Stellungnahme des Viktor Frankl Instituts zur FLP

Internationale Vereinigung für Logotherapie und Existenzanalyse
UNIV.-PROF. DR. ALEXANDER BATTHYÁNY
PRINZ EUGENSTR. 18
A 1040 VIENNA, AUSTRIA
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Stellungnahme des Viktor Frankl Instituts zur
FLP-EU („Föderation Logotherapie Profession Europa“)
In den letzten Tagen gingen einige Anfragen bei uns ein wegen des kürzlich von
der FLP-EU („Föderation Logotherapie Profession Europa“) verschickten
Werberundschreibens.
Die Verwirrung kommt dadurch zustande, dass dem Rundschreiben der FLP-EU
ein gemeinsam verfasster Neujahrsbrief der Deutschen Gesellschaft für
Logotherapie (DGLE) und des Viktor Frankl Instituts (VFI) beigelegt wurde. So ist
bei vielen der falsche Eindruck entstanden, das VFI hänge nun in irgendeiner
Weise mit der FLP-EU zusammen oder unterstütze den Beitritt zur FLP-EU und
den Erwerb einer patent-geschützten Wort-Bild-Schutzmarke („Logotherapeut®“).
Zum Hintergrund: Der Neujahrsbrief kam nach einem Gespräch im Herbst 2015 in
Fürstenfeldbruck zustande. Ziel des von Otto Zsok dankenswerter angeregten
Gesprächs war es, das zeitweilig persönlich belastete Klima zwischen den
Vorständen der DGLE und des VFI zu verbessern. Die im Brief angesprochenen
Differenzen und Probleme wurden dabei zwar nicht gelöst, aber immerhin war es
gelungen, sich trotz inhaltlicher Differenzen auf einen besseren persönlichen
Umgang miteinander zu einigen.
Leider wurde dieser Neujahrsbrief nun ohne vorherige Absprache mit dem VFI für
das Rundschreiben der FLP-EU verwendet. Dadurch wurden wir mit einer Sache
in Zusammenhang gebracht, die das VFI nicht unterstützen kann.
Daher an dieser Stelle noch einmal deutlich: Das VFI hat mit der FLP-EU nichts zu
tun und unterstützt das Vorgehen der FLP-EU in keiner Weise. Das Team im VFI
sieht vielmehr gemeinsam mit einem Großteil der internationalen Logotherapie seit
einigen Jahren mit großer Sorge auf die Entwicklungen in der DGLE und der FLPEU.
Weil die diesbezügliche Diskussion leider bisher nicht ausreichend transparent
geführt wurde, wollen wir an dieser Stelle noch einmal in Stichworten
exemplarisch einige der Kernpunkte darlegen, aufgrund derer das VFI gemeinsam
mit vielen seiner langjährigen Partnerinstituten das Vorhaben und Vorgehen der
FLP-EU nicht unterstützen kann.
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Bitte nehmen Sie sich die Zeit, diese Kernpunkte zu lesen und entscheiden Sie
dann selbst, ob angesichts dieser Bedenken das Modell der FLP-EU eine gute
Grundlage für die Zukunft der europäischen Logotherapie schafft oder nicht.
1. Reduktion und Einengung der Logotherapie auf psychosoziale Beratung
Die FLP-EU hat eine für Mitgliedsinstitute verbindliche Charta (FLP-EU)
herausgeben. Diese Charta definiert die Organisation und das Berufsbild des
europäischen Logotherapeuten. In der FLP-EU-Charta steht, die Logotherapie
„ersetze auch bei psychischen Erkrankungen keine psychotherapeutische
Behandlung“ (Charta, S.3 oben).
Während zentrale Bereiche von Viktor Frankls Werk grundlegend der
Psychotherapie, bzw. der Behandlung psychischer Störungen gewidmet sind,
gehören diese zentralen Bereiche laut FLP-EU-Charta in ihrer Anwendung explizit
nicht zum Tätigkeitsfeld eines europäischen Logotherapeuten®. Dadurch wird die
„dritte Wiener Richtung der Psychotherapie“ auf eine bloße sinnorientierte
Beratungs- oder Begleitmethode reduziert und ihr der Auftrag abgesprochen,
psychische Erkrankungen und Störungen zu lindern, bzw. zu heilen.
Die Charta der FLP-EU fällt mit einer solchen offiziellen Erklärung auch all jenen
Initiativen in den Rücken, die sich in Europa in derzeit laufenden Verfahren um die
Anerkennung der Logotherapie als Psychotherapie bemühen. Kein in einem
psychotherapeutischen Anerkennungsverfahren involvierter Entscheidungsträger
wird eine psychotherapeutische Schule als solche anerkennen, deren
„europäischer Berufsverband“ in einer Grundsatzerklärung behauptet, sie ersetze
ohnehin keine Psychotherapie und stelle keine Behandlung psychischer
Störungen dar.
Weiters gab es—unter Alfried Längle in Wien—bereits schon einmal den Versuch,
die Logotherapie in diesem Sinne zu verkürzen und ihr den Status als
Behandlungsmethode psychischer Störungen (Psychotherapie) abzusprechen.
