other members of the San Carlos Apache have
been on a journey to the US Capitol, travelling 2000 miles from Oak Flat, the tribes
holy land in Arizona, land the Apache are in danger of losing.
O-Ton 17 – Naelyn Pike, San Carlos Apache, gg. Kupfermine in Arizona (OT 35)
My mom and my grandmother taught me how to pray. // Going to Oak Flat reminded
me of how powerful my people are and how close with are with the connection to
mother earth
SPRECHERIN (2) (4) – Übersetzung
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Meine Mutter und meine Großmutter haben mir beigebracht, wie wir dort beten. Oak
Flat erinnert mich daran, welche Kraft mein Volk hat, und wie stark wir mit der Natur
verbunden sind.
O-Ton 18 – Diné (Navajo) confront J. McCain in Window Rock, AZ, 14.8.15 (OT 38b)
Our water, our future! Our water, our future! – Shame on Mc Cain, he only brings
pain! Shame on Mc Cain, he only brings pain! ...
AUTOR (7) (11)
In der Prärie von heute kämpfen die Native Americans nach wie vor um ihr Land.
AUTORIN (3) (12)
Im Sommer 2015 protestieren Apachen in Washington gegen den Ausbau einer
Kupfermine am Oak Flat in Arizona. Die Mine würde unter anderem einen Berg
zerstören, der den Apachen eine heilige Stätte ist. In Kanada verteidigen etwa die
Unist'ot'en ihr angestammtes Gebiet gegen Öl-Pipelines und Teersandprojekte.
Das Land ist bis heute „unceded“ – also weder vermessen noch durch Vertrag
abgetreten oder durch Krieg erobert worden – und gehört deshalb nach ihrem
Verständnis nicht zu kanadischem Boden. Darum habe die kanadische Regierung
auch kein Recht, über dieses Land zu verfügen und etwa Projekte der
Rohstoffindustrie zu genehmigen.
O-Ton 19 – Unist'ot'en Camp: Spokesperson Freda Huson (OT 40)
O-Ton 20 – Schauspiel: Winnetou I., Felsenbühne Rathen (OT 41)
„Indianer!“ – Schüsse, Schreie, Hufgetrappel
AUTOR (8) (13)
Die Felsenbühne in Rathen. Karl May hat in diesem Freilichttheater eine lange
Tradition. In der Spielzeit 2015 steht Winnetou I. auf dem Programm.
O-Ton 21 – Schauspiel: Winnetou I., Felsenbühne Rathen (OT 43)
Wir dürfen nicht mehr so weitermachen wie bisher, wenn wir überleben wollen! Wir
haben zwei Möglichkeiten: Wir kämpfen gegen die weißen Männer. Das bedeutet
Tod und Untergang. Dieser Weg ist leicht. Oder wir lernen, mit den Weißen zu leben.
AUTORIN (4) (14)
Koloniale Konflikte in der sächsischen Schweiz.
O-Ton 22 – Schauspiel: Winnetou I., Felsenbühne Rathen (OT 45)
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Wir werden noch starke Widerstände auch in unserem Stamm zu überwinden haben.
Der Medizinmann und die Ältesten begreifen nicht, dass eine neue Zeit auch neues
Denken verlangt.
O-Ton 23 – Jesse Robbins a.k.a. MC Red Eagle
We have to learn to maneuver through a linear society without completely losing
ourselves in that greed.
O-Ton 24 – Karl-May-Museum, Radebeul (OT 47)
Schritte im Treppenhaus
AUTOR (9) (16)
Im Karl-May-Museum in Radebeul. Das Arbeitszimmer des Autors in der „Villa
Shatterhand“, mit Löwenfell unter dem Schreibtisch, ist nach alten Fotografien
rekonstruiert worden. Für die Bibliothek hat das Museum Bücher aus Karl Mays
ursprünglichem Bestand zurück gekauft. Der wissenschaftliche Mitarbeiter des
Museums, Robin Leipold, blättert in einem Buch, das auch Karl May gelesen hat.
AUTORIN (5) (17)
Ein Nachschlagewerk über Indianersprachen Nordamerikas, das Karl May
wahrscheinlich Anfang der 1880er Jahre erworben hat.
O-Ton 25 – Robin Leipold, Karl-May-Museum, Radebeul (OT 49)
Und dann hat man hier sein Original, und dann guckt man hier mal: Was hat er denn
alles angestrichen? Zum Beispiel hier: „Wind“ – Apache: „Iltschi“. Und da hat er das
dahinter geschrieben: „Winnetous Rappe“. Dann haben wir hier „Blitz“ – Apache:
„Hatatitla“ – „mein Rappe“, also, der Rappe von Old Shatterhand.
Er hat schon versucht, diese Sprache der Apachen zu ergründen, // und dann
schreibt er aber nicht bei Hatatitla: „Old Shatterhands Rappe“, sondern er schreibt
„Mein Rappe“. Also, irgendwie ist er schon sehr, sehr tief in diese ganze Materie und
auch diese ganze Rolle rein geschlüpft.
Musik 3 – America, “Horse With No Name”
AUTOR (10) (18)
Der Autor und Schauspieler Olaf Hörbe hat während einer USA-Reise an einem
Ausritt ins „Monument Valley“
teilgenommen.
