Erfahrungsbericht Auslandsstudium Kookmin University, Seoul

Erfahrungsbericht Auslandsstudium
Kookmin University, Seoul, Südkorea
SS 2015
Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau,
Student männlich
Ich habe das Sommersemester 2015 an der Kookmin University in Seoul, Südkorea
verbracht. Die koreanische Bevölkerung, Kultur und auch das universitäre Lehrsystem
halten einige Überraschung, sowohl positive als auch negative, für einen
Austauschstudenten bereit. Von meinen Erfahrungen, die ich in Korea gemacht habe,
möchte im Folgenden das Wichtigste zusammenfassen:
Vorbereitung
Dank der Zusammenarbeit zwischen der Kookmin University und der Fachhochschule in
Kempten ist der allgemeine Bewerbungsprozess sehr einfach gestaltet. Nachdem ich
meine Zusage der Gastuniversität erhalten hatte, ging es los mit der Planung und
Organisation
meines
Aufenthaltes.
Neben
allgemeinen
Vorbereitungen,
wie
beispielsweise der Buchung des Fluges, ist zu beachten, dass man für das Beziehen
des Wohnheimes ärztliche Attests, beispielweise einen Tuberkulose-Test, vorlegen
muss. Neben diesen Punkten nehmen die Planung der Kurse und das Beantragen des
Visums am meisten Zeit in Anspruch.
Für das Visum fallen keine Kosten an. Dieses muss aber
koreanischen Botschaft in Frankfurt am Main beantragt werden.
persönlich
bei
der
Bei der Kurswahl ist zu beachten, dass man sich für alle Kurse registrieren muss, bevor
man sie besuchen kann. Dies geschieht vor dem Semester über ein Online-Portal.
Trotz der Anleitungen, welche man per E-Mail zugeschickt bekommt, gestaltete sich
die Belegung bei mir doch eher schwierig, da das Portal nur auf koreanischer Sprache
zur Verfügung steht. Hierbei ist es wichtig, möglichst viele Kurse zu belegen, da man
diese jederzeit wieder abwählen kann. Einen Kurs im Nachhinein zu Belegen gestaltet
sich aufgrund der beschränkten Teilnehmeranzahl als schwieriger.
Studium
Bevor man sich für ein Auslandssemester in Südkorea entscheidet, muss einem bewusst
sein, dass das dortige Unisystem mit dem deutschen Schulsystem verglichen werden
kann: Es besteht Anwesenheitspflicht, es gibt zwei oder mehrere Prüfungen im Semester
und
hierzu
kommen
noch
Assignments,
Referate,
Gruppenprojekte
etc.
Dementsprechend werden auch die Vorlesungen abgehalten – in kleinen Gruppen und
mit einem intensiven Austausch zwischen Dozenten und Studierenden. Ebenfalls nicht
unüblich ist, dass die Mitarbeit und Anwesenheit in die Endnote miteinfließen.
Als Austauschstudent wird man bestens von den koreanischen Professoren in die
Vorlesung miteingebunden um den Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern weiter
voranzutreiben, welcher den Dozenten meiner Kurse sehr am Herzen lag. Vor allem
dieser Erfahrungsaustausch hat mich akademisch weiter gebracht. Die Professoren
haben fast alle einen Teil ihrer Laufbahn im Ausland verbracht und sprechen somit gut
verständliches Englisch. Für den Fall, dass man mit den sprachlichen Fähigkeiten des
Dozenten nicht zufrieden ist, besteht in der ersten Woche der Vorlesungen die
Möglichkeit Kurse zu wechseln, sofern noch offene Plätze zur Verfügung stehen. Hierbei
kann ich empfehlen, möglichst viele Vorlesungen während dieser Woche zu besuchen, um
letztendlich die Kurse zu belegen, welche vom Niveau und den vermittelten Inhalten am
besten passen.
