Stadt Bern Stadtpräsident Feier zu Ehren von Herrn Bundespräsident Johann N. Schneider -Ammann ANSPRACHE VON STADTPRÄSIDENT ALEXANDER TSCHÄPPÄT Stadttheater Bern, 17. Dezember 2015 Es gilt das gesprochene Wort Sehr geehrter Herr Bundespräsident Sehr geehrte Gäste Eigentlich müsste man ja sagen: Sehr verehrtes Publikum. Wir sind ja in einem Theater. Die Feier für den neuen Bundespräsidenten in einem Theater abzuhalten, ist zweifellos eine gute Idee (es war übrigens nicht meine). Erstens, weil es sich um das Stadttheater Bern handelt: ein schönes und bald noch schöneres Theater mit lebendigem Programm. Überzeugen Sie sich bei Gelegenheit selbst! Und zweitens, weil Politik mit Theater viel zu tun hat. Und umgekehrt. Die Politik und das Theater brauchen Bühne und Scheinwerferlicht – auch wenn das Entscheidende manchmal hinter dem Vorhang geschieht. Auf beiden Bühnen werden Rollen gespielt. Hier wie dort freuen sich die Akteurinnen und Akteure über stehende Ovationen und laute Bravos. Und beiderorts empfinden die Darsteller des Aufgeführten die Kritik an ihrer Performance oft als ganz besonders unangemessen. Dass nicht nur die Politik bisweilen ein Theater ist, sondern dass auch im Theater handfeste Politik geschieht, daran erinnert folgende kleine Episode: Am Theater in Bremen probte der legendäre deutsche Theaterregisseur Kurt Hübner den Don Carlos von Schiller. In einer Szene, in der König Philipp auftritt, wies er die anderen Schauspieler an, einen Schritt zurückzutreten. Auf die Frage eines Schauspielers, weshalb er einen Schritt zurückzutreten habe, antwortete Hübner: „Weil es so ist, wenn dein König auftritt.“ Im jungen, von den 68er Jahren inspirierten Ensemble soll das nicht gut angekommen sein. Seite 2/3 Wenn in Bälde auf dieser Bühne unser neues Staatsoberhaupt auftreten wird, müssen wir – bei allem Respekt – keinen Schritt zurücktreten. Die Schweizer hatten es ohnehin nie so recht mit formalen Ehrbezeugungen – schon Tell hat seinerzeit dem Gessler-Hut den Gruss verweigert. Gewissermassen als direkte Fortsetzung dieses Republikanismus lebt die Bühne der eidgenössischen Politik heute mit einer verfassungsmässigen Regieanweisung, die uns jährlich eine Neubesetzung der Rolle des Bundespräsidenten beschert. Damit hätten wir auch einen Unterschied zwischen Theater- und Politbühne herausgearbeitet: Im Theater treten Monarchen auf, in der Schweizer Politik nicht. Ganz kurz zum Stück, das wir hier und heute sehen werden: Ich beschränke mich auf die Hauptperson und ihren Darsteller. Es ist der neue Bundespräsident, gegeben von Johann Schneider-Ammann. Die Rolle des Bundespräsidenten des Jahres 2016 mit Johann Schneider-Ammann zu besetzen, war sicher eine glänzende Idee. Auch wenn der Regie, wie man zugeben muss, nur eine beschränkte Auswahl an Alternativen zur Verfügung stand. Trotzdem: Die Schweiz mag keine Könige, vor denen es zurücktreten muss. Aber es mag Bundespräsidentinnen und Bundespräsidenten, die einen Schritt auf das Volk zugehen. Die zuhören, die uns – auch in schwierigen Zeiten – inspirieren können im Hinblick auf die Zukunft unseres Landes. Auch im Kontext mit den Entwicklungen ausserhalb unserer Landesgrenzen. Diese Rolle, da bin ich mir sicher, wird Johann Schneider-Ammann brilliant ausfüllen. Zum Schluss eine Empfehlung an den neuen Bundespräsidenten. Gewissermassen eine Empfehlung des Hauses: Am Stadttheater Bern wird in dieser Saison Peter Pan gegeben. Schauen Sie sich das Stück vor Ihrer Präsidialzeit an. Sie erinnern sich: Peter Pan nimmt die Kinder ins Nimmerland mit. Das Besondere an Nimmerland: In Nimmerland muss man nur an etwas glauben, damit es passiert. Falls es in der Politik einmal nicht so recht vorwärts gehen sollte, würde ja vielleicht ein Besuch in Nimmerland helfen. Seite 3/3 Herr Bundespräsident, ich wünsche Ihnen ein gutes, erfolgreiches Präsidialjahr. Und hoffentlich irrt sich in Ihrem Fall Präsident Clinton, als er einmal sagte: Ein Präsident ist wie ein Friedhofsverwalter. Er hat eine Menge Leute unter sich, aber keiner hört zu.
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