Roland Simon - Landesstelle für Suchtfragen

Andere Länder – andere Sitten?
Cannabisrecht in der Diskussion
34. Landestagung der Landesstelle für Suchtfragen
CVJM Stuttgart
Roland Simon
16. Juli 2015
Übersicht
In paar Fakten zu Cannabis
Grundlage des Drogenrechts
Rechtswirklichkeit
Neue Initiativen
Diskussion des Cannabisrechts
2
Ein paar Fakten
zu Cannabis
Cannabis: Die häufigste Droge in Europa
Erwachsene
Konsum im Lebenszeitraum
75.1 Millionen - 21.7%
Konsum im
letzten Jahr
(15-34)
15-34Jährige
Konsum im letzten Jahr
13.9 Millionen - 11.2%
Täglicher Konsum (alle)
3 Millionen – 1%
Quelle: EDR 2015
4
Cannabis: Preis und Reinheit
Haschisch
Marihuana
Quelle: EDR 2015
5
Neue psychoaktive Substanzen
Synthetische
Cannabinoide (N=30)
Quelle: EDR 2015
6
Cannabis vs Heroin:
Änderungen in der Behandlungsnachfrage
Quelle: EDR 2015
7
Cannabis: Klienten in Behandlung
Alter
Vermittlung
Konsum im letzten Monat
Vorbehandlung
Quelle: EDR 2015
8
Grundlagen des
Drogenrechts
Cannabis: Rechtliche Entwicklung
Konsum seit Jahrtausenden
Nationale Kontrollmaßnahmen im 19. Jahrhundert
• Arabien, Türkei, Griechenland, Brasilien, Südafrika
• Ziel waren oft Randgruppen der Gesellschaft
Genfer Opium Konvention 1925
• Cannabis eingeschlossen
• Prohibitionistische Gesetzgebebung
UN Konventionen
• 1961: Cannabis voll integriert
• 1971: Schedule 1 “kein therapeutischer Wert”
• 1982: Schedule 2 “geringer/mittlerer therapeutischer Wert”
10
Im Zentrum: Produktion und Handel
EU
Konsens
Legalisierung
Ordnungswidrigkeit
Dekriminalisierung
Straftat,
nicht bestraft
(eingestellt)
Entpönalisierung
Straftat,
bestraft
Keine
Straftat/Ordnungswidrigkeit
im Rahmen von
Regulierung
Keine Straftat/
Ordnungswidrigkeit
Verboten
Erlaubt
Regulierung
Freier Markt
Konsumenten
Händler
11
Rechtswirklichkeit
Drogendelikte
Gesamtzahl
Delikte: 1,25 M
 63 % davon betreffen
Cannabisbesitz zum Eigenkonsum
 Zahlreiche Einstellungen im Laufe
des Verfahrens
Quelle: EDR 2015
13
Urteile: Konsumentendelikte Cannabis
Gefängnis
Bewährung Geldstrafe Gem. Arbeit Sonstiges
Quelle: EMCDDA Selected Issue 2009: Drug offences: sentencing and other outcomes
14
Urteile: Handelsdelikte Cannabis
Gefängnis
Bewährung Geldstrafe Gem. Arbeit Sonstiges
Quelle: EMCDDA Selected Issue 2009: Drug offences: sentencing and other outcomes
15
Verhängter Haftstrafen bei Cannabisdelikten
(Expertenrating)
Übliches Strafmass für Handelsdelikt
mit 10kg Cannabis
AU: Max: 175
HU: Max: 240
IR: Max: 300
Monate
16
Neue Initiativen
Initiativen außerhalb Europas:
Colorado
•
•
•
•
•
•
•
•
Lizenzen
Spezialisierte Geschäfte, Einverständnis der lokalen Behörden
Kontrolle Produktion bis Verkauf
Kaufbeschränkungen
Menge: 28,4 g pro Transaktion und Besitz)
Alter: 21+
Wohnsitz im Bundesstaat selbst
Verpackung und Kennzeichnung/Etikettierung
Bisher
• Relativ wenig praktische Probleme
• Steuereinnahmen unter Erwartung
• Probleme mit Erfindergeist der Händler:
Probleme mit essbaren Produkte
18
Initiativen außerhalb Europas:
USA und sein “medizinisches Cannabis”
19
Initiativen außerhalb Europas:
Uruguay
• Ziel: Trennung der Märkte und Vorbeugung vor wachsenden
Drogenproblemen durch Public Health Ansatz
• Lizenzen und Registrierung aller Beteiligter
• 3 Modelle für Besitz/Verkauf (max. 480 gr/Jahr = 1,3 gr/Tag):
• Anbau für den Eigengebrauch: bis zu 6 Pflanzen
• Vereinigungen : 15-45 Mitglieder, bis 99 Pflanzen pro Jahr
• Verkauf in Apotheken: max. 10gr/Woche
Produktion für Verkauf
• 5 Produzenten, max. 15% THC
• Kontrolle von Samen und Pflanzen.
