Erfahrungsbericht T.C. Doğuş Üniversitesi Istanbul SoSe2014 Fachbereich 11 Psychologie Organisatorisches Visum Da die Türkei kein EU-Mitgliedsland ist, muss für den Erasmusaufenthalt ein Visum beantragt werden. Die Möglichkeit, mit einem Touristenvisum für 90 Tage einzureisen, dann einen Tag auszureisen und erneut für 90 Tage einzureisen besteht mittlerweile nicht mehr. Das Visum muss in dem türkischen Konsulat beantragt werden, das für den Bereich zuständig ist, in dem man gemeldet ist. Es ist nicht möglich, sich einfach irgendeines auszusuchen. Die unterschiedlichen Konsulate fordern für die Ausstellung eines Visums verschiedene Unterlagen. Mein Visum habe ich in Frankfurt beantragt und ich musste nur die Bescheinigung meiner Gastuni, einen Krankenversicherungsnachweis, Passfotos, sowie natürlich meinen Pass und eine Kopie dessen abgeben. Im Konsulat in Hannover (welches auch für Bremen zuständig ist) wurden allerdings zudem noch eine Bürgschaft über die Finanzierung des Aufenthalts, sowie ein polizeiliches Führungszeugnis gefordert. Es empfiehlt sich daher, dem entsprechenden Konsulat vorab eine E-Mail zu schicken und die erforderlichen Unterlagen zu erfragen. Zum Zeitpunkt meiner Abreise kostete das Visum 70 Euro und die Ausstellung dauerte ein bis zwei Wochen. Aufenthaltsgenehmigung Innerhalb der ersten vier Wochen während des Aufenthalts in der Türkei muss ein Termin mit der Ausländer Polizei zur Beantragung einer Aufenthaltsgenehmigung gemacht werden. Der Termin kann auf der Website der Behörde gemacht werden. Die Gastuni sollte den Link dazu rechtzeitig rumgeschickt haben. Es spielt keine Rolle, wann der Termin letztlich stattfindet, er muss nur spätestens innerhalb der ersten vier Wochen des Aufenthalts ausgemacht werden. Die Aufenthaltsgenehmigung kostet 206 TL, bei Beantragung müssen vier bis sechs Passfotos, sowie ein Dokument der Gastuni mit abgegeben werden und die Ausstellung dauert bis zu vier Wochen, je nach dem, wie viel grade los ist. Ganz wichtig: Nur mit Aufenthaltsgenehmigung kann das Land wieder verlassen werden. Liegt bei der Ausreise keine vor, droht eine saftige Geldstrafe. Außerdem gilt nach der Ausstellung das Ausreisedatum auf der Aufenthaltsgenehmigung. Nicht mehr das auf dem Visum! Mobiltelefon Wer in Deutschland schon auf die Bürokratie schimpft, wird sich in der Türkei so richtig freuen. Um das eigene deutsche/nicht-türkische Mobiltelefon nutzen zu können, muss man es zunächst beim Türkischen Staat in einer Behörde anmelden. Kostet 120 TL. Danach kann man zu einem Mobilfunkanbieter gehen, dort eine SIM-Card kaufen und das Telefon im Türkischen Mobilfunknetz anmelden. Dies muss unbedingt innerhalb der ersten vier Wochen nach Einreise passieren, später ist es nicht mehr möglich. Diese Anmeldungen sind wichtig, sonst wird das Telefon nach zwei Wochen blockiert und kann überhaupt nicht mehr im Türkischen Netz verwendet werden. Vermeiden lässt sich das alles, indem man in der Türkei ein billiges Telefon kauft. Türkische Telefone brauchen keine gesonderten Anmeldungen. Transport Der Istanbuler Verkehr ist... nicht leicht zu überblicken. Gleiches gilt für den öffentlichen Personennahverkehr. Es gibt Fähren, Seashuttle, Metros, Busse, Metrobusse und Trams. Bis zum Ende meines Aufenthalts habe ich nicht durchschauen können, woher die Türken wissen, wann welche Buslinie an welcher Haltestelle wohin fährt. Möglicherweise gehört das zu den Dingen, die man nicht innerhalb von fünf Monaten lernen kann. Die gute Nachricht ist, dass es für alle Transportmittel eine Karte zum Bezahlen gibt. Sie kann in der Behörde für Verkehr beantragt werden. Das geht in der Regel sehr schnell. Man legt eine Bestätigung der Gastuni vor, dann kostet sie 10 TL und ein