Das Niveau der Kurse ist niedriger als in Deutschland, allerdings ergibt sich durch das
kontinuierliche Arbeiten fast ein höherer Arbeitsaufwand. Zusammenfassend war ich mit
den vermittelten Inhalten und den Fähigkeiten der Professoren sehr zufrieden.
Dies steht im starken Kontrast zur Betreuung der Austauschstudenten durch das
International Office (IO) der Kookmin University. Im Zuge meiner Vorbereitungen und
Anfragen bezüglich der Kurse oder der Wohnheimsituation verlief der E-Mail Verkehr
äußerst schleppend. Ich bekam teilweise erst nach 2 bis 3 Wochen, auch auf
mehrmaligen Nachfragen, erst eine Antwort. Vor Ort lief das Ganze dann etwas
besser, da man bei offenen Fragen jederzeit das IO aufsuchen konnte. Die Mitarbeiter
haben den Austauschstudenten dann so gut es ging weitergeholfen. Das war im
Endeffekt aber auch alles. Das International Office hat sich keine Mühe gegeben,
irgendwelche Veranstaltungen oder Ausflüge zu organisieren, welche es den
Austauschstudenten ermöglich hätte, sich schneller kennenzulernen und in Seoul
einzuleben. Das haben die Austauschstudenten dann letztendlich alle selbst in die
Hand genommen. Außerdem lässt der Informationsfluss an die Studenten sehr zu
wünschen übrig.
So habe ich zum Beispiel erst kurz vor Beginn des Semesters erfahren, wann man in
das Wohnheim einziehen kann. Der Flug war natürlich schon lange gebucht, wodurch
ich die ersten Nächte im Hostel verbracht habe.
Es gibt zwar ein Buddy-Programm an der Kookmin University auf das ich mich beworben
habe, allerdings habe ich keinen Buddy erhalten. Das kann in meinen Augen passieren
und ist auch in Ordnung, wenn die Nachfrage größer ist als die Anzahl der freiwilligen
Studenten. Leider habe ich diesbezüglich aber nicht einmal eine E-Mail oder
Informationen zum Stand der Bewerbung auf anderem Wege erhalten. Die Universität
selbst liegt außerhalb der Stadt, eingebettet in einer sehr schönen Umgebung, direkt
am Bukhansan National Park. Es gibt ein Fitnessstudio und ein ziemlich großes
Angebot an Sportmöglichkeiten und Teams denen man beitreten kann. Wie beim BuddyProgramm ist man hierbei wieder auf sich selbst gestellt um Informationsmaterial,
Kontaktdaten von Ansprechpartnern oder ähnliches zu erhalten.
Unterkunft
Die Universität bietet den Studenten zwei Möglichkeiten an. Die erste ist ein Wohnheim
am Campus, in dem fast ausschließlich Viererzimmer zu finden sind. Diese würde ich
persönlich nicht empfehlen, da, wie schon erwähnt, der Campus am Stadtrand liegt
und etwa 15 Minuten mit dem Bus von der nächsten U-Bahn Station entfernt ist. Mit
der U-Bahn benötigt man dann noch einmal ca. 20-30 min. bis in die „Innenstadt“.
Ich bin, wie fast alle Austauschstudenten, in einem erweiterten Wohnheim direkt an
der U-Bahn Station in einem Zweierzimmer untergekommen und habe hierfür ca. 800
Euro für das ganze Semester gezahlt – für eine Unterkunft in Seoul sehr preiswert.
Einzelzimmer stehen keine zur Verfügung! Im Zimmer gibt es ein Hochbett, zwei
Schreibtische und einen Kleiderschrank sowie ein getrenntes WC und Dusche. Die
Ausstattung war sehr gepflegt und relativ neu.