O-Ton 26 – Olaf Hörbe, Autor und Schauspieler (OT 50)
Das war sehr beeindruckend, weil es zur Zeit des Sonnenuntergangs war, und der
war so was von bombastisch, das habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Wir sind
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durch Staubwolken geritten, und das war, wie wenn man im Nebel fährt, und es
kommt so ein Gegenschein, es sind so Schatten drin. Es war alles in Gold getaucht.
AUTORIN (6) (19)
Monument Valley liegt auf dem Gebiet der Navajo Nation – oder Diné Bikéyah in
ihrer Sprache. Das Reservat ist das größte der USA und etwa so groß wie Bayern.
Monument Valley ist eine Ikone der Landschaftsinszenierung, von John-WayneFilmen über Easy Rider bis zum Marlboro Man. Den Navaho ist es heilig und als
Touristenattraktion zugleich eine wichtige Einnahmequelle.
AUTOR (11) (20)
Als letzter Reiter des kleinen Trecks kam Olaf Hörbe mit einem der begleitenden
Navajo ins Gespräch.
O-Ton 27 – Olaf Hörbe, Autor und Schauspieler (OT 51)
Er fragte dann, wo ich herkomme, und was ich mache. Und dann habe ich erst eine
Weile überlegt, sagst du das nun oder sagst du es nicht? Und dann habe ich es
gesagt, dass ich also Schauspieler bin und wir eben auch so was spielen auf so
einer Felsenbühne eben. Und da habe ich gedacht, der Mann kippt vom Pferd vor
Lachen. Und er immer: „It’s a German dream! It’s a German dream!“
Musik 4 – Titelmelodie Old Shatterhand
O-Ton 28 – Naomi Schenck, Szenenbildnerin (OT 52)
Weite und Unberührbarkeit oder Unberührtheit ist ja eigentlich das Gegenteil von
einem Set oder von einem Filmteam.
AUTOR (12) (21)
Naomi Schenck arbeitet als Szenenbildnerin für Film und Fernsehen.
AUTORIN (7) (22)
Zum Beispiel bei Aufnahmen in Namibia mit der Schauspielerin Christiane Paul.
O-Ton 29 – Naomi Schenck, Szenenbildnerin (OT 53)
Da hatten wir die Situation, dass wir immer wieder die Weite und Unberührbarkeit
herstellen mussten für die Christiane, die dann halt den Weg, die Düne hochgehen
musste, damit es eben so aussieht, als wäre es vorher unberührt gewesen. Wir
mussten aber die Szene natürlich zwölf Mal drehen, wie das immer so ist, und das
heißt: mussten immer ein bisschen weiterrücken.
O-Ton 30 – Naomi Schenck im Gespräch mit Daniela Seel (OT 53b/c)
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D.S. - Aber das ist auch ein Aspekt, der mich eben sehr interessiert: das Verhältnis
von Wüsten und Zivilisation, dass es so ein Klischee, so eine Romantik von
Unberührtheit und Wildnis gibt und gleichzeitig aber, wann immer Menschen
umgehen mit solchen Landschaftsräumen, es ja Zivilisation ist.
N.S. - Ja, und dass es aufwändig ist, die Orte zu finden, die so aussehen, und die
trotzdem nah genug an der Zivilisation dran sind, dass es sich noch rechnet
für ein Filmteam, da das Lager aufzuschlagen und das zu drehen.
O-Ton 31 – Naomi Schenck, Szenenbildnerin (OT 54)
Ich denke gerade an Borneo, wo wir im Dschungel drehen wollten. Wir waren in
Kuching // in dem malaysischen Teil von Borneo, // man ist ungefähr ein, zwei
Stunden rausgefahren, um überhaupt irgendwie im Dschungel zu sein, (...) Ich habe
natürlich mit den tollsten, riesigsten Bäumen und Lianen gerechnet, und es war dann
aber eher dieser Sekundär-Dschungel, der in den letzten fünfzig Jahren noch mal
angebaut wurde. // Wir haben dann einen Kompromiss gefunden, dass wir
zweieinhalb Stunden gefahren sind und dann (...) an einen Ort gekommen sind, der
ein paar Ecken hatte, wo tolle alte Bäume waren und ein Wasserfall. Aber die richtig
traumhaften Bilder, die haben wir kaum gefunden.
O-Ton 32 – Naomi Schenck im Gespräch mit Daniela Seel (OT 55)
D.S. - Gibt es da eine Kooperation mit Menschen vor Ort? Es ist ja erst mal auch ein
komisches Business, dass man als deutsche Produktion irgendwo auf die Welt
hinfährt, mit eigenen Ideen der Landschaft und das dann sich aneignet für was
ganz Eigenes.
N.S. - Also, meine Erfahrung ist, dass es schon ziemlich viele Service-Produktionen
in unterschiedlichen Ecken der Welt gibt, die genau darauf spezialisiert sind. //
Die wissen ganz genau, was wir wollen. Die wissen eigentlich schon, was die
magischen Orte sind, sind gleichzeitig natürlich auch stolz auf ihre Landschaft
und haben da einfach Erfahrung.