• Preis > 1 $/gr
• Noch nicht voll implementiert
20
Initiativen innerhalb Europas:
Das holländische Modell
• Coffeeshops
• Dekriminalisierung, NICHT Legalisierung
• Prävalenz des Konsums und der Cannabisprobleme im mittleren Bereich
im Vergleich zu Europa
• Zahl der Coffeeshops tendenziell sinkend
• Lokale Entscheidung
• Back-Door-Problem
• Initative 40+ Bürgermeister aus dem Land
• Produktion
21
Initiativen innerhalb Europas:
Cannabis social clubs
• Ansatz: Gepoolte „Rechte“ zur Produktion von Cannabis zum
Eigenkonsum
• Selbstregulierung
• Lokale Verantwortlichkeiten (Katalonien, Baskenland, Navarra)
• Ungeklärte nationale Gesetzeslage
•
•
•
•
•
•
Zugang: 18+,
Nur für Mitglieder
2-3 gr/Tag
Keine anderen Drogen oder Alkohol; Umsetzung des Tabakgesetzes
Begrenzte Öffnungszeiten: 8 Stunden/Tag
Keine Werbung; keine öffentlichen Belästigungen
Auch in Spanien, Belgien, den Niederlanden, UK, Frankreich
22
Initiativen innerhalb Europas:
Evaluation des Drogenrechts
133 Strafrechtler in Deutschland
•
•
•
•
Böllinger als zentrale Person
Nicht primär Legalisierung
Evaluation des Drogenrechts
Reaktion der Drogenbeauftragten verhalten
23
Initiativen innerhalb Europas:
Diskussion von Gesetzen und Regulierungen
•
•
•
•
•
Portugal: “dissuation boards” statt Strafrecht
Tschechien: Ordnungswidrigkeiten
Schweiz: Ordnungswidrigkeit bis 10 g
Frankreich: (Weitere) Entkriminalisierung
Deutschland: Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (Grüne)
Aber:
• Kein Mitgliedsstaat propagiert Ende der Prohibition
• Gesetzesinitiativen aus der “zweiten Reihe”
• Voraussichtlich kein zentrales Thema Europas bei UNGASS 2016
24
Diskussion der
rechtlichen Bewertung
Aktuelle Diskussion
• Risikoeinschätzung
Cannabis vs. Alkohol und Tabak
• Kosten und Nutzen der
Prohibition
Aufwand, Effekt, Kriminalität
• Akzeptanz
26
Risikoeinschätzung Bevölkerung
(15-24 Jahre)
Cannabis regelmäßig
Cannabis 1-2 Mal
2014
2011
Alkohol regelmäßig
Alkohol 1-2 Mal
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
Quelle: Eurobarometer 2011/2014
27
Risikoeinschätzung: Experten
Quelle: Nutt, King, Phillips: Drug Harms in the UK: A Multicriteria Decision Analysis,
The Lancet, Nov 1, 2010
28
Wahrgenommene Verfügbarkeit
Verfügbarkeit als
Leicht oder sehr
leicht eingeschätzt
(15-24 Jährige)
NPS
Cannabis
2014
2011
XTC
Kokain
Heroin
0
20
40
60
80
100
Quelle: Eurobarometer 2011/2014
29
Bewertung des rechtlichen Status
Alkohol
2008
Tabak
2011
Cannabis
2014
XTC
Kokain
Heroin
0
20
40
60
80
100
Quelle: Eurobarometer 2008/2011/2014
30
Strafandrohung und Cannabiskonsum
Konsum von
Cannabis in den
letzten 12 Monaten
(Quelle EMCDDA Jahresbericht 2012/ Statistical Bulletin)
31
Verbote und Märkte: Evidenz
• Verbot kann Konsumverhalten beeinflussen – aber vor allem bei
schnellen Interventionen in engmaschig kontrollierten Gruppen
• Etablierte Märkte schwer zu beeinflussen
Bsp: USA (1985 – 1996)
Haft wegen Drogendelikten 82.000 > 376.000
Kokainpreis
+ 5 -15%
• Massive Veränderung des Markts > Anpassung nach kurzer Zeit
Gesamteffekt in der Regel nicht dauerhaft,
Auswirkung schwer vorherzusagen
Australien: Heroin > Metamphetamin
Quelle: Strang et al. (2012). Drug policy and the public good:
evidence for effective interventions. The Lancet, 379, 71-83
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Schlussfolgerungen
Stand
Erfolg der Prohibition für Cannabis begrenzt
• Prävalenz hoch
• Verfügbarkeit hoch, Preise stabil
• Nebeneffekte: Kosten für Strafverfolgung, Entwicklungsprobleme
Kritische Punkte in der öffentlichen Diskussion
• Risikoprofil ähnlich Alkohol wahrgenommen
• Akzeptanz der Prohibition wird kleiner
• Steuereinnahmen statt Förderung der OK
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Zukunft
Ausweg Regulierung statt Prohibition?
• Diverse Modelle im Eperimentalstatus
• Kein echtes Wissen über den Effekt von Legalisierung von Drogen
• Vermutungen über Effekte: Analogieschlüsse
• Colorado (und andere) als Feldexperiment
•
•
•
•
Die Entscheidung liegt bei Politik und Bevölkerung
Freier Markt keine Option – Regulierung als mögliche Alternative
Ziel: Schadensminimierung
Genaue Beobachtung der politischen Veränderungen in Colorado,
Uruguay und anderen Staaten hilft bei Entscheidung
35
Quellen
EDR 2015, www.emcdda.europa.eu
Statistical Bulletin, www.emcdda.europa.eu
Simon R, Hughes B. (2015). Cannabis und Drogenrecht in Europa:
Gesetzeslage, Umsetzung und aktuelle Diskussionen zur
Weiterentwicklung. Sucht aktuell, 1, 18-26.
Zobel F. & Marthaler M. (2015) Vom Rio de la Plata bis zum
Genfersee. Regulierung des Cannabismarkes – neue
Entwicklungen. Sucht Schweiz
36
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