Es gibt keine Küche und mitgebrachte Kochgeräte sind ebenfalls nicht erlaubt. Auf
jedem
Geschoss
gibt
es
einen
Wasserspender
und
eine
Mikrowelle
die
gemeinschaftlich geteilt werden können. Verstößt man gegen eine der Regeln des
Wohnheims (wie z.B. Alkohol-/Rauchverbot) erhält man Strafpunkte. Bei besonders
„schweren“ Verstößen, wie beispielsweise Gäste über Nacht zu empfangen oder eine
Person des anderen Geschlechtes mit auf das Zimmer zu bringen, wird man des
Wohnheimes verwiesen. Die strikte Geschlechtertrennung spiegelt sich auch darin wider,
dass Männer und Frauen auf getrennten Fluren wohnen und es offiziell verboten ist,
den Flur des anderen Geschlechts zu betreten. Des Weiteren gib es im Wohnheim
leider ebenfalls keine Gemeinschaftsräume, wodurch man sich nur außerhalb des
Wohnheimes mit Studenten zusammensetzen kann.
Kultur, Lebensweise und Alltag
Viele Koreaner sind noch sehr konservativ. So dürfen zum Beispiel die Jugendlichen
ihre Freunde/- innen nicht mit nach Hause bringen und wie auch die eben
beschriebene Wohnheimpolitik widerspiegelt, herrscht strikte Geschlechtertrennung.
Wohl auch deswegen hat sich in der Stadt selbst ein ganzes Business an
Stundenhotels und sogenannten DVD-Rooms etabliert, in welchen sich koreanische
Pärchen treffen. Außerdem sprechen viele Koreaner kein oder nur schlechtes Englisch,
vor allem auch Personen der jüngeren Generation. Dies macht es oft sehr schwierig,
sich zu verständigen, wenn man selbst kein koreanisch lesen oder sprechen kann. Man
kann sagen, dass man in Seoul mit der englischen Sprache noch ganz gut
zurechtkommt. Sobald man aber die Hauptstadt verlässt um weitere Regionen des
Landes zu erkunden, nehmen die Sprachbarrieren weiter zu. Koreaner besitzen einen
ausgeprägten Nationalstolz. In den Vorlesungen wird sehr oft der Erfolg von Samsung,
Hyundai usw. thematisiert.
Noch stärker als bei uns ist der Generationenkonflikt ausgeprägt, was sich vor allem am
Verhalten vieler älterer Menschen bemerkbar macht. Koreaner lieben es, Karaoke zu
singen und sich in Cafés zu treffen und nach der Arbeit werden fast täglich die ein
oder andere Flasche Soju, ein sehr billiger Reisschnaps, konsumiert. Sehr typisch ist
außerdem das „Korean Barbecue“, bei welchem auf dem Tisch selbst gegrillt wird und
das Fleisch in Salatblätter gerollt und gegessen wird. Im Allgemeinen ist das Essen
oft sehr scharf und das obligatorische „Kimchi“, ein eingelegtes Kraut, darf nie fehlen.
Anders als bei uns bekommt man zusätzlich zu seiner Bestellung im Restaurant
verschiedene kostenlose Side Dishes gereicht, die immer variieren und auch Wasser ist
im Preis mit inbegriffen. Außerdem gibt man kein Trinkgeld, womit man sich auf die
Dauer schon einen gewissen Betrag spart. Oft bestehen die Hauptgerichte aus Reis
und an den vielen Essensständen in der Stadt gibt es viel Frittiertes.
Man findet auch europäische Restaurants, welche aber viel teurer sind als die
einheimischen und diesen Preis leider nicht wert. Ein sehr positiver Aspekt an Korea ist
das gut ausgebaute Verkehrsnetz. Selbst Busfahrten in weiter entfernte Städte kosten
oft unter 20 €.
