China landet sanft dank Binnennachfrage

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Ausgabe 2 | 9. März 2016
China landet sanft dank Binnennachfrage
Christoph Witte
Direktor Deutschland,
Credimundi, Member of the
Credendo Group
China befindet sich im wirtschaftlichen Übergang; die Ära zweistelliger Wachstumsraten ist vorüber. Die Verschlechterung der
­makroökonomischen Indikatoren legt nahe, dass sich die strukturelle „sanfte Landung“ vertiefen könnte. China verfügt jedoch
über robuste Fundamentaldaten und eine geringe Auslandsverschuldung, außerdem über umfangreiche Währungsreserven und
eine hohe Sparquote, um widrigen Bedingungen standzuhalten.
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Die konjunkturellen Aussichten werden
durch die Risiken einer Korrektur auf dem
Immobilienmarkt, finanzielle Instabilität,
ein umfangreiches Schattenbankensystem sowie eine erhebliche Gesamtverschuldung getrübt. Diese systemischen
Faktoren sind eine schwere Bürde und
dämpfen zwangsläufig das Wachstumspotential (auf unter 6,5%), insbesondere
da die weiterhin bestehende industrielle
Überproduktion und die schwächere Auslandsnachfrage die Deflation verstärken.
Die Vertrauenskrise, die durch den Börsencrash und die überraschende Abwertung des Renminbi (CNY) im Sommer verschärft wurde, zeigt sich in zunehmenden
Kapitalabflüssen, starkem Abwertungsdruck auf den Renminbi und einer untergrabenen Glaubwürdigkeit der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh).
Wir schätzen sowohl das kurzfristige als
auch das mittel- bis langfristige politische
Risiko weiterhin als gering ein, in Kategorie 1 bzw. 2 auf einer Skala von 1 bis 7. Die
innenpolitische Stabilität unter der Herr-
© Senohrabek/iStock/Thinkstock/Getty Images
Warnsignale dämpfen Ausblick
Dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas folgt ein leichter Sinkflug – die Politik steuert wirksam dagegen.
schaft der KPCh ist ein risikominimierender Faktor, während Chinas nationalistische Außenpolitik wiederholt zu Spannungen um die umstrittenen Inseln im
Südchinesischen Meer führt. Trotz des
Widerstands vieler einflussreicher Interessenvertreter ist ein starker Präsident Xi
Jinping zur Durchführung von Reformen
entschlossen, besonders der anhalten-
den, großen Antikorruptionskampagne,
um die Legitimität der KPCh zu erhalten.
Obwohl die wirtschaftliche Liberalisierung und der Privatsektor weiter gefördert werden sollen, dürfte der Staat in
wichtigen und strategischen Wirtschaftsbereichen weiterhin eine dominierende
Rolle spielen. Das unsichere Rechtssystem
und die geringe wirtschaftliche Dynamik
beeinträchtigen das Geschäftsumfeld,
was der wesentliche Faktor für das hohe
wirtschaftliche Risiko Chinas ist (Kategorie C auf einer Skala von A bis C). Zahlungsrückstände und -ausfälle haben
zugenommen und werden weiter steigen,
insbesondere in Sektoren mit Überproduktion (z.B. Immobilienmarkt, Bergbau,
Stahl), da die untragbare implizite Staatsgarantie nicht von Dauer sein dürfte.
Konjunktur braucht Stützung
Seit 2012 befindet sich die chinesische
Volkswirtschaft nach Jahrzehnten mit
zweistelligen Wachstumsraten in einem
Umbau. Im kommenden Jahrzehnt werden sich der private Verbrauch und
Dienstleistungen – die bereits den größten Anteil am BIP erwirtschaften – zu den
wichtigsten Wachstumstreibern entwickeln, während die Investitionen langsam
ihren untragbar hohen Anteil von über
45% des BIP verringern werden. Bis zum
Ausgleich ist es noch ein langer Weg. Der
Rückgang des Wirtschaftswachstums
erregt daher zunehmend Besorgnis, nicht
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nur in China, sondern auch in vielen
Schwellenländern, die von der sinkenden
Nachfrage Chinas nach Rohstoffen betroffen sind. Die derzeitige Wachstumsschwäche könnte daher noch deutlicher ausfallen als das offiziell angegebene 25-JahresTief von 6,9% im Jahr 2015. Eine Reihe von
Indikatoren, von Bergbau und verarbeitender Industrie bis zu Handelsströmen,
zeigt den niedrigsten Wert seit der Krise
2008/2009. Hinzu kommen ein starker
Rückgang der Rohstoffpreise, ein knapperes Kreditangebot und Deflationsdruck.
Diese Faktoren lassen tatsächlich tendenziell einen stärkeren BIP-Rückgang erwarten.
Entsprechend hat die chinesische Regierung eine Reihe von Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft ergriffen, um
eine harte Landung zu vermeiden. Peking
verfolgt eine akkommodierende Politik
mit mehrfachen Senkungen der Zins- und
Reservesätze auf der geldpolitischen Seite
sowie einer starken Aufstockung der
öffentlichen Ausgaben und Infrastrukturinvestitionen der Zentralregierung (z.B.