Musik 5 – Litefoot, "My Land"
O-Ton 33 – Zitat: Daniela Seel, „was weißt du schon von prärie?“, S. 14 (OT 56)
Dann diese, die blattförmige Störung. Entfremdet meiner Versenkung. Und Rücken
an Rücken die Senke queren, auf Schildkrötenfüßen. Ja reiten sie denn, die alten
Weisen? Gewöhnungen vorgelagert, schlägt Welle an und erbt einen Strand. Es
rauscht wie aus Projektoren. Ich meine es ernst bis genau zu dem Punkt, wo Sie mir
entgegenkommen. Unter Synkopdecken, schwebend. Aber die Nebengeräusche, die
Zähnchen. Ihr schreckliches Keckern über rostroten, verwirbelten Feldern. Ein
Tagesmarsch noch ins Basislager. Durch Seen aus Wollgras, Sander und Obsidian,
einfach ins Sterben geraten. Reste von Anlagen. Funken Widerstand über Grenzen
des Datenempfangs. Dass niemand die Passage allein durchsteige. Ich weinte,
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versuchsweise bei. Beil. Nächster sein, bleiben. Soll Liebe derart beschaffen sein,
oder zubereitet? Ein Satz wie ein Seil. Woran Fremde mikroskopisch zerstiebt,
schüttelt von Schultern Prärie, rippenlicht. Ihre Muskeln prosodisch. Denk an frühe
Nächte im Park. Kein Feuer machen. Keinen Müll hinterlassen. Nicht innehalten
angesichts solcher Landschaft.
SPRECHER (3) (4) – Zitat: John Williams, „Butchers Crossing“, S. 103
Während sie stetig weiter westwärts zogen, wogte unter ihnen die große Ebene
dahin.
SPRECHERIN (3) – Zitat: Céline Minard „Mit heiler Haut“, S. 92
Der Wind fuhr über das tanzende Gras wie über einen leichten Stoff.
O-Ton 34 – Naomi Schenck im Gespräch mit Daniela Seel (OT 65)
D.S. - Wie nehmen sie das Verhältnis wahr zwischen – in Anführungszeichen –
„authentischen Orten“ und der Inszenierung dieser Orte?
N.S. - Ich habe es oft so erlebt, dass ich mich in einen Ort verliebt habe, (...) aber in
dem Moment, als wir da gedreht haben, da wusste ich zwar: Das ist jetzt
genau so, wie es sein soll, und das wird super aussehen und ist genau richtig.
Aber der Ort hat mir nichts mehr bedeutet. (...) Es ist auch so, dass ich so
ganz heilige Orte, die mir ganz heilig sind, da würde ich gar nicht wollen, dass
die besetzt werden oder – damit zu arbeiten. Das ist eigentlich gemein, dass
ich das sage, weil es ja mein Beruf ist, und weil ich immer „auf der Jagd“ nach
den schönsten Orten bin. (...) Aber trotzdem gibt es manchmal das Gefühl,
dass man ein schlechtes Gewissen hat, als würde man etwas ein bisschen
entweihen.
Musik 6 – Ry Cooder, „Paris Texas“ O.S.T.
AUTORIN (8) (24)
Was ist Prärie?
O-Ton 35 – Helmuth Grimmer, Weinböhla (OT 66)
Freiheit, Büffelgras, Bisons, Prärieindianer. Natürlich auch das Schicksal der Bisons
und der damit verbundenen Indianer. 60 Millionen Bisons soll es noch gegeben
haben um 1800. Um 1860 entstehen Eisenbahn, es entstehen Mehrladegewehre, es
gibt den „Buffalo Bill“, man konnte Jagdgesellschaften organisieren. Die Indianer, die
haben aus dem Bison über 200 Artikel hergestellt für ihr Leben. Die weißen
Jagdgesellschaften, na ja, die brauchten zur Versorgung beim Eisenbahnbau
vielleicht noch Fleisch. Aber alles andere haben die nicht gebraucht.
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Dann war es also bequem, sich in die Eisenbahn zu setzen, in die Prärie zu rollen,
und wenn dann so eine Herde kam, brauchte man nicht mal aussteigen. Man konnte
die Fenster runter lassen, mit diesen Mehrladegewehren. Und das Ergebnis, dass
um 1890 es nicht mal mehr 500 solche Tiere gab.
O-Ton 36 – Martin Schmitz, Publizist und Verleger (OT 69)
Wenn man sich einen Raum erschließen will, muss man sich ja in ihm bewegen (...),
sonst können wir den gar nicht beschreiben.
AUTOR (13) (25)
Martin Schmitz unterrichtet Spaziergangswissenschaft an der Kunsthochschule
Kassel.
AUTORIN (9) (27)
Der Begründer der Spaziergangswissenschaft, der Schweizer Soziologe und
Urbanismusforscher Lucius Burckhardt, sah in einer bewussten Wahrnehmung von
Landschaft eine grundlegende Voraussetzung für Stadtplanung und gutes Bauen.
O-Ton 37 – Martin Schmitz im Gespräch mit Daniela Seel (OT 72)
M.S. - Es kommen ja immer alle Architekten, und Landschaftsplaner vor allen
Dingen, die sagen: Da war vorher nichts. Also, ich muss da wieder eine neue
Landschaft machen. (...) Und da war ja was vorher. Es geht eigentlich um eine
neue Interpretation (...) unserer Räume. Spaziergangswissenschaft in
Reinform bedeutet einfach, da rauszugehen und im Grunde genommen
überhaupt keinen Plan zu haben. (...) Natürlich können wir uns nie davon
befreien, was wir schon wissen. – Also, wie der Armstrong, ne: Der fliegt zum
Mond, und was sagt er? „Grand Canyon!“ Da hätte er nicht so weit fliegen
brauchen.