Freizeit
In Seoul gibt es viele Möglichkeiten, die vorlesungsfreie Zeit zu verbringen. Neben den
vielen Einkaufsmeilen, Kinos, Bars usw. gibt es direkt neben der Stadt einen schönen
Nationalpark, den auch die Koreaner gerne zum Wandern nutzen. An sich ist Seoul
eine sehr lebendige Stadt, in der immer etwas geboten ist. Zum Ausgehen am Abend
gibt es das berühmte aber eher teurere Viertel Gangnam, das Studentenviertel um die
Hongik University und die international angehauchte Gegend Itaewon. Besonders
Naturfreunde kommen in Korea auf ihre Kosten, da es neben den vielen Bergen auch
sehr schöne Küstenlandschaften gibt, bei denen man gut den ein oder anderen heißen
Tag am Meer - mit 2- 3 Stunden Entfernung von Seoul aus verbringen kann. Wer
Freizeitparks mag, ist im Lotte World oder dem Everland (einer Art Europapark
inklusive Zoo) gut aufgehoben. Außerdem absolviert eigentlich jeder Austauschstudent
den obligatorischen Besuch an der DMZ, der Grenze zu Nordkorea und fliegt nach
Jeju, einer subtropischen Vulkaninsel im Süden Koreas.
Wer im Sommersemester kommt, muss auf jeden Fall noch eine Winterjacke einpacken
da es bis Mitte März noch sehr eisig und kalt sein kann. Vor allem der Frühling
danach wird aber angenehm warm und das Jahreshighlight für die Einheimischen ist
die Kirschblütenzeit, bei welcher viele Feste stattfinden und am Han River die
Menschenmassen zur Begutachtung der Kirschbäume auflaufen. Im Sommer wird es
dann sehr heiß und schwül, mit oft über 30°, was nicht zuletzt durch eine schwache
Monsunzeit bedingt wird.
Kosten
Außer den bereits erwähnten recht günstigen Wohnungs- und Transportkosten im Land
ist alles andere teurer im Vergleich zu Deutschland. Vor allem für Kosmetika und
Körperpflegeprodukte wie Deo, Shampoo oder Duschgel zahlt man bis zu fünfmal so
viel wie in Deutschland. Deshalb unbedingt diese Sachen von zu Hause mitnehmen. Da
man keine Küche besitzt, wird man wohl oder übel mindestens einmal am Tag
auswärts essen. Mit Gerichten ab drei bis vier Euro vergleichsweise billig – auf die
Dauer gesehen aber auch kostspielig, vor allem wenn man sich abwechslungsreich
ernähren möchte. Auch die Preise im Supermarkt sind, wenn man auf eine gesunde
und ausgewogene Ernährung Wert legt, vergleichsweise teuer. Sobald man Seoul
verlässt werden die Preise für das Essen aber billiger. Hierzu addieren sich Kosten für
Reisen, Ausflüge und ähnliches, wovon die monatlichen Lebenshaltungskosten natürlich
auch abhängen. Man sollte aber mindestens mit 700 Euro pro Monat rechnen.
Fazit
Eine wirklich beste und schlechteste Erfahrung gab es nicht. Für mich war es
faszinierenden, mit eigenen Augen zu sehen, wie Südkorea innerhalb einer Generation
den bemerkenswerten Aufschwung vom Agrarstaat bis auf Rang 15 der größten
Wirtschaftsnationen der Welt geschafft. Des Weiteren waren die vielen kurzen Reisen
durch Südkorea eine sehr schöne Erfahrung.
Negativ in Erinnerung sind mir die gelegentlichen Verständigungsprobleme geblieben, da
diese Situationen teilweise sehr anstrengend waren. Des Weiteren hätte ich mir ein
wenig mehr Initiative und Einsatz der Universität in Hinblick auf Veranstaltungen für
Austauschstudenten oder ähnliches erhofft. Wer sich für ein Auslandsstudium in
Südkorea entscheidet, sollte auf jeden Fall sehr offen gegenüber der fremden
koreanischen Kultur. Es ist noch einmal etwas ganz anderes, selbst dort zu sein als nur
über die strenge Wohnheimordnung oder das Fehlen einer Küche zu lesen!
Zusammenfassend ist Korea also das Richtige für diejenigen, die eine Menge
Erfahrungen sammeln wollen und nach einer Herausforderung der besonderen Art
suchen. Ich hatte nicht die Beste Zeit meines Lebens, aber mit Sicherheit die
erfahrungs- und lehrreichste. Und genau dafür bin ich nach Korea gegangen!