Der interessante Fall Nur eine einfache kreislaufbedingte Synkope? Aufnahme-Befund: 45-jährige Patientin, ansprechbar, orientiert, in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Blutdruck 113/71 mmHg, Herzfrequenz (HF) 70/min, Blutsauerstoffspiegel (spO2): 100 Prozent, Atemfrequenz (AF) 12/min, Temperatur 36,6° C., Cor: reine Herztöne, rhythmische Herzaktion. Pulmo: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch (AG) beidseits. Abdomen: weich, kein Druckschmerz (DS), keine Abwehrspannung, keine pathologischen Resistenzen, Darmgeräusche (DG) vorhanden. Nierenlager ohne Klopfschmerz. Keine fokal-neurologischen Ausfälle. Echokardiographisch ergab sich ein normal großer linker Ventrikel mit guter linksventrikulärer Pumpfunktion ohne Kontraktionsstörungen. Keine Relaxationsstörung. Klappen unauffällig, keine erhöhter PA-Druck, keine Perikarderguss. Welche Verdachtsdiagnose ergibt sich aus dem Ruhe-EKG der Patientin? (Abbildung 1): • Akuter Myokardinfarkt • Pericarditis • Lungenembolie • unspezifischer EKG-Befund • Brugada-Syndrom? EKG- Interpretation: Normofrequenter Sinusrhythmus, Indifferenztyp, q in V1-V2, ST-Streckenhebungen in V1-V2, regelrechte PQ- und QT-Zeiten. 198 | Hessisches Ärzteblatt 4/2016 Fotos: CCB Kasuistik: Eine 45-jährige Patientin erwachte nachts gegen 3 Uhr wegen ihres Kindes, verspürte Bauchschmerzen, retrosternales Brennen und Übelkeit. Der Ehemann fand die Patientin kurz darauf auf dem Weg zur Toilette am Boden liegend auf und alarmierte den Rettungsdienst. Die Patientin wurde mit Synkope unklarer Ursache zur Aufnahme gebracht. Schon im Mai 2015 wurde die Patientin wegen Thoraxschmerzen stationär aufgenommen und mittels Koronarangiographie eine koronare Herzkrankheit (KHK) ausgeschlossen. Damals seien laut Aussagen der Patientin die Beschwerden deutlich stärker gewesen. Abbildung 1: EKG bei Aufnahme Abbildung 2: EKG nach Gabe von Ajmalin Verlauf: Nach invasivem KHK-Ausschluss bestand durch die ST-Streckenhebungen in den Brustwandableitungen V1-V2 der Verdacht auf ein Brugada-Syndrom. In einem Ajmalin-Test konnte dies betätigt werden (Abbildung 2). Der Patientin wurde bei Brugada-Syndrom Typ 1 mit Synkope nach entsprechender Aufklärung am Folgetag ein Defibrillator implantiert. Die Fa- milienanamnese war bis auf eine frühere Synkope der Schwester zu diesem Zeitpunkt unauffällig. Entsprechende Screening-Untersuchungen der Familienmitglieder wurden veranlasst. Das Brugada-Syndrom gehört zu den angeborenen Ionenkanalerkrankungen des Herzens, die für Synkopen und ca. fünf bis zehn Prozent der jährlichen plötzlichen Herztodesfälle verantwortlich gemacht werden. Anamnestisch findet man oft eine familiäre Häufung von Ereignissen, und inzwischen gelingt auch ein genanalytischer Nachweis. Die Prävalenz des Brugada Syndroms wird mit 1:2000 bis 1:5000 angegeben. Es kommt beim weiblichen Geschlecht etwa viermal häufiger vor. Das Krankheitsbild manifestiert sich meist um das vierzigste Lebensjahr mit Schwindel oder Synkopen aufgrund schneller polymorpher Ventrikulärer Tachykardien bzw. mit Kammerflimmern und fatalem Ausgang mit plötzlichem Herztod. Hinweise auf das Syndrom können im EKG in den Ableitungen V1 bis V3 in Form einer Dr. med. Achim Jäckel Cardioangiologisches Centrum Bethanien Im Prüfling 23, 60389 Frankfurt E-Mail: [email protected] dachförmigen (Typ 1) oder sattelförmigen (Typ 2) ST-Streckenhebung gefunden werden. Hat man den Verdacht auf ein Brugada-Syndrom, führt man unter klinischen Bedingungen unter kontinuierlicher EKG-Ableitung einen Ajmalin-Test durch, indem man 1 mg pro Kilogramm Körpergewicht der Substanz fraktioniert injiziert. Dies sollte selbstverständlich nur in einem Umfeld gemacht werden, in welchem rhythmologische Notfälle inklusive Reanimation/Defibrillation beherrscht werden. „Demaskiert“ der Test eine dachförmige ST-Hebung in besagten Ableitungen, gilt nach Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen (Elektrolytstörungen, Perikarditis, akuter Myokardinfarkt, Schenkelblock, arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie) die Diagnose als gesichert. Die Therapie besteht in der Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD).
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