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Pflichtübung aus Strafund Strafprozessrecht
Dr. Martin Stricker
Fall 4
I. A und X leben schon jahrelang in einer unglücklichen Ehe. Eines Abends als A nach Hause
kommt, sieht er von der Einfahrt aus, dass X mit offensichtlich starken Schmerzen im
Brustbereich im Garten liegt und nach Hilfe ruft. Da er weiß, dass X schon lange
Probleme mit dem Herzen hat und es sich um einen Herzinfarkt handeln könnte, lässt er
sie einfach im Garten liegen, in der Hoffnung, dass sie endlich stirbt. Er verlässt
unbemerkt das Grundstück. Auch die Nachbarin B sieht von ihrem Fenster aus, dass X
zusammengebrochen ist und in Lebensgefahr schwebt. Aus Angst vor
Unannehmlichkeiten hilft sie ebenfalls nicht. Glücklicherweise kommt in diesem Moment
X’s Freundin Y vorbei und verständigt die Rettung. X überlebt. Wäre ihr nicht von Y
geholfen worden, wäre sie verstorben.
1. Beurteilen Sie die Strafbarkeit von A und B!
II. C möchte seinen Nachbarn Z bestehlen. Bei einem gemeinsamen Spaziergang, möchte er
ihm seine Geldbörse aus der Hosentasche ziehen. Als er bereits die Hand an der