Passfoto. Die Karte kann mit Bargeld aufgeladen werden und eine Fahrt mit ihr in egal welchem Transportmittel kostet 1 TL. Fährt man innerhalb einer Stunde öfter, wird es günstiger. Sonstiges Alle Menschen, die in der Türkei leben, also auch Erasmusstudenten, können eine Museums Karte erwerben. Für Studenten kostet diese 15 TL und mit ihr ist der Eintritt in alle staatlichen Museen frei bzw. stark vergünstigt. Bekommen kann man diese Karte an den Kassen aller staatlichen Museen nach Vorlage der Bestätigung der Uni und eines Passfotos. Wohnen Wo? Wie bereits geschrieben ist der Istanbuler Verkehr eine Sache für sich. Rushhour ist Werktags von 7:30-10:00 und 17:30-19:30, außerdem freitags und samstags nachts von 21:00-1:00. Es empfiehlt sich daher wenn möglich den Verkehr zu vermeiden. Will heißen, sich einen Wohnort suchen der eher näher bei der Uni liegt. Studiert habe ich an der Doğuş Universität und gelebt in Rasimpaşa, Kadıköy, einem sehr zentralen Viertel auf der asiatischen Seite. Ich konnte also jeden Tag bequem in 20 Minuten zur Uni laufen, was ich als optimal empfunden habe. Allerdings liegen viele große Universitäten wie beispielsweise auch die Yeditepe relativ weit außerhalb. In diesem Fall lässt sich eine lange Fahrt eben nicht vermeiden. Dann würde ich persönlich es vorziehen, zentral zu wohnen und wenigstens in der Freizeit keine langen Wege zu haben. Wie? Ob Studentenwohnheim, Erasmus-Wohnung oder in einer WG mit Einheimischen ist natürlich stark Geschmackssache. In einer WG mit Einheimischen ergibt sich natürlich der enorme Vorteil, dass diese bei vielen Sachen, insbesondere die Sprache betreffend behilflich sein können. Außerdem ist der Kontakt zur Kultur so natürlich viel einfacher. Wie finden? Ich habe mein Zimmer über Craigslist gefunden, eine Seite wie wg-gesucht in Deutschland (http://istanbul.de.craigslist.com.tr). Noch einfacher ist es aber eigentlich, über Facebook zu suchen. In zahllosen Istanbul Erasmusgruppen bieten dort Einheimische ihre freien Zimmer an. Die Auswahl ist also groß. Zunächst sollte man sich einen Überblick über die Mietpreise verschaffen, um nicht unnötig zu viel zu bezahlen. Besonders wichtig ist hierbei, auf „bills included“ zu achten, also dass die Nebenkosten im Mietpreis bereits enthalten sind. Sonst können einen böse Überraschungen erwarten. Universität Doğuş oder Yeditepe? Ich habe mein Semester an der Doğuş Universität verbracht. Großer Vorteil ist, dass die Uni recht zentral auf der asiatischen Seite liegt, der Weg also eher kurz ausfällt. Als Nachteil habe ich empfunden, dass in diesem Sommersemester an der Doğuş nur 15 Erasmusstudenten waren, während es an der Yeditepe 120 waren. Im vergangenen Wintersemester ~50 an der Doğuş und ~400 an der Yeditepe. Der Kontakt zu anderen Erasmusstudenten an der Yeditepe ist also eindeutig einfacher. Alltag an der Doğuş Nach meiner Ankunft an der Universität musste ich leider zuerst feststellen, dass von den sieben Kursen, die ich mir aufgrund von Interesse ausgesucht hatte, nur zwei stattfanden. Man sollte sich also nicht zu sehr auf den Kurskatalog verlassen. Wer auf bestimmte Kurse angewiesen ist, macht die besser in Deutschland. Die Lehrenden, insbesondere des Psychologie Fachbereichs waren aber alle sehr sehr freundlich und wir hatten schnell Ersatz für meine Kurse gefunden. Eigentlich sollten alle Kurse an der Uni auf Englisch stattfinden. Da aber häufig sowohl Lehrende als auch Studenten Türkisch sind, spielen sich dann wohl doch viele auf Türkisch ab. In diesem Semester war ich die einzige Erasmusstudentin in unserem Fachbereich. Alle Kurse, die ich belegte mussten also meinetwegen in Englisch gehalten werden. Das hat mich natürlich nicht unbedingt zum aller beliebtesten Menschen