Transport, Energie, Wasser, erneuerbare
Energien). Darüber hinaus hat China Mitte
August 2015 überraschend den Renminbi
(CNY) um 3% gegenüber dem US-Dollar
abgewertet, um die chinesischen Exporte
zu stützen, die von der schwachen Nachfrage aus den Industrieländern beeinträchtigt sind. Obwohl der Renminbi
bereits unter Abwertungsdruck stand,
bestätigt ein solcher Schritt die Bedenken
bezüglich der schwachen Wirtschaftsdy-
Ausgabe 2 | 9. März 2016
namik und der Schwierigkeiten der Regierung, die Wirtschaft zu stabilisieren. De
facto verlängert das Vorgehen den Übergangsprozess.
Der Renminbi ist nach einer langen Phase
der stetigen Aufwertung keine sichere
Wette mehr. Die chinesischen Behörden
haben sich verpflichtet, den Marktkräften
bei der Wechselkursfindung eine größere,
wenn auch weiterhin gesteuerte, Rolle zu
überlassen. Entsprechend wird der Renminbi im Kontext des aktuellen wirtschaftlichen Abschwungs weiter abwerten, wenn auch langsam. Voraussetzung
ist, dass die Zentralbank weiterhin umfassend Währungsreserven verkauft, um den
Wechselkurs und die Aktienmärkte zu
stützen, eine Kapitalflucht zu bremsen
und einen Währungskrieg mit den asiatischen Partnern zu vermeiden.
Krisenabwehr durch Devisenpolster
China verfügt noch über Spielraum zur
Abwehr einer Wirtschaftskrise. Das Land
besitzt die weltweit größten Währungsreserven (seit Sommer 2014 allerdings in
einem konstanten Abwärtstrend) und
weist eine positive Zahlungsbilanz mit
einem permanenten Leistungsbilanzüberschuss (3% des BIP) auf. Dieser wird
gestützt von geringeren Rohstoffimporten (China ist beispielsweise der weltweit
größte Ölimporteur) und einem billigeren
Renminbi, der den Export der Überschussproduktion aus Sektoren mit Überkapazitäten fördert.
Jedoch verschlechtert sich die Kapitalbilanz Chinas rapide durch die Kapitalflucht
internationaler Banken und chinesische
Konzerne, die ihre auf US-Dollar lautenden
Schulden tilgen aufgrund des Abwärtstrends des Renminbi und der wirtschaftlichen Unsicherheit. Auch die FDI-Abflüsse
aus China sind erheblich und dürften bald
die Zuflüsse überwiegen. Hierzu trägt
auch die globale Expansion chinesischer
Staatsunternehmen bei. Beispiele sind riesige Infrastrukturprojekte, insbesondere
der langfristig vorgesehene Ausbau des
„Silk Road Economic Belt” (Landverbindung zwischen China und Europa).
Hohe Verschuldung belastet
Sorge bereitet den chinesischen Behörden vor allem die hohe Gesamtverschuldung des Landes, die die Wachstumsperspektiven trübt. Der Schuldenstand ist seit
2008 von 150% des BIP bis heute auf
250% des BIP explodiert. Insbesondere
Immobilienunternehmen, Staatsunternehmen in Sektoren mit Überkapazitäten
sowie Kommunalregierungen haben sich
hoch verschuldet. Konjunkturmaßnahmen sind daher nur begrenzt wirksam,
solange die wirtschaftlichen Exzesse nicht
strukturell bekämpft werden. Da die Verschuldung weitgehend intern und vom
öffentlichen Sektor getragen ist und
China über eine starke außenwirtschaftliche Position verfügt, ist das Risiko einer
Schuldenkrise gering. Dennoch steigen
die Ausfallrisiken, und langfristig besteht
die Gefahr, dass die Schuldenspirale sich
fortsetzt, das heißt neue Schulden überwiegend für die Tilgung bestehender Kredite aufgenommen werden.
Peking hat Finanzreformen eingeleitet,
um die hohe kommunale Verschuldung in
den Griff zu bekommen, die den größten
Anteil an der Staatsverschuldung ausmacht (rund 40% des BIP), er ist weit
höher als der Anteil der Zentralregierung
(16,8%). Angesichts sinkender Landverkäufe und damit verbundener geringerer
Einnahmen wurde Kommunalregierungen die Ausgabe von Anleihen genehmigt (durch eine Gesetzesänderung ist
die Rettung durch den Staat theoretisch
nicht mehr implizit gegeben). Diese können daher von umfangreichen Schuldenumwandlungen in langfristige, niedrig
verzinste Anleihen profitieren. Restrukturierung der lokalen Verschuldung ist
gleichzusetzen mit einer Rettung durch
die großen staatlichen Banken (SOCB).
Zugleich wird die Rolle dieser „Policy
Banks“ in der schwächelnden chinesischen Volkswirtschaft angesichts einer
nachlassenden Kreditnachfrage der
Unternehmen (die Schulden abbauen)
und Kommunalregierungen (die auch von
der Antikorruptionskampagne betroffen
sind) bei Investitionen in kommunale Infrastrukturprojekte (z.B. Wohnungsbau)
und der Wachstumsförderung gestärkt.
Die ausführliche Länderstudie China
mit zusätzlichen Grafiken steht
zum kostenlosen Download unter
www.credimundi.de bereit.
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