Resilienzförderung - ein „Heimspiel“ für die Logotherapie! „ Sie machen was?…“ oder „Logotherapie, hab ich schon mal gehört, das hat doch was mit Sprache zu tun.“ - das waren über Jahre die verbreitetsten Reaktionen, wenn ich von meinem logotherapeutischen Hintergrund sprach. Ganz erstaunt war ich deshalb, als mir aus einer unvermuteten Richtung Anerkennung für die Logotherapie begegnete. Nach langen Jahren in der Suchthilfe entschloss ich mich vor kurzem, freiberuflich tätig zu sein und fügte deshalb meinen bisherigen Ausbildungen die zum Fachberater für betriebliches Gesundheitsmanagement hinzu. Demografischer Wandel und lange Fehlzeiten bei psychischen Erkrankungen und burn-out sind die großen Herausforderungen für Unternehmen! Im betrieblichen Bereich gibt es zwei Faktoren, die in besonderer Weise die Unternehmen vor Probleme und die Notwendigkeit zur Reaktion stellen. Zum einen ist das der demographische Wandel, der die Belegschaften älter werden lässt es kommen weniger junge Fachkräfte nach, die bewährten Kräfte sind deshalb nur schwer zu ersetzen, so dass es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit ist, deren Leistungsvermögen zu erhalten. Zum anderen (aber in engem Zusammenhang dazu): Steigende krankheitsbedingten Fehlzeiten im Bereich der psychischen Erkrankungen das, was oft unter „burn-out“ und stressbedingten Erkrankungen zusammengefasst wird. Gleichzeitig bescheinigen aktuelle Stressreports, dass die Menschen, in erheblichem Maße arbeitsbedingt, zunehmend unter Stress leiden. Aktuelle Forschung bestätigt Viktor Frankl: Sinngefühl ist zentral um Belastungen gewachsen zu sein! Genau dazu begegnete mir sehr kurz nacheinander mehrfach die positive Erwähnung der Logotherapie. Stress und Resilienzforschung bestätigen offensichtlich Frankl`sche Grundaussagen: Sinngefühl und Transzendenz lassen uns zunehmenden Stress und Belastungen besser ertragen und tragen dazu bei, auch bei Belastungen gesund zu werden und zu bleiben „Resilienz- was macht uns Belastungsfähig?“ - das war der Titel eines Vortrags im Zusammenhang mit dem Suchtpräventionsprogramm „Prev@WORK“, der mich in dem Zusammenhang besonders begeisterte. (Wer die Chance hat, Dr. Rummel vom Berliner Institut für betrieblliche Suchtprävention e.V. einmal live zu hören, sollte nicht zögern.) Ist die heutige Jugend nicht mehr belastungsfähig? „Die junge Generation ist nicht mehr belastungsfähig- sie erwartet bei der Arbeit eher einen Spaßfaktor als Belastungen“ -diese Einschätzung ist bei Personalverantwortlichen in den letzten Jahren immer häufiger zu hören. Resilienz, also die Frage, wie Widerstandsfähig wir gegenüber den täglichen Anforderungen sind, ist damit eine der Fragen der Zeit. Nie war der Anteil psychischer Erkrankungen an den Arbeitsunfähigkeitstagen und die Diagnose burn-out höher als heutzutage. Der Vorwurf an die Jüngeren ist dabei keineswegs originell: „Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. … und schwatzt, wo sie arbeiten soll. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie …, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“ beklagte sich schon Sokrates (470 - 399 v. Chr.). Anforderungen der Arbeitswelt sind gewachsen - wie kann work-ability nachhaltig gestärkt werden? Tatsächlich hat sich die Gesellschaft und mit ihr die Arbeitswelt erheblich verändert und damit auch die Anforderungen an die darin aktiven. Immer schneller verändern sich Technologien und immer weniger können wir alle Auswirkungen unseres Tuns zuverlässig voraussagen. Wir müssen uns ständig anpassen und können uns kaum sicher sein, dass das, was wir heute als Gegeben erleben, übermorgen noch stimmt. Es liegt also vermutlich nicht nur daran, das mit dem heutigen Nachwuchs (wie schon seit zweieinhalbtausend Jahren bemängelt) nicht mehr viel los sei. Vieles, was sie, aber auch gestandene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in