unter den Studenten gemacht. Sie waren aber trotzdem alle freundlich zu mir. Nichtsdestotrotz mussten in vielen Kursen viele Unterrichtsinhalte nochmal auf Türkisch erklärt werden. Diese Phasen waren für mich, mit Türkisch Kenntnissen auf A1 Level, eher wenig informativ. Den Vorlesungen konnte ich aber trotzdem gut folgen, da alle wichtigen Dinge zunächst auf Englisch besprochen wurden. Man sollte sich darauf bloß einfach gefasst machen. Der Arbeitsaufwand war insgesamt eher hoch. Alle Kurse schlossen mit einer Abschlussprüfung. Zwei hatten zudem je zwei Zwischenprüfungen, in drei Kursen musste ich Paper abgeben und in einem wurde alle zwei Wochen ein Quiz geschrieben. Zu jedem Kurs wurde ein Lehrbuch durchgearbeitet. Die Lehrbücher lassen sich in der Türkei aber sehr günstig erwerben. Das sollte aber niemanden von einem Auslandsaufenthalt abschrecken. Es war immer noch genügend Zeit für viel Besuch, Stadterkundungen und Freizeit. Nur wer glaubt, im Ausland könne man sich komplett zurück lehnen, hat sich geirrt. Sonstiges Ein blondes Mädchen allein in Istanbul? Insbesondere von meinen älteren Verwandten wurden vor meiner Abreise viele Bedenken geäußert à la „Kind, du allein in der Türkei? Ja dann trägst du sicher besser auch Kopftuch!“. Das ist natürlich völlig übertrieben. Zugegeben Menschen, die touristisch aussehen, wird grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist ja aber auch logisch, da der Tourismus für die Türkei wichtig ist. Und natürlich ist es auch eher unüblich und unnötig in Hotpants durch traditionelle Viertel zu schlendern, geschweige denn in eine Moschee gehen zu wollen. Aber eine gewisse kulturelle Sensitivität sollte meiner Meinung nach von Gaststudenten auch zu erwarten sein. Es war jedoch nie nötig, dass ich irgendwo (außerhalb einer Moschee) ein Kopftuch trage. Im Gegenteil, in meinem Stadtteil Kadıköy sind vermutlich weniger Fragen mit Kopftuch unterwegs als in so manchem deutschen Großstadtviertel. Proteste und politische Lage Politik ist, wie in so vielen anderen Ländern auch, in der Türkei eher ein Reizthema. Während es sehr interessant ist, sich von Türken ihre politischen Meinungen und Sichtweisen erläutern zu lassen, empfiehlt es sich eher nicht, voll in eine politische Diskussion einzusteigen. Auch, weil die Berichterstattung in Deutschland stark einseitig ist. Was die Proteste und Demonstrationen angeht: Auch heute noch ist es für mich praktisch nicht einzuschätzen, was in Istanbul zu einer Demonstration führen kann und was nicht. Beispielsweise blieb es ruhig, als Twitter und YouTube gesperrt wurden. Als jedoch der 15Jährige Junge starb, der im letzten Jahr während der Proteste verletzt wurde, schlug dies hohe Wellen. Grundsätzlich klang in den deutschen Medien vieles schlimmer, als wir es tatsächlich erlebt haben. Häufig habe ich erst abends oder durch Freunde von Demonstrationen am gleichen Tag erfahren. Das liegt wohl daran, dass Istanbul einfach eine riesig große Stadt ist und man an einem Ende keine Ahnung davon hat, was am anderen passiert. So lange man nicht auf dem Taksimplatz wohnt, ist es also gut möglich, sich von allem fern zu halten und ein ruhiges ungefährliches Auslandssemester zu erleben. Rückblickend kann ich ohne Zweifel sagen, dass ich eine wunderbare Zeit in Istanbul hatte und die Entscheidung nie bereut habe. Es war eine wunderbare Gelegenheit, die grenzenlose Gastfreundschaft und das freundliche Gemüt vieler Türken kennenzulernen. Ich habe mehr über die Kultur und Mentalität dieses faszinierenden Landes und insbesondere dieser Stadt gelernt, als ich mir je hätte vorstellen können und das war alle kleinen Kämpfe mit Bürokratie, Verkehr und Co. wert.
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