D.S. - Aber das ist natürlich toll, dieses „Da war ja nichts!“ Das ist ja der klassische
kolonialistische Gedanke: die Rechtfertigung des eigenen Tuns, irgendwo
hinzugehen und sich um nichts kümmern zu müssen und gar nicht genau
gucken zu müssen, sondern einfach jetzt selbst Hand an zu legen – der große
Abenteurer-Geist, der große Entdecker-Geist, und dieses: einfach sich zu
nehmen, sich herauszunehmen und erst mal vorauszusetzen, „Ich bin der
Erste!“
Atmo – Natur in der Stadt
AUTOR (14) (28)
Der Mythos der „Wildnis“, ursprünglich ein Gegenbild zur Zivilisation schlechthin,
entwickelt sich schon seit einer Weile zu einer Facette des urbanen Lebensstils.
AUTORIN (10) (29)
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Füchse im Hinterhof und Wildschweine in den Vorgärten. Bienen, die in der Stadt
eine größere Blütenvielfalt finden als in ländlichen Monokulturen. Überall Habitate für
in dem von industrieller Landwirtschaft geprägten Umland selten gewordene
Pflanzen und Tiere.
Die vermeintlichen Grenzen zwischen „Wildnis“ und dem Lebensalltag in den
Metropolen verwischen, Lebensräume greifen ineinander. Zugleich setzen
Marketingkampagnen auf „Landlust“ und die Imagewerte einer
umhegten, verfügbaren Natur, zum Beispiel Bier.
O-Ton 38 – Martin Schmitz, Publizist und Verleger (OT 73)
Das war ja früher so: „Im Herzen der Natur“, da war nur ein Blättchen da, es war total
grün, und jetzt sitzen die aber oben auf einer Dachterrasse, und du siehst sofort: das
ist ein Penthouse. Das ist aber total grün alles, als wenn die im Urwald wohnen, und
hinten ist dann so eine Frankfurt-Silhouette. Also, das läuft auch auf dieses
metropolitane Bild hinaus.
O-Ton 39 – Martin Schmitz, Publizist und Verleger (OT 74a)
Der englische Landschaftsgärtner hat ja schon gewusst, dass die Wahrnehmung auf
einem kinematografischen Effekt beruht, nämlich auf dem kinematografischen Effekt
des Spazierengehens. Also, du gehst den sogenannten Gürtelweg, und dann wird
ein Blick aufgemacht, du hast eine Perspektive, du siehst irgendeine Bank da stehen.
Also, es sind alles auch Motive, die da wie in einem 3-D-Kino gebaut werden, und du
gehst da durch. Das haben die schon gewusst. (5:30) Was die Landschaftsgärtner im
18. Jahrhundert noch nicht gewusst haben in der Form, wie wir es heute wissen, ist
natürlich diese Infiltration durch die Medien.
SPRECHER (4) (7) – Zitat: John Muir „Die Berge Kaliforniens“, S. 279
Als Kalifornien noch wild war, erstreckte sich ein Bienengarten über seine gesamte
Fläche, von Norden nach Süden, von der schneebedeckten Sierra bis zum Ozean.
Wohin auch immer eine Biene innerhalb der Grenzen dieser unberührten Wildnis
flog (...) in jeder Klimazone bis zur Baumgrenze blühten in verschwenderischer Fülle
Blumen für die Bienen. (...) Flächen goldener Korbblütler, Veilchenbeete,
Minzebeete, Rabatten von Moosheide und Klee.
O-Ton 40 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 75)
G.H. - Ja, wir sind hier am pazifischen Rand von Nordamerika, blicken also nach
Kalifornien rein über die Artemisia-Steppe und bekommen hier also einen
Eindruck davon, wie Adelbert von Chamisso Kalifornien erlebt hat, als er mit
der Rurik dort an Land ging.
F.K. - Und wir sind auf dem Weg in die Prärie?
G.H. - Genau.
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AUTOR (15) (32)
Im Botanischen Garten von Berlin kann man die Landschaften der Nordhalbkugel im
Kleinformat durchwandern.
O-Ton 41 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 76)
G.H. - In die Prärie kommen wir nur, wenn wir über die Rocky Mountains klettern,
denn wir kommen ja jetzt hier erst mal von Kalifornien. (...) Da müssen wir jetzt
über die Berge noch erst mal rüber.
Rasensprenger-Regen-Attacke: Wasser trommelt auf Mikro bzw. Windkorb
AUTOR (16) (33)
Der Regenschauer in den Rocky Mountains kommt zum Glück nur aus dem
Rasensprenger. Dann geht die Botanikerin Gesche Hohlstein voran in die Landschaft
des amerikanischen Westens.
O-Ton 42 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 77)
Und so wie in Nordamerika das eben auch ist, bilden die Rocky Mountains (...) eine
Barriere für die Wolken, und insofern ist es direkt hinter den Rocky Mountains
ziemlich trocken, und diese Trockenheit hat dazu geführt, dass es so eine KurzgrasPrärielandschaft dort sehr ausgedehnt gibt.
AUTORIN (11) (34)
Vier, fünf Schritte lang und drei Schritte breit ist das Beet für die Kurzgras-Prärie.
Kaum mehr als Klee und Biene und Reverie. Aber die Botanikerin sieht doch noch
einiges mehr.