Die von der FLP-EU vorgenommene Definition der logotherapeutischen
Behandlung entspricht damit jener, die auch Alfried Längle vornahm:
Wir fanden in der GLE als die zutreffendste Bezeichnung für Logotherapie
‚sinnorientierte Beratungs- und Behandlungsform‘. […] Frankls Anliegen war ja
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nicht die Begründung einer eigenen Psychotherapie, sondern eben nur die
Schaffung einer Ergänzung. (Längle 1995:8f.) 1
Im Gegensatz dazu hat Viktor Frankl vor allem ab ca. 1955 die Logotherapie als
„Psychotherapie vom Geistigen her“ definiert und zuletzt in einem Grundlagentext
die Logotherapie und Existenzanalyse wie folgt beschrieben:
Die Existenzanalyse und Logotherapie sind je eine Seite ein und derselben
Theorie. Und zwar ist die Logotherapie eine psychotherapeutische
Behandlungsmethode, während die Existenzanalyse eine anthropologische
Forschungsrichtung darstellt. (Frankl 1994:57f) 2
Viktor Frankl wies natürlich auch wiederholt daraufhin, dass die Logotherapie
zugleich vielfältigere Anwendungsbereiche hat als nur die psychotherapeutische
Behandlung. Ebenso wie die beiden Vorläuferschulen der Logotherapie, Sigmund
Freuds Psychoanalyse und Alfred Adlers Individualpsychologie, wird die
Logotherapie auch als psychosoziale Beratungsmethode erfolgreich eingesetzt.
Aber „mehr als nur Psychotherapie“ bedeutet nicht, wie die FLP-EU-Charta es
definiert, „weniger als“ oder „alles außer Psychotherapie“.
Logotherapie ist nach Frankl vielmehr zunächst und wesentlich Psychotherapie:
spezifische
Psychotherapie
(bei
noogenen
Neurosen),
unspezifische
Psychotherapie (bei psychogenen Störungen) und „ärztliche Seelsorge“ (u.a. für
den homo patiens). Der Großteil von Frankls wissenschaftlichem Werk ist diesen
psychotherapeutischen Anwendungsbereichen gewidmet (lt. Bibliographie rund
75% seiner wissenschaftlichen Zeitschriftenbeiträge nach 1955).
Viktor Frankl hat daher stets unmissverständlich klar gemacht, dass Alfried
Längles Umdeutungen der Begriffe „Existenzanalyse“ und „Logotherapie“ nicht mit
der originären Logotherapie in Einklang gebracht werden können. Angesichts
dessen halten wir es für irreführend, wenn DGLE und FLP-EU in ihren
Außendarstellungen behaupten, sie stünden „in der Nachfolge Viktor Frankls“,
zugleich aber in der Charta eine Definition der Logotherapie vertreten, von der
Viktor Frankl selbst dezidiert feststellte, sie stehe ausdrücklich nicht mehr in seiner
Nachfolge.
1
Längle, A. (1995). Logotherapie und Existenzanalyse - eine begriffliche Standortbestimmung. In:
Existenzanalyse 12-1, 5-15
2
Frankl, V.E. (1994). Grundriss der Logotherapie und Existenzanalyse. In: Logotherapie und
Existenzanalyse, München. 57f.
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Das VFI ist dem psychotherapeutischen Werk, Erbe und Auftrag Viktor Frankls
verbunden und verpflichtet. So sehr wir nach dem Neujahrsbrief auf eine gute
Zusammenarbeit gehofft haben: Wir können daher nicht anders, als hier erneut
auf diese problematischen Entwicklungen und die Wegbewegung von der
originären Logotherapie hinzuweisen und uns zugleich dagegen zu verwahren,
dass das im Neujahrsbrief ausgesprochene persönliche Versöhnungsangebot als
direkte oder indirekte Zustimmung zu diesem Weg weg von Frankls originärer
Logotherapie gedeutet wird.
Wir können vielmehr u.a. aus den hier genannten inhaltlichen Gründen auch
künftig vor diesen Entwicklungen nur abraten, weil dadurch die langfristige Zukunft
der Logotherapie als Teil der helfenden und heilenden Berufe aufs Spiel gesetzt
wird und die Logotherapie auf Dauer in den grauen Markt der nicht anerkannten
Psychoangebote abzugleiten droht.
2. Rechtliche Bedenken
„Logotherapeut®“
/
Monopolisierungstendenzen
des
Titels
Neben diesen inhaltlichen Problemfeldern erscheint zudem auch die rechtlich
fragwürdige Konstruktion bedenklich. Die Situation in Bezug auf den Erwerb der
Lizenzen und die damit einhergehenden Verpflichtungen sind nicht transparent.
