VG München, Beschluss v. 23.04.2015 – 12 S 15.632 Titel: VG München: AufenthG, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis, BayVwVfG, Aufenthaltstitel, Angabe falscher Personalien, Rücknahme, Identitätstäuschung, KVR, Rechtsquelle, Entdeckung, Erschleichen, Werktag, Ausländerbehörde, Vollziehbarkeit, Sofortvollzug, Ausweisungsverfügung, Aufenthaltsgenehmigung, Ausländer Normenketten: § 80 Abs. 5 VwGO Art. 48 BayVwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG § 25 Abs. 5 AufenthG § 80 Abs. 5 VwGO Art. 48 BayVwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG § 25 Abs. 5 AufenthG Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Gründe I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Rücknahmen seiner Aufenthaltserlaubnisse und begehrt die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Er ist am ... geboren, libanesischer Staatsangehöriger und reiste am 25. März 1998 in das Bundesgebiet ein. Auf Antrag der Eltern des Antragstellers unter Angabe falscher Personalien wurde ihm eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt und jeweils verlängert. Am ... Oktober 2012 beantragte er die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Nachdem Entdeckung der Identitätstäuschung und nach Anhörung des Antragstellers wurde mit Bescheid vom ... Januar 2015 festgestellt, dass die dem Antragsteller am 22. März 2012 erteilte Aufenthaltserlaubnis erloschen ist (Nr. 1). Hilfsweise wurde die am 22. März 2012 erteilte Aufenthaltserlaubnis mit ursprünglicher Wirkung zurückgenommen (Nr. 2). Die dem Antragsteller am 19. August 2008 sowie am 20. Mai 2011 erteilten Aufenthaltserlaubnisse wurden jeweils mit ursprünglicher Wirkung zurückgenommen (Nr. 3). Der Antragsteller wurde verpflichtet, den ihm am 22. März 2012 ausgestellten elektronischen Aufenthaltstitel, unverzüglich, jedoch spätestens am zweiten Werktag nach Zustellung des Bescheides bei der Ausländerbehörde abzugeben (Nr. 5). Bezüglich der Nrn. 2, 3 und 5 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 6). Der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis wurde abgelehnt (Nr. 7). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten, § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nur so werde sichergestellt, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage nicht dazu führe, dass der Antragsteller auf diesem Wege seinen durch falsche Angaben erschlichenen Aufenthaltstitel auf unabsehbare Zeit weiterhin besitze. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit könnte der Antragsteller einen Nutzen aus dem Erschleichen der Aufenthaltserlaubnis ziehen, da diese für die Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens erhalten bliebe. Der Sofortvollzug der Nrn. 2 und 3 werde außerdem aus generalpräventiven Gründen angeordnet. Ein nur durch falsche Angaben erreichter Aufenthalt müsse unverzüglich und nicht erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens beendet werden, um andere Ausländer von gleichartigem Verhalten abzuschrecken. Im Vergleich zu einem Ausländer, gegen den eine Ausweisungsverfügung erlassen worden sei, wäre eine Besserstellung desjenigen Ausländers nicht nachvollziehbar, der eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten habe, die ihm bei Kenntnis der Umstände niemals erteilt worden wäre. Die mit dem Sofortvollzug der Rücknahme der Aufenthaltstitel bezweckte abschreckende Wirkung liege daher im besonderen öffentlichen Interesse. Demgegenüber habe das private Interesse des Antragstellers zurückzutreten. Insbesondere würde der Antragsteller dadurch auch nicht zum Objekt staatlichen Handelns degradiert. Er habe sich einen ihm tatsächlich nicht zustehenden Aufenthalt durch Falschangaben erwirkt. Da der ihm daraufhin gewährte Aufenthalt nicht als schützenswert anzusehen sei, habe der Antragsteller auch damit rechnen müssen, dass sein Aufenthalt unverzüglich beendet werde. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 5 sei angeordnet worden, da dies im öffentlichen Interesse geboten sei, § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Nur so werde sichergestellt, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage nicht dazu führe, dass er sich weiterhin im Besitz eines zu Unrecht erlangten Aufenthaltstitels befinde. Im öffentlichen Interesse könne es nicht geduldet werden, dass der Antragsteller den aufgrund einer Straftat erlangten Aufenthaltstitel weiterhin verwende. Es sei geboten, der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis sowie den damit verbundenen Verpflichtungen, auch die zeitnahe Durchsetzung folgen zu lassen. Nur durch konsequentes Handeln könne dem öffentlichen Interesse, den Aufenthaltstitel zuverlässig aus dem Rechtsverkehr zu ziehen und den Rechtsschein des rechtmäßigen Aufenthaltes des Antragstellers zu beenden, Folge geleistet werden. Die sofortige Vollziehbarkeit solle außerdem verhindern, dass der Antragsteller den bis 21. März 2015 gültigen Aufenthaltstitel missbräuchlich benutze bzw. solle gewährleisten, dass der Aufenthaltsstatus des Antragstellers den rechtlichen Tatsachen entsprechend dokumentiert werde. Im Übrigen sei für Dritte der Entfall des aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers nur so erkennbar. Der Antragsteller hat am ... Februar 2015 Klage erhoben und beantragt außerdem, bezüglich Nr. 2, 3, 5 und 7 des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidung im Klageverfahren (M 12 K 15.631) sowie auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. II. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. I. Nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO hat die Klage gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels keine aufschiebende Wirkung. Soweit die Antragsgegnerin den Sofortvollzug der Nrn. 2, 3 und 5 des Bescheids angeordnet hat, genügt die Begründung den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin durfte generalpräventive Gründe zur Begründung der Anordnung heranziehen (vgl. auch BayVGH, B.v. 17.11.2000 - 24 ZS 00.3111 - juris Rn. 6). Zu Recht geht sie darauf ein, dass im Vergleich zu einem ausgewiesenen Ausländer eine Besserstellung desjenigen Ausländers nicht nachvollziehbar wäre, der eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hat, die ihm bei Kenntnis der wahren Umstände niemals erteilt worden wäre. Darüber hinaus bezieht sich die Anordnung des Sofortvollzugs auf den Einzelfall des Antragstellers. II. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, in den Fällen des Abs. 2 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Die hierbei zu treffende Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin fällt vorliegend zulasten des Antragstellers aus, da die Hauptsache insoweit keine Aussicht auf Erfolg hat. Soweit die Klage gegen den Bescheid vom ... Januar 2015 keine aufschiebende Wirkung entfaltet und deren Anordnung bzw. Wiederherstellung beantragt ist (Nrn. 2, 3, 5 und 7), ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Bezüglich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidung im Klageverfahren (M 12 K 15.631) Bezug genommen. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog.
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