O-Ton 43 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 78)
Monada, die „Indianernessel“ (...) und die Rudbeckien, verschiedene SonnenblumenArten: Heliantus, (...) das sind ganz charakteristische Pflanzen, die aus der
nordamerikanischen Prärie kommen.
O-Ton 44 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 79)
Seit einigen Jahren sind sehr in Mode Saatgutmischungen (...) für den eigenen
Garten, das ist „Präriemischung“. Das sind (...) Pflanzen, (...) die sehr genügsam sind
aber durchaus sehr attraktiv aussehen. Das Problem ist bloß: insbesondere Pflanzen
aus der Prärie (...) die können einfach ausbüxen und sich weiter vermehren, und
heimische Pflanzen verdrängen.
AUTORIN (12) (36)
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Wenn die Kanadische Goldrute sich auf Brandenburger Trockenrasen ausbreitet,
dann weichen Kräuter wie der Augentrost und heimische Orchideen wie Knabenkraut
und Frauenschuh. Hieran entzünden sich Debatten über das Fremde im trauten
Beet, wie es dorthin kommt, und ob es bleiben darf, über Unkraut und Grenzen.
Darf wer die Artenvielfalt charakteristischer Vegetationsformen erhalten will, ihre
Entwicklung gerade nicht sich selbst überlassen? Der Botanische Garten ist ein
Paradox: eine durch und durch künstlich angelegte Landschaft, die im Kleinen zeigen
soll, wie reich und vielgestaltig die Natur sein könnte, würde nur der Mensch sich
ganz heraushalten.
O-Ton 45 – Gesche Hohlstein, Botanischer Garten, Berlin (OT 80)
Das ist schon richtig. Der Garten hier ist eine absolute Fiktion.
AUTOR (17) (38)
Am Rand des Höhenwegs liegt ein Findling, der mit Flechten und Moos bewachsen
ist.
O-Ton 46 – G. Hohlstein mit Daniela Seel und Frank Kaspar (OT 81)
G.S. - Flechten sind ja eine Symbiose aus Algen und aus Pilzen, (...), die kann man
nicht so kultivieren wie man andere, höhere Pflanzen kultivieren kann. Das
heißt also, die Flechten hier auf diesem Stein, die sind sozusagen spontan
hier.
F.K. - Die sind „wild“, ja?
D.S. - Lacht
G.H. - Die sind wild, ja.
D.S. - So sieht’s aus, die Wildnis mitten im Garten!
Atmo – Wind in den Dünen
SPRECHERIN (4) (27) – Zitat: Céline Minard „Mit heiler Haut“, S. 92
Er blieb auf dem Felsgrat stehen und betrachtete die Prärie ringsumher. Ihm war, als
stünde er auf einer schwarzen Perle, die auf ein herrliches Kleid aus Bisonleder
genäht war.
O-Ton 47a – Kader Attia, bildender Künstler (OT 86)
The prairie is in Algeria where I spent most of my time in the mountains of the Aurès.
And there is huge prairie in front of the house. Which is a farm. And, I mean, I did
everything here, you know, horses, and we played football.
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SPRECHER (5) (8) – Übersetzung
Die Prärie ist für mich in Algerien, wo ich viel Zeit im Aurès-Gebirge verbracht habe.
Dort gibt es eine ausgedehnte Prärie vor dem Haus, einem Farmhaus. Und da habe
ich alles gemacht, Pferde, wir haben Fußball gespielt.
Und was ich besonders schön finde: Jedes Mal, wenn ich dort hinkomme, hat sich
nichts bewegt. Nur ich bin älter geworden.
O-Ton 47b – Kader Attia, bildender Künstler
For me the prairie is this. And what I (...) really appreciate is that each time I go there,
it didn’t move. But I am getting older, and I find this super beautiful.
O-Ton 48 – Zitat: Daniela Seel, „was weißt du schon von prärie“, S. 18 (OT 87)
Jeder hier ist übers Wasser gekommen.
Wie sie werde ich Hunger spüren. Dunkel, Wüste. Berührung.
Den versunkenen Wald unter Cardigan Bay, auf den ich von Ty Newydd aus
schaute, ohne ihn zu sehen.
Was hat die Hekla damit zu tun, die Katla, Laki, der Inselbergegletscher?
Oder Dürren in Ägypten, Französische Revolution.
Ich meine das nicht monokausal.
Ich kam durch sichere Drittstaaten, Sporen am Schuh.
Ich rechne mit Konsequenzen.
Wie Kontinente millimeterweit reißen und unter Ascheregen die Sicht verschärfen.
Auf das Grün von 600 Sorten Moos.
Einträge hellster Endlichkeit.
AUTOR (18) (43)
Eine verschneite Ebene. Im Hintergrund: bewaldete Hügel. Vor dem Schneefeld
zeichnen sich die Silhouetten von drei Wölfen ab, die Schnauzen zum gemeinsamen
Heulen erhoben. Das Foto findet sich in dem Buch „Rückkehr der Wölfe“ des
Journalisten und Jägers Eckhard Fuhr. Unter dem Bild steht: „Das ist nicht Alaska,
sondern die sächsische Lausitz.“ Die scheinbare Wildnis ist eine Kunstlandschaft,
ehemaliges Tagebau-Gebiet.
