zum Download. - Rudolf Hundstorfer

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Rede Rudolf Hundstorfer anlässlich der Auftaktveranstaltung im Colosseum XXI am 31.3.2016
Es gilt das gesprochene Wort.
Guten Abend liebe Freundinnen und liebe Freunde!
In wenigen Wochen werden mehr als sechs Millionen Österreicherinnen und Österreicher
entscheiden, wer in den kommenden sechs Jahren ihr Staatsoberhaupt sein soll und darf.
Ein Amt, das in den vergangenen 12 Jahren mit Heinz Fischer ein Mann innehatte, der mit seinem
Gespür für den Ausgleich zwischen verschiedenen Interessensgruppen und mit seinem tief
verwurzeltem Respekt vor dem Miteinander ALLES getan hat, um unserem Land in bester Art und
Weise zu dienen.
Jetzt stehen wir also heute 24 Tage vor dem ersten Wahlgang.
Ich habe mein Amt als Sozialminister zurückgelegt, um mich dieser Wahl zu stellen.
Der Wahl zum Bundespräsidenten Österreichs „der höchsten Würde, die ein Österreicher in
unserer Republik erreichen kann“, so hat es Franz Jonas bei seiner Angelobung im Juni 1965
formuliert. NICHT OHNE anzumerken, dass er sich dessen bewusst ist, dass diese „hohe Würde
mit der Bürde einer schweren Verantwortung verbunden ist“.
Als in den letzten Monaten des vergangenen Jahres immer häufiger die Frage gestellt wurde, ob
ich mich für das Amt des Bundespräsidenten zur Verfügung stellen würde habe ich viel darüber
nachgedacht. Ich habe mich mit meiner Frau und mit meinen Freunden unterhalten und für mich
überlegt: Möchte ich das tun? Kann ich das tun? Und nach sorgsamer und reiflicher Überlegung – wissend um alle Anstrengungen und um alle
Verantwortung, die eine solche Kandidatur mit sich bringt– war es dann doch eine einfache, eine
leichte und eine klare Entscheidung.
Mein Lebensweg ist einer, wie ihn viele meiner Generation in diesem Land erlebt haben.
Ich komme aus einfachen Verhältnissen, meine Familie war nicht reich, wir hatten nicht besonders
viel. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung Österreichs Ende der 60er Jahre, kam, wie bei so vielen,
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auch in meiner Familie der soziale Aufstieg. Er kam in kleinen Schritten. Von der kleinen Wohnung
in Margareten, in eine größere Genossenschaftswohnung im 10. Bezirk.
Es war damals ein wirtschaftlicher Aufschwung, der dank der politischen Rahmenbedingungen
auch den sozialen Aufstieg der Menschen in unserem Land ermöglichte. Es war ein Miteinander
der Wirtschaft und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im gegenseitigen Interesse, in dem
die Politik die sozialen Maßnahmen gesetzt hat, um den österreichischen Erfolgsweg beschreiten
zu können.
Es ist dieser österreichische Weg des Miteinander unterschiedlicher Interessensgruppen
der unser Land so stark gemacht hat. Das habe ich als Kind erlebt und später, in meinen
Positionen in der Gewerkschaftsbewegung und der Politik erfahren.
In meinen Jahren als Gewerkschafter und als Sozialminister gab es zahlreiche internationale
Delegationen, die nur eines wissen wollten: Wie schafft ihr diesen sozialen Wohlstand, diese
soziale Sicherheit und wie schafft ihr es, eure Sozialsysteme so stabil und erfolgreich zu halten?
Etliche wollten von uns wissen, wie man die Verteilung des Wohlstands und die Teilhabe der
breiten Bevölkerung an diesem volkswirtschaftlichen Reichtum ermöglicht. Wie man
„Sozialpartnerschaft“ auch wirklich lebt. Wie man jene Brücke zwischen den Interessen von
Industrie, Wirtschaft und Arbeitnehmern baut, die die zweite Republik zu einem international
anerkannten Erfolgsmodell werden hat lassen.
Es war eine leichte Entscheidung, für das Amt des Bundespräsidenten eines Landes zu
kandidieren, das in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sozialer Ausgleich und
gemeinsamer wirtschaftlicher Erfolg möglich sind.
Ich habe im Alter von 15 Jahren eine Lehre begonnen. Das war damals für viele junge Menschen
so üblich und ganz selbstverständlich. In den letzten sieben Jahren, als Sozialminister in einer der
schwersten Wirtschaftskrisen hab ich erfahren, was für ein Privileg es war - für die Jugendlichen
meiner und der nachfolgenden Generationen, eine Lehre beginnen zu dürfen und zu können.