Ungeklärt ist etwa, wie es sein kann, dass die europaweit rechtsgültige Marke
„Logotherapeut®FLP“ laut Auskunft des Europäischen Markenpatentamts
(Anfragedatum: 27. Januar 2016) noch immer, bzw. bis zum Jahr 2024 als
Privatbesitz von Herrn und Frau Stegmaier angemeldet ist. 3
Es erfüllt uns mit Sorge, dass der nun monopolisiert geschützte Berufstitel des
europäischen FLP-„Logotherapeuten®“ europaweit markenrechtlich in Privatbesitz
steht. Es war aber nicht der gegenwärtige Privateigentümer der Marke (das
Ehepaar Stegmaier), sondern Viktor Frankl, der den Begriff des Logotherapeuten
als Praktiker einer psychotherapeutischen Behandlungsmethode begründet,
geprägt und mit einem konkreten psychotherapeutischen Heil- und Hilfsauftrag
versehen hat.
3
https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/registerHABM?AKZ=012757746&CURSOR=1
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Es steht jedem frei, eine eigene, neue Berufsbezeichnungen zu definieren und zu
entwickeln, einen Berufsverband um diesen „neuen Beruf“ zu gründen und den
Berufstitel privat oder im Namen einer Gesellschaft als Marke registrieren und
patentieren zu lassen—aber wir können nicht einfach zusehen, wie ein lange
bestehender
Begriff
(„Logotherapeut“),
an
dessen
klinischer
und
psychotherapeutischer Entwicklung und Anerkennung Viktor Frankl und viele
seiner Schüler (u.a. im VFI) mitunter jahrzehntelang gearbeitet haben, jetzt
markenrechtlich für eine verkürzte und damit den Auftrag und die Ziele der
originären Logotherapie verfälschenden Definition besetzt und just im Namen der
Logotherapie als deren Neubestimmung propagiert wird.
Wenn daher schon nicht die inhaltliche Verbundenheit, so verlangte es zumindest
die wissenschaftliche Redlichkeit, diesen Begriff wieder freizugeben und seiner
von Viktor Frankl bestimmten Bedeutung zurückzuführen.
Konklusion
Das VFI vertritt in der vorliegenden Angelegenheit keine „Sonderposition“. Es tritt
nur seinem Auftrag gemäß dafür ein, dass die Logotherapie weiterhin im Sinne
Viktor Frankls das gesamte Spektrum psychiatrischer, psychotherapeutischer,
klinischer, beratender und begleitender Theorie, Forschung und Praxis abdeckt
und nicht durch Inanspruchnahme eines europaweit geschützten Markenpatents
aus ihrem beruflichen Kerngebiet, der Psychotherapie, entfernt oder von dieser
abgetrennt wird.
Hier geht es daher um die zentrale Frage,
wird—ob etwa künftige Definitionen unter
Franklschen Werks besagen werden,
psychotherapeutische Behandlungsmethode,
sinnorientierten „Begleitung“ oder Lebenshilfe.
was die Logotherapie künftig sein
Streichung eines Großteils des
die Logotherapie sei keine
sondern nur ein Instrument zur
Diese (und zahlreiche weitere) Bedenken wurden dem Vorstand der DLGE/FLP in
den letzten Jahren mehrfach und von verschiedenster Seite—sowohl vom
Vorstand des VFI, Prof. Dr. Alexander Batthyany, als auch von langjährigen
Lehrern und Kollegen innerhalb und außerhalb der DGLE—mitgeteilt.
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So sehr wir uns auch eine konsensuale Lösung dieser Probleme erhofft haben
und so sehr wir auch auf einen weiterhin guten persönlichen Kontakt mit den
Vertretern der FLP-EU hoffen, so wenig können wir über die hier genannten
Probleme hinwegsehen. Wir sehen uns daher zum Schritt gezwungen, angesichts
dessen noch einmal in aller gebotenen Klarheit und Kürze darauf hinzuweisen:
Das VFI kann die FLP-EU u.a. aus den hier genannten Gründen nicht unterstützen
und rät auch Freunden und Kollegen in den akkreditierten Mitgliedsinstituten der
Internationalen Vereinigung für Logotherapie und Existenzanalyse von einer
Zusammenarbeit und Mitgliedschaft bei der FLP-EU ab.
Eine Doppelmitgliedschaft (VFI und FLP-EU) halten wir aufgrund der inhaltlichen,
rechtlichen und formalen Differenzen derzeit für kaum vertret- und vereinbar.
Mag. Michael Thir, B.A.
Klinischer Psychologe im LK Mauer, 2. psychiatrische Abt. f. stationäre Psychotherapie
Forschungsabteilung, Viktor Frankl Institut Wien
Univ.-Prof. Dr. Franz Vesely
Schriftenarchiv, Vertreter der Buch- und Veröffentlichungsrechte
Vorstandsmitglied, Viktor Frankl Institut Wien
Univ.-Prof. Dr. Alexander Batthyány
Viktor-Frankl-Lehrstuhl für theoretische Grundfragen der Psychologie, IAP im Fürstentum
Liechtenstein; Gastprofessor für Logotherapie und Existenzanalyse am Universitätsinstitut für
Psychoanalyse, Moskau
Vorstand & Forschungsabteilung, Viktor Frankl Institut Wien