O-Ton 49 – Eckhard Fuhr, Journalist und Jäger (OT 91)
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Das Ergebnis eines total brutalen, maschinenmäßigen Eingriffs in die Natur: Die
Erdoberfläche wird aufgerissen, bis man an die Kohlenflöze kommt, gigantische
Bagger fahren da durch, und wenn das dann erschöpft ist, dann wird das renaturiert,
man versucht es ein bisschen zu gestalten, aber das, was dabei herauskommt, ist
eben eine Anmutung von Landschaft, die doch sehr an Wildnis erinnert. – Womit
man eben auch bei der Frage ist, wo die Wildnis eigentlich entsteht: bei uns im Kopf
oder sozusagen als objektives, vorhandenes Ding. (...)
Das ist eine fast philosophische Frage. Man kann sich aber nicht auf irgendeinen
erkennbaren Naturzustand berufen dabei.
AUTORIN (13) (41)
Seit dem Jahr 2000 gibt es wieder frei lebende Wölfe in Deutschland, die in der
Kulturlandschaft ihre Jungen groß ziehen, ohne sofort erschossen zu werden – die
ersten seit mehr als 150 Jahren.
AUTOR (19) (42)
Die Biologin Helene Möslinger und ihre Kolleginnen betreiben in Rietschen das
„Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz“. Sie informieren die Öffentlichkeit über das
Verhalten der Tiere. Denn viele Menschen sind wegen der neuen Nachbarn
beunruhigt.
O-Ton 50 – Helene Möslinger, Biologin, Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz (OT 90)
Genau, also, mit dem hat man schon viel zu tun, vor allem dieses: „Ich kann es nicht
kontrollieren.“ // Ich als Mensch bin dem Wolf ja quasi ausgeliefert, wenn es ernst auf
ernst käme. Ich bin auch dem Wildschwein ausgeliefert, wenn es ernst auf ernst
kommt. Also, wir sind generell vielen Tierarten eigentlich von unseren Fähigkeiten
her – jetzt abgesehen von Lesen, Schreiben, Rechnen und so – eher untergeordnet.
(...) Das ist sicher auch einer der Gründe, weil wir das halt nicht kennen, dass quasi
da noch jemand ist, der halt auch sein eigenes Ding macht, und der auch andere
Tiere jagt.
AUTORIN (14) (45)
Für Eckhard Fuhr ist ein gutes Verhältnis zum „Nachbarn Wolf“ Teil des
„europäischen Traums“.
O-Ton 51 – Eckhard Fuhr, Autor: „Rückkehr der Wölfe“ (OT 93)
Ja, (...) dieser europäische Traum besteht eigentlich darin, dass wir einen Stand der
ökonomischen Entwicklung erreicht haben, der es uns ermöglicht, (...) ja, in gewisser
Weise Frieden zu schließen mit der Natur.
AUTORIN (15) (46)
Denn gerade gegen den Wolf wurde ein regelrechter Feldzug geführt – in Europa wie
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auch in Amerika.
O-Ton 52 – Eckhard Fuhr im Gespräch mit Daniela Seel (OT 94)
Man hat nach dem Bürgerkrieg die Eisenbahn gebaut. Man hat Stränge geschaffen,
an denen sich diese Kolonisation vorarbeiten konnte, und was die Wölfe angeht, so
hat man dort mit allen Mitteln, vor allen Dingen auch mit Gift, die Wölfe ausgerottet.
Prärieindianer, die von der Büffeljagd lebten, Büffel, Wolf, dieses Dreieck wurde ja
zerstört, indem alle drei Ecken gewissermaßen niedergemacht wurden von den
weißen Siedlern: die Büffel, die Indianer und eben auch die Wölfe. Man muss eben
klar sagen, dass diese Ausrottung der Wölfe vielleicht die deutlichste Signatur
dessen war, was die Kolonisation des amerikanischen Westens eigentlich bedeutete,
historisch.
O-Ton 53 – Kader Attia, bildender Künstler (OT 95)
For me it is very important to understand that the world and it’s evolution cannot last
without the repair of the injuries that have been made by the ancient world.
SPRECHER (6) (9) – Übersetzung
Ich finde es sehr wichtig zu begreifen, dass die Welt nicht bestehen und sich nicht
weiterentwickeln kann, ohne eine Reparatur der Wunden aus früheren Zeiten.
AUTOR (20) (47)
Kader Attia, geboren in Paris, aufgewachsen in Frankreich und Algerien, hat sich als
bildender Künstler intensiv mit den Folgen des Kolonialismus auseinandergesetzt.
Ein zentraler Begriff ist für ihn dabei die “Reparatur”.
O-Ton 54 – Kader Attia, bildender Künstler (OT 96)
I think in the notion of imperialism you have a one-way, from one point to another.
The repair is away-and-back, it’s a loop. It is a loop because there is no way to think
the repair without the injury. // Each repair embodies it’s injuries; it is impossible,
philosophically, to think repair without injuries. The injury is all the time somewhere.
There is always something coming back to you.
SPRECHER (7) (10) – Übersetzung
Der Begriff „Imperialismus“ hat nur eine Richtung, von einem Punkt zu einem
anderen, eine Einbahnstraße. Die „Reparatur“ schafft ein Wechselverhältnis, eine
Kreisbewegung, denn man kann sie nicht ohne die Verletzung denken. Jede
Reparatur verkörpert ihre Verletzungen. Die Verletzung ist immer da, irgendwo.
Immer kommt etwas auf dich zurück.
Atmo – Wind in den Dünen
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SPRECHERIN (5) (9) – Zitat: Céline Minard „Mit heiler Haut“, S. 14
Über-die-Ebene-fließendes-Wasser hatte keine Eltern, sie waren verbrannt.
Über-die-Ebene-fließendes-Wasser hatte keinen Wigwam, er war zerrissen.
Keine Vorräte, sie waren dahin. Keine Tränen, sie waren versiegt.
O-Ton 55– Patty Frank, Aufn. im Karl May Museum, 1958 (OT 98)
Indianergeschichten, Räubergeschichten, Abenteurergeschichten, die hören Sie hier
nicht, das sage ich Ihnen gleich. Sondern Sie hören einen ganz kleinen Vortrag, der
Ihnen zeigen soll, wie der Indianer in Wirklichkeit war.
O-Ton 56– Apache-Aktivistin gg. Kupfermine (OT 101)
Leave the Apaches alone, let us remain to practice our culture, say our prayers (...)
that’s all we ask America! And congress men, senators and president Obama if you
hear this message, you have the authority to use Antiquities Act and prohibit mining
on Oak Flat!
SPRECHERIN (6) (10) – Zitat: Céline Minard „Mit heiler Haut“, S. 14
Sieben Monde, bevor sie den Gesang der Kojotenmutter gehört hatte, war sie auf die
Spur eines verletzten Mannes gestoßen.
O-Ton 57– Patty Frank, Aufn. im Karl May Museum, 1958 (OT 99)
Ich habe mich in sämtliche fünf Weltteile herumgetrieben: Australien, Afrika, Amerika,
Asien, Europa, und habe im Laufe von vielen, vielen Jahren die Sammlung
zusammengetragen.
O-Ton 58– Schauspiel: Winnetou I., Felsenbühne Rathen (OT 100)
Old Shatterhand:
Kennst du das?
Winnetou:
Das ist Haar von meinem Kopf! – Wer hat dir das gegeben?!
O-Ton 59 – ARD-Bericht: Umbenennung des Mount McKinley (OT 102)
Den Ureinwohnern Alaskas bringt Obama ein lang ersehntes Geschenk mit. Der
6168 Meter hohe Mount McKinley bekommt seinen alten Namen zurück und wird
künftig Denali heißen. Das Wort bedeutet in ihrer Sprache: der Große.
O-Ton 60 – Daniela Seel im Gespräch (OT 102a)
Ja, das ist natürlich vollkommen irre, was hier vor sich geht: „lang ersehntes
Geschenk“! – Wer hat hier das Recht, wem was zu schenken? Dieser Berg hieß seit
Jahrhunderten Denali, und auch in der Zeit, als er von einigen Mount McKinley
genannt wurde, hieß er weiterhin Denali.
Und gleichzeitig ist es natürlich interessant: Wie kommt überhaupt ein Berg zu
seinem Namen? Und dann: Was ist das für ein Sprechakt, dass jemand wie Obama
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das Recht hat, international dann offiziell den Berg umzubenennen und quasi
zurückzugeben?
O-Ton 61 – Karl-May-Museum, Sammlung „Villa Bärenfett“ (OT 103)
Schritte: Rundgang durch die Ausstellung
AUTOR (21) (48, 55)
Mit Robin Leipold in der “Villa Bärenfett“. Hier ist die ethnografische Sammlung des
Karl-May-Museums zu sehen.
Wie so oft bei Karl May sind Fakten und Fiktionen hier kaum voneinander zu trennen.
O-Ton 62 – Robin Leipold, Karl-May-Museum, im Gespräch mit D. Seel (OT 108)
D.S. - Möglicherweise ist ja schon der Grundfehler in der europäischen
Wahrnehmung, dass die ganze Idee des „Indianischen“ fiktional ist. Schon zu
sagen, von Kolumbus aus: „Wir entdecken Indien!“ und „Wir entdecken die
Indianer!“
R.L. - „Wir entdecken die jetzt!“, die sind aber schon da gewesen, die mussten nicht
„entdeckt“ werden.
D.S. - Genau, die Grundannahme ist schon das Fiktionale. Aber deswegen ist ja
dieses Aufeinanderprallen von historischer Realität oder Gegenwart und eben
diesen Fiktionen, die von Anfang an europäische Fiktionen über Amerika
waren und bis heute eben so wirkmächtig sind, deswegen gibt es dieses
Konflikthafte bis heute.
AUTORIN (16) (49)
Bisher werden in Radebeul wie in vielen ethnologischen Museen der westlichen Welt
immer noch in erster Linie die Geschichten der Entdecker und Eroberer erzählt. Die
Museen stehen deshalb zunehmend in der Kritik. Native Americans fordern, dass
ihre eigenen Stimmen dort gehört werden, und sie verlangen, dass heilige Objekte,
und vor allem menschliche Überreste, die sich in Sammlungen der früheren
Kolonialmächte befinden, an sie zurückgegeben werden.
AUTOR (22) (50)
Auch das Karl-May-Museum ist mit einer Rückforderung konfrontiert.
AUTORIN (17) (51)
20
Seit dem Frühjahr 2014 verhandelt das Museum mit Vertretern der Ojibwe über die
Herausgabe bzw. Rückgabe eines Skalps. Dass das Objekt menschlichen Ursprungs
ist, hat eine haarmorphologische Untersuchung bestätigt. Doch die genaue Herkunft
ist bis heute ungeklärt.