Es waren persönlich schwere Momente in meinem politischen Leben, wenn mir Eltern erzählt
haben, dass ihre Kinder trotz vieler Bewerbungen keine Lehrstelle bekommen haben. Ja, oft nicht
einmal die Absage, einfach keine Antwort.
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Man darf die jungen Menschen nicht alleine lassen! Deshalb habe ich die Ausbildungsgarantie in
Leben gerufen. Jeder junge Mensch, der eine Lehre machen will, kann das jetzt auch.
Ich weiß, dass dieser Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in den letzten Jahren einer meiner
härtesten Kämpfe überhaupt war. Es war und ist und bleibt für mich der Kampf um jeden
Einzelne, weil ich weiß, wie wichtig es für mich war, als ich 15 Jahre alt war, dass es für mich eine
Brücke vom Kind zum Erwachsenenleben gab. Ich weiß nicht, wo ich heute wäre, wenn man mir
auf dieser Brücke ein Stopp-Schild aufgestellt hätte. Gerade eine solide Ausbildung, unabhängig
ob Schule, Studium oder Lehre, ist heute wichtiger denn je.
Ich habe im Laufe meines Lebens eines sehr bald erkannt: EINE MEINER STÄRKEN IST ES,
MICH FÜR ANDERE MENSCHEN EINZUSETZEN.
Als Jugendvertrauensrat und später auch in anderen Funktionen meiner Gewerkschaft, war mir
eines immer ein Anliegen: Das Beste für unsere Leute herauszuholen, OHNE das Gegenüber
zu überfordern.
Es ist ganz einfach, eine Gruppe gegen die andere aufzuhetzen. Es ist keine Leistung, mit
unerfüllbaren Forderungen eine Stimmung des Gegeneinander zu produzieren. Aber was hätten
die Menschen dann davon? Keine Abschlüsse und keine Verbesserungen ihrer Arbeits- und
Lebensumstände. Und dann? --Das Aufwiegeln und Aufhetzen ist nie eine Leistung. Und es ist nie im Interesse der Menschen,
die wir – egal ob als Gewerkschaft oder als Politik – zu vertreten haben. Ich hab meine Aufgabe
als Gewerkschafter immer so gesehen, dass es um den Ausgleich der Interessen geht. Und dafür
ist es entscheidend, dass ich mein Verhandlungsgegenüber verstehe. Oder zumindest versuche,
mich in seine Lage zu versetzen.
Verhandeln statt Verhetzen. Ergebnis statt Ärger – Das waren und bleiben meine
Grundsätze.
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Gräben aufreißen ist leicht, aber Verbinden und Brücken über die schon ohnehin vorhandenen
Gräben bauen, das ist die Aufgabe, der ich mich immer gestellt habe und stellen werde. Dies gilt
auch für den Ausgleich zwischen den Generationen.
Europa und unser Land stehen vor großen Herausforderungen.
Dass wir nach sieben Jahren der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten 70 Jahre vor
einer der größten geopolitischen Herausforderungen stehen, zeigt allein die Tatsache, dass die
UNHCR feststellt, dass es noch nie so viele bewaffnete Konflikte und Kriege mit so vielen
vertriebenen Menschen gab wie in den letzten beiden Jahren. Weltweit sind 60 Millionen
Menschen auf der Flucht.
Das Österreich der zweiten Republik hat in der Vergangenheit gezeigt, dass es nicht lange zögert,
wenn in solchen Situationen Hilfe nötig ist: Ob beim Ungarnaufstand 1956, beim Prager Frühling
1968 oder während des Jugoslawienkrieges in den 90er Jahren: Österreich hilft in der Not.
Und so haben wir das auch wieder 2015 getan. Wir haben 90.000 schutzsuchende Menschen
aufgenommen und versorgt.
Aber wir können die weiterhin dringend benötigte Hilfe nicht allein stemmen. Die Brücke nach
Österreich kann nur offen sein, wenn es die Brücken nach Europa und auch in andere Teile der
Welt gibt.
Es braucht eine handlungsfähige Europäische Union, eine Europäische Union, die nicht nur dann
zusammensteht, wenn es um ökonomische Interessen geht. Die Mitgliedsstaaten der EU sind der
Wirtschaftskrise in den vergangenen Jahren entschlossen entgegen getreten. Manche sagen,
man hätte noch mehr tun müssen – aber die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben
Handlungsfähigkeit bewiesen. Keines der Mitgliedsländer hätte diese Krise alleine bewältigen
können.