ihrer Arbeitsfähigkeit (neudeutsch: work-ability) gefährdet, lässt sich allerdings nicht ohne weiteres ganz vermeiden und aus dem Weg schaffen. Gar kein Stress ist auch kein sinnvoller Weg Stress an sich ist zunächst ja nichts pathologisches sondern ein überlebenswichtiges Reaktionsmuster auf schwierige Situationen und Anforderungen. Es macht uns fokussiert auf die Lösung anstehender Probleme und sogar bereit, neurologisch Nervenzellen vestärkt zu verknüpfen, also zu lernen. Zum Problem wird er dann, wenn es keine bzw. zu wenig Entlastung gibt und stressbedingte Anspannungen dauerhaft bestehen. Dann kann es zu zahlreichen krankmachenden Prozessen kommen und auch mit dem lernen wird es dann schwierig: Weil diese Stressreaktionen nach sehr alten inneren Mustern ablaufen, signalisiert das dauerhafte Stresserleben dem Körper, wie in grauer Vorzeit, dass die bisher gefundenen Lösungswege nicht zur Lösung (des körperlichen Ausnahmezustandes) führen und deshalb besser gelöscht werden sollten - aus erhöhter Lernbereitschaft wird nun eine erhöhte Bereitschaft, dass gerade gelernte wieder zu vergessen. Der Steinzeitmensch in uns braucht vermutlich ein paar tausend Jahre länger als das Wirtschaftssystem, den Menschen an immer optimiertere und auf Produktivität und Höchstleistungen orientierte Arbeitsprozesse anzupassen. Was kann uns also diesen gegenüber solchen überfordernden Anforderungen wappnen, damit daraus keine psychischen Dauerbelastungen werden, die uns krank machen. Was können wir dafür tun, in dieser Situation gesünder zu bleiben - ihr gegenüber resilient zu werden.. Belastung nicht das größte Problem: Gefühl der Sinnleere lässt uns ausbrennen. Dr. Martina Rummel vom Berliner Institut für betriebliche Suchtprävention hat verschiedene Schlüsselkriterien ermittelt, die auf den unterschiedlichen Persönlichkeitsebenen helfen, den täglichen Anforderungen gewachsen zu sein.Ihr Paradigma dabei: Nicht die Belastungen selbst sind die größten Probleme, sondern ihre noetische Dimension. Die gefühlte Sinnentleerung die letztlich bewirkt, dass wir die vorhandenen Ressourcen eben nicht im Sinne der „Trotzmacht des Geistes“ aktivieren können, um dadurch das „wie“ für das „wozu“ ertragen zu können. Es sind nicht nur die Belastungen an sich, die ausbrennen lassen, sondern Unklarheit auf den wesentlichen Ebenen unserer Persönlichkeit: unserer Identität. Martina Rummel sieht da Schlüsselkriterien die sich auf die Herausbildung von Resilienz auswirken, positiv oder eben nicht, was letztlich zu noogenen Neurosen, burn-out und schlussendlich zur dauerhaften Beeinträchtigung des Lebensgefühls und Arbeitsfähigkeit führen kann. Gemeinsamkeit und Zugehörigkeit stärkt uns bei Belastungen Ausgesprochen starke Auswirkungen darauf habe die Frage der Zugehörigkeit, auch der Zugehörigkeit zu einem Betrieb als sinnhaften, konsistenten und zur Identifikation geeigneten Referenzsystems. Menschsein erfüllt sich sinnhaft nicht in Einzelkämpfertum sondern im Du - und dieses Du, diese Gemeinschaft, kann ich nur dann wählen, wenn Sie mir sinn-voll (also erfüllt von Werten, die ich teilen kann) erscheint. Wohl jeder und jede, der einmal gegenteiliges erlebt hat, wird dem zustimmen können: Da wird dann Leben schnell zum vor-sich-hin-leben; da wird Arbeit zur bloßen Verrichtung zum Zweck des Lebensunterhalt - ein auch krankmachender Ort. Interessanterweise aber für denjenigen, der diesen Sinnverlust fühlt und darunter leidet während womöglich der Kollege, der identifiziert ist und sich zugehörig fühlt zu dieser Gemeinschaft auch ähnlich belastende Arbeiten ohne nennenswerte gesundheitliche Auswirkungen erledigen kann. Wer weiß, warum er auch mal zurückstecken muss und in Prozesse einbezogen ist, nimmt auch mal Nachteile in Kauf! Auf der Wahrnehmungsebene bedeutet dies die möglichst positive Beantwortung der Frage Transparenz und des Einbezogen seins, die für die grundsätzliche Orientierung wichtig sind. Wir müssen nicht alles gut finden, aber Dinge, die für uns in ihrem inneren Begründungszusammenhang verstehbar sind, können wir dann besser annehmen, auch wenn ihnen nicht oder nur eingeschränkt zustimmen. „Der Mensch, der ein wozu im Leben hat, erträgt fast jedes wie!“. Es ist eben nicht das gleiche, ob der Grund, weshalb ich etwas tun muss, lediglich die, dann meist als willkürlich erlebte, Anordnung des Vorgesetzten ist oder ob ich nachvollziehe, wozu diese Zumutung im großen Ganzen notwendig ist.Ganz wichtig ist deswegen, dieses „wozu“ transparent zu machen, um Orientierung zu ermöglichen: Auch wenn ich diese Arbeit gerade nicht mag- sie ist notwendig und wichtig. Ich kann mich und mein Tun darüber realistisch einschätzen. Realität anerkennen hilft- auch einem Genie geht mal was daneben! Eine realistische Sicht der Dinge führt dazu, selbst Dinge die schief laufen gelassener hinzunehmen. Logotherapeutisch gedacht: Das Leben kennt Gnade… und es kennt auch so etwas wie Pech. Man kann sich natürlich auch alles, was belastet,mit eigenen Defiziten erklären und mit sich selbst hadern. Das wäre krankheitsfördernd und resilienzverhindernd - man muss es aber nicht: Shit happens und hat oft nichts mit eigenen Schwächen und Unzulänglichkeitenn zu tun. Die Vorstellung, man selbst sei für jedes negative Erleben letztendlich immer selbst verantwortlich ist eben nicht Realismus sondern eine Vorstellungen von Allmacht zu tun. Es gibt immer einen Teil, der größer ist, als wir selbst und wir haben ihn gerade deshalb nicht selbst in der Hand sondern ist Teil der Fragen, die das Leben stellt - und auf den wir zu antworten haben. Konsistente Regeln geben Orientierung! Auf der Ebene des Verhaltens und der Gewohnheiten ist es für das Fördern von Widerstandsfähigkeit gegenüber Gefährdungen wichtig, dass die Regeln die gelten zum Einen selbst möglichst gesund sind, zum Andern auch diszipliniert umgesetzt werden. Regeln, die nicht ständig wachsweich in Frage gestellt und getestet werden müssen, bieten Orientierung und Struktur. Sie sind ausgesprochen vereinfachend, um nicht ständig jede Grundlage neu aushandeln zu müssen. Das macht Kräfte frei, die besser genutzt werden können um Stress und Anforderungen besser gewachsen zu sein. Gleichwohl sollten sie so flexibel sein, dass sie neuen Erfordernissen prozesshaft angepasst werden können: Dinge unabänderlich zu belassen, weil sie schon immer so gewesen sind, wäre wiederum resilienzverhindernd. Optimierungsprozesse haben Grenzen! Arbeitspakete müssen machbar und umsetzbar bleiben! Um diesen Anforderungen gewachsen zu sein ist es auf der Ebene der Kompetenzen und Potentiale von eminenter Wichtigkeit, dass das, was zu bewältigen ist, für den einzelnen auch machbar und umsetzbar ist. Über- und Unterforderung führen zu Insuffizienzgefühlen und zu erhöhter psychischer Anfälligkeit. Es kommt häufiger als gewollt dazu, dass Anforderungen eben nicht zu den eigenen Fähigkeiten passen. Unterforderung durch Erhöhung des Anforderungsniveaus zu begegnen ist aber meist sehr viel einfacher als zu hohen Anforderungen zu begegnen. Hier sind Kompetenzen in Improvisation hilfreich aber auch die Ansprüche an sich selbst realistisch zu gestalten und die Möglichkeit zu nutzen, eigene Kompetenzen zu erweitern und anzupassen. Lebenslanges Lernen ist somit nicht nur eine Zumutung des gesellschaftlichen Wandels sondern vielmehr auch ein Akt der Selbstfürsorge. Ziele sind Magneten! Auf der Ebene der inneren Überzeugungen und Interessen erscheint die logotherapeutische Wende von der warum-Frage hin zur Lösungsorientierung durch die Frage „Wozu fordert mich das heraus“ gleichsam Programm eines resilienten Umgangs mit sich selbst zu sein. Das Ziel ist es, der magnetische Anziehungskraft entwickelt und auch Rückschläge besser ertragen läßt (und natürlich die Aktualisierung dieser Ziele). Damit es allerdings resilienzfördernd anziehen kann, muss es auch dem „inneren Sinnkompass“ entsprechen. Nur ein Ziel und Werte, die für mich gelten und stimmig sind, sind es auch wert, Schwieriges auszuhalten. Am intensivsten wirkt das dann, wenn sich diese Stimmigkeit nicht nur im eigenen Kontostand oder persönlichen Annehmlichkeiten erschöpft sondern darüber hinaus gerichtet ist. Es wäre einmal zu überprüfen, inwieweit Unternehmensziele und deren Konformität zum Sinngefühl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich auf die Leistungsfähigkeit bzw. Resilienz der Mitarbeiterschaft auswirkt. Ich bin mir fast sicher, dass dieser Zusammenhang besteht. Routine schafft die Basis für Außergewöhnliches! Auf der Verhaltensebene werde, so Rummel Resilienz gefördert von gesunden Routinen, also solchen, die nicht das Leben in Gleichförmigkeit und Wiederholung ersticken sondern eine sichere Basis gegenüber permanenter (Selbst-)Überforderung und Unsicherheiten setzen. Von dieser Basis aus bekomme ich erst die Ressourcen frei, Kreativität für die Bewältigung von Problemen entwickeln zu können. Insofern sind Selbstkontrolle und Disziplin („Leben hat Anforderungscharakter!“), oft eher verpönt, die Basis,auf der gelingendes Leben sich in seiner Vielfalt und Spontaneität erst entwickeln kann. Auch die deutschsprachige Kapazität zur Stressbewältigung, Prof. Dr. Gert Kaluza, benennt die Logotherapie in ganz ähnlicher Weise. Stressbewältigung und Resilienz liegen natürlich thematisch ausgesprochen eng beieinander. Bei der Bewältigung von ungesundem Stress ist auch für ihn die Sinnperspektive zentral. Dass dem tatsächlich so ist, dafür lieferte Viktor Frankl selbst das allerprominenteste Beispiel. Ein Blick in seine Lebensgeschichte und seine Werke genügt um dafür Beispiele zu Hauf zu sehen. Stress- und Resilienzforschung als Chance zur Verbreitung der Logotherapie? Sicher werden einige Kollegen jetzt sagen: Klar, wir sind da schon am Start. Tatsächlich sind. in Wirtschaft und bei Krankenkassen diese Themen ganz oben auf der Agenda. Der im vergangenen Jahr veröffentlichte Stressreport 2012 hat auch die Politik alarmiert und ging durch die Medien. Ein Thema, wie sich scheinbar deutlicher herumspricht, dass für die Logotherapie eine Art „Heimspiel“ ist. Der Anforderungscharakter des Lebens und die existentielle Wichtigkeit von Sinnbezug und Sinnfindung sind unsere „Basics“, die m.E. keinen anderen psychotherapeutischen Schulen diese zentrale Stellung haben. Hier gilt es, sich mit unserem logotherapeutischen Standing in die Diskussion einzubringen und zu Wort zu melden: Logotherapie und logotherapeutische Beratung sind zentrale Optionen, Stresserleben und Stressbewältigung positiv zu beeinflussen. Wir sind die Fachleute für Resilienzförderung im Bereich Beratung und Therapie. Sollten wir erreichen können, dass sich diese Erkenntnis verbreitet und verbreitert könnte es eine Chance sein, über die Fachöffentlichkeit hinaus die Bekanntheit und Verbreitung der Logotherapie zu vergrößern und damit deutlicher wahrgenommen zu werden. Autor: Dirk Litzberski-Otten ist freiberuflicher Logotherapeut und Heilpraktiker für Psychotherapie mit eigener Praxis in Osnabrück. Als Suchttherapeut (Psychodrama) und Suchtberater und mehrere Jahre als Leiter hat er zuvor 14 Jahre lang in Suchtberatungsstellen der Diakonie gearbeitet. Neben diesen therapeutischen Ausbildungen ist er in Hypnose und als Kursleiter für autogenes Training und Stressbewältigungsseminare sowie verschiedene Konzepte der Raucherentwöhnung ausgebildet. Daneben ist er auch Fachberater für betriebliches Gesundheitsmanagement (IHK) und bietet in Betrieben Stressbewältigungsseminare und Suchtprävention für Auszbildende (Prev@WORK) an. Kontakt: [email protected]
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