AUTOR (23) (52)
Alle Angaben beruhen auf einer abenteuerlichen Geschichte des Museumsgründers
Enrst Tobis, genannt „Patty Frank“. Der Wildwest-Artist war für seine blühende
Phantasie bekannt.
O-Ton 63 – Robin Leipold, Karl-May-Museum, Radebeul (OT 106)
Das sind so Museums- hauseigen gemachte Legenden, die sich irgendwann immer
stärker zur Realität wandeln. Und irgendwann fand diese ganze Beschreibung mal in
einen unserer Ausstellungs-Kataloge, und das haben dann Vertreter der Ojibwe in
den USA zu lesen bekommen und haben gesagt, na, wenn das so ist, ist das ja ein
Überrest eines unserer Vorfahren. // Und das ist die ganze Krux an der Geschichte,
weil die bis heute nicht verstehen können, wie wir als wissenschaftliche Institution
Informationen in einen Katalog, rein bringen, wo jegliche Überprüfung fehlt.
AUTORIN (18) (53)
Wäre es nicht trotzdem richtig, den fraglichen Skalp herauszugeben, damit er
bestattet werden kann?
AUTOR (24) (54)
So lange die Herkunft des Objekts nicht geklärt ist, sieht Robin Leipold das Museum
in treuhänderischer Verantwortung.
O-Ton 64 – Robin Leipold, Karl-May-Museum, Radebeul (OT 107)
Was ist denn, wenn ich das jetzt zurückgebe, und in 5 Jahren stellt sich was raus,
woher es eigentlich kommt, und diese Nachfahren sagen dann: Das war ganz
furchtbar, ihr hab das denen vor 5 Jahren gegeben, es hat denen überhaupt nicht
gehört, (...) die haben das vielleicht sogar verbrannt oder beerdigt. Bei uns werden
solche Sachen überhaupt nicht verbrannt. Jetzt hab ihr meinen Großvater verbrannt!
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Atmo – Wind, weites Grasland
O-Ton 65 – Abspann Daniela Seel (OT 111)
Ja, Namen von Bergen, Pflanzen, Landschaften, Wölfe – die Untoten des
Kolonialismus, möchte ich fast sagen, und wie sie zurückkommen und eben doch
noch sehr lebendig sind (...) und uns aufgeben, selbstaufklärerisch mit diesem Erbe
und eben dem, was nicht zu „reparieren“ ist im Sinne von Kader Attia dann
umzugehen oder einen besseren Umgang zu suchen.
O-Ton 66a – Kader Attia, bildender Künstler (OT 109a)
Native North American people, (...) they have lost basically everything: their land,
their people, their art, their landscape (...), their language. I have to say that I have
been very stressed by this incredible illustration of how much the European mind has
colonized the space of North America, constantly trying to control nature within this
idea of categorizing it.
SPRECHER (8) (12) – Übersetzung
Die nordamerikanischen Ureinwohner haben im Grunde alles verloren: ihr Land, ihre
Leute, ihre Kunst, ihre Landschaft, ihre Sprache. Es hat mich wirklich aufgewühlt zu
erkennen, wie sehr der europäische Geist den nordamerikanischen Raum kolonisiert
hat und die Natur immer weiter zu kontrollieren sucht, auch durch Kategorisierung.
O-Ton 66b – Kader Attia, bildender Künstler (OT 109b)
That’s why these paintings for me, that I saw in this museum – which was a very
classic North American museum with cowboy outfits, hat, rifles, I mean, you had
everything of the American Dream. It was not like this art fancy very sharp museum –
and I like to go there, because I think this is the reality. So, I was looking at this and
was thinking: Okay, now got much better what might be the mentality here.
SPRECHER (9) (13)
Die Gemälde in diesem sehr typisch nordamerikanischen Museum, Cowboy-Outfits,
Hüte, Flinten, eben der ganze Amerikanische Traum. Und das ist die Realität, die
Mentalität vielleicht. Wir sind es gewohnt, von der Kolonisierung der Menschen zu
sprechen Aber da ist nicht nur dieser Rassismus gegenüber den Ureinwohnern, es
gibt auch einen Rassismus zwischen Moderne und Natur. Die Eroberung des
Westens vollzieht sich mit der Eisenbahn. Das ist nicht einfach Christoph Kolumbus,
der den neuen Kontinent erreicht, sondern die Maschine, die über den Ozean
kommt.
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O-Ton 66c – Kader Attia, bildender Künstler (OT 109c)
I have to say that I have been surprised that there is not only this racism against the
native that has been like colonised by the European mind, it is a racism between
modernity and nature. The railway connected the West conquest. The West conquest
ist not like Christoph Colomb arriving in the new continent, it’s really the machine
arriving in the ocean.
Atmo – Lößnitzgrundbahn
Musik 1 – Simone White, „American War”
SPRECHERIN (7) (13)
Was weißt du schon von Prärie?
Eine Reise zu den Drehorten unserer inneren Landschaft
Von Daniela Seel und Frank Kaspar
Mit Landschaftsbeschreibungen von John Muir, Céline Minard und John Williams
Die Sprecher waren: Bettina Kurth, Simon Böer, Daniela Seel und Frank Kaspar
Regie und Produktion: Frank Kaspar und Frieder Butzmann
Eine Autorenproduktion im Auftrag des Südwestrundfunks und des
Deutschlandfunks, 2015
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