Eine aktive europäische Union mit solidarischen Mitgliedsländern – das ist meine Vorstellung
von einem gemeinsamen Europa. Und so gilt auch jetzt: ALLE Mitgliedsstaaten der EU müssen
ihren Beitrag leisten. Nur so kann eine gemeinsame Lösung für die Flüchtlingskrise gefunden
werden.
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Es war im vergangenen Jahr eine Entscheidung des Herzens zu helfen und Menschen, die auf
der Flucht vor Krieg und Verfolgung sind aufzunehmen.
Österreich wird auch 2016 wieder Menschen aufnehmen und einen Beitrag leisten.
Ein Beitrag, den wir für möglich ansehen und den Österreich leisten kann. Möglich auch, in der
Frage, ob es uns gelingt, den Menschen, die bei uns bleiben, eine Perspektive anzubieten. Ihnen
Werte wie Demokratie und Menschenrechte, Aufklärung und Miteinander zu vermitteln.
Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, hat es Anfang des Jahres in einer Rede so
ausgedrückt:
„Gerade, weil wir möglichst vielen Schutz bieten wollen, werden wir – so problematisch
und tragisch das gelegentlich sein mag – nicht alle aufnehmen können.“
Lassen sie mich bitte wiederholen, was ich schon im Video gesagt habe:
Österreich ist ein großartiges Land, in dem wir gerne leben. Aber viele von uns sind beunruhigt.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die Menschen haben Angst, den Job zu verlieren,
Angst um die Zukunft ihrer Kinder, Angst davor, wie das Leben im Alter sein wird. Dazu noch
Terror in Europa und die große Herausforderung der Flüchtlingskrise.
Ich weiß wie stark wir sind. Jede und jeder einzelne steht täglich vor Herausforderungen, und
meistert sie. Im Kleinen wie im Großen. Ich glaube an die Menschen in unserem Land, an unsere
gemeinsame Kraft, einander Sicherheit zu geben
Die Entscheidung, mich um das Amt des Bundespräsidenten zu bewerben, ist mir leicht gefallen,
weil es ein Amt ist, in dem es in Zukunft mehr denn je darauf ankommen wird:
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Brücken zu bauen,
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zu vermitteln
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sich für die Menschen einzusetzen
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für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern,
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und für ein gutes Miteinander und ein besonnenes Abwägen von Interessen zu sorgen.
Genau das habe ich mein politisches Leben lang gemacht. Das tun zu können und tun zu
dürfen war der Motor meines bisherigen Berufslebens. ------Die Bundespräsidentschaft ist ein Amt, in dem es gilt, allen Österreicherinnen und Österreichern
zu dienen, in dem ihr Wohl und nicht das des Amtsinhabers im Mittelpunkt zu stehen hat.
Es ist ein Amt, das über erhebliche Kompetenzen verfügt. Diese können in krisenhaften Zeiten
eine bedeutsame Rolle spielen. Es besteht die Möglichkeit, Krisen zu verstärken ODER die Rolle
des Bundespräsidenten in der Lösung der Krise zu sehen. Ich werde diese Kompetenzen für ein
Miteinander nützen und alles versuchen das allgemein Beste in den Vordergrund stellen.
Es ist ein Amt, in dem es darum geht, den Ausgleich zu suchen, oft im Hintergrund tätig zu sein
und wenn es nötig ist die Stimme zu erheben und das Gewicht des Amtes einzusetzen.
Dazu möchte ich Franz Jonas anläßlich seiner Rede zum Nationalfeiertag im Jahr 1965 zitieren:
„Das österreichische Volk hat beide Möglichkeiten des staatlichen Zusammenlebens
durchexerziert, die Methode des Gegeneinander und die Methode des Miteinander. Die
erste war unfruchtbar, verderblich, unglückbringend, die zweite erfolgreich,
zukunftsverheißend und – menschlich, weil demokratisch. Es ist die Methode der
gemeinsamen Verantwortung, der gemeinsamen Arbeit und der gemeinsamen Erfolge.“
Liebe Freundinnen und Freunde,
Das höchste Amt im Staat ist von großer Bedeutung. Es ist keine Zeit für Experimente.
Nur mit Erfahrung kann der Bundespräsident auch in schwierigen Zeiten Österreich weiterhin
Stabilität und Sicherheit geben.
Ich will als Bundespräsident Verantwortung für das ganze Land tragen.
JA. --- Ich will EUER Bundespräsident werden.