Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms FT 2015 Umweltrecht ________________________________________________________________ Instrumente (1): Planung A. Begriff und Funktion Planung ist vom Einzelfall unabhängige, gestaltende Steuerung eines Aufgabenfeldes in die Zukunft hinein („Bewältigung räumlicher Umweltprobleme mit den Mitteln planerischen Handelns.“, nach Erbguth/Schlacke, § 5 Rn. 3). Umweltplanung steht in engem Zusammenhang mit dem für das Umweltrecht typischen Vorsorgeprinzip. Planung ist ein mehrdimensionales Handlungsinstrument. Es ermöglicht z.B., komplexe Ursachen- und Problemzusammenhänge vorausschauend zu erfassen und Gefahren und Risiken für die Umwelt (jenseits des engen polizeilichen Gefahrenbegriffs) frühzeitig zu erkennen. Planung ermöglicht Vorbeugung gegen und Eingrenzung von Umweltbelastungen. Planung ermöglicht darüber hinaus eine Gesamtkoordination vieler Instrumente und Projekte im Interesse des Umweltschutzes. Sie ermöglicht außerdem frühzeitige Abstimmung der Umweltschutzbelange mit anderen, möglicherweise kollidierenden, etwa wirtschaftlichen Belangen. 2. Planung als Vorgang Planung erfordert zunächst die Feststellung des Ist-Zustandes. Sie erfordert zweitens Prognosen über künftige Entwicklungen, wiederum auf der Basis vollständigen und gesicherten Datenmaterials. Bei der Aufbereitung der umweltspezifischen Daten und Fakten gilt es auch Erkenntnisse aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen, vornehmlich der Natur- und Sozialwissenschaften, zu verarbeiten. Die ständige wissenschaftliche Beratung erfolgt seit 1971 durch den Rat der Sachverständigen für Umweltfragen. Er erstellt außerdem in regelmäßigen Abständen Gutachten über die Umweltsituation der Bundesrepublik (sog. Umweltgutachten). Näheres unter www.umweltrat.de 3. Formen der Umweltplanung a) Umweltprogramme von Bundesregierung und Landesregierungen o zur Darstellung der jeweiligen Umweltpolitik, o zur Darstellung von Strategien für den Schutz bestimmter Umweltmedien (Boden, Wasser, Luft) in Fachprogrammen, o als Diskussionsgrundlage für Gesetzesvorhaben Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms FT 2015 Umweltrecht ________________________________________________________________ b) Umweltspezifische Fachplanung im engeren Sinn: Planung mit Umweltschutz als vorrangigem Planungsziel Beispiele: Landschaftsplanung, §§ 8 ff. BNatSchG, wasserwirtschaftliche Planung, §§ 82 ff. WHG, Lärmminderungsplanung, § 49a ff. BImSchG, Abfallwirtschaftsplanung, § 29 KrW/AbfG im weiteren Sinn: Planungen, die bei der Abwägung Belange des Umweltschutzes einbeziehen müssen. Beispiele: Straßenplanung, §§ 16 ff. FStrG; Flughafenplanung, §§ 8 ff. LuftVG; Eisenbahnplanung, § 18 AEG. c) Raumplanung Raumordnung auf überörtlicher Ebene (einschließlich Landesplanung) Bauleitplanung auf örtlicher Ebene (§§ 1 ff. BauGB) Über Raumordnung und die an sie gebundene Bauleitplanung lassen sich Ziele aus den Umweltprogrammen operationalisieren und zu verbindlichen Leitlinien verdichten. 4. Rechtsform des Plans Als verwaltungsrechtliche Handlungsform des Umweltschutzrechts erfolgt Planung hoheitlich. Pläne – als Ergebnis des Planungsvorgangs – können dabei in unterschiedlichen Rechtsformen erlassen werden. Beispiele: Planfeststellungsbeschluss im Rahmen der Fachplanung (z.B. für Flughäfen gem. § 10 LuftVG): Verwaltungsakt; Bebauungsplan gem. § 10 Abs. 1 BauGB: Satzung; Flächennutzungsplan gem. §§ 5 ff. BauGB: Maßnahme sui generis. Die Wahl der Rechtsform trifft der Gesetzgeber. 5. Planerischer Gestaltungsspielraum/Planungsermessen Die Befugnis zur Planung schließt ein, dass die zuständigen Behörden auch einen planerischen Gestaltungsspielraum, ein Planungsermessen haben. Dies bedeutet, dass Gerichte nicht die „Richtigkeit“, sondern nur die Vertretbarkeit der verwaltungsrechtlichen Planungsentscheidungen überprüfen. Im Rahmen der Vertretbarkeitsprüfung wird nur ermittelt, ob die Behörde die Grenzen ihres planerischen Gestaltungsspielraums eingehalten hat. Konkret wird geprüft, o ob die verfahrensrechtlichen Anforderungen eingehalten wurden, o ob alle für die Planung relevanten Daten und Fakten ermittelt wurden, o ob die einzelnen Planungsbelange überhaupt und auch angemessen gewichtet wurden (kein Abwägungsdefizit) und o ob die Abwägung selbst keine groben Fehler aufweist (keine Abwägungsdisproportionalität) 6. Umweltverträglichkeitsprüfung im Planungsverfahren ( Arbeitsblatt 9) Prof. Dr. Margarete Schuler-Harms FT 2015 Umweltrecht ________________________________________________________________ 7. Besonderheiten beim Rechtsschutz: Die umweltrechtliche Verbandsklage Aufgrund von Vorgaben der Europäischen Union regelt das 2010 verabschiedete Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) die Möglichkeit der Verbandsklage für Umweltvereinigungen. Im deutschen Verwaltungs(prozess)recht ist dies eine Besonderheit, da grundsätzlich nur klagen kann, wer in eigenen Rechten betroffen ist (vgl. § 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung). Die Verbandsklage stärkt die Macht der Umweltverbände in Planungsverfahren gegenüber Verwaltung und Vorhabenträgern. Eine Verbandsklage setzt voraus, dass die Klageberechtigung einer Umweltvereinigung (durch Eintragung des Verbands in eine besondere Liste) grundsätzlich anerkannt ist. Die Umweltvereinigung muss außerdem im einschlägigen Verfahren Einwendungen vorgebracht haben. Es muss sich drittens um eine Entscheidung handeln, gegen die eine Verbandsklage erhoben werden kann (Festlegung in § 1 Abs. 1 UmwRG). Gegenstand der Verbandsklage können (vorhabenbezogene) Planfestsetllungsverfahren und einige Genehmigungsverfahren sowie Verfahren der nachträglichen Anordnung für bestimmte Industrieanlagen sein ( Arbeitsblatt 8: Ordnung).
© Copyright 2024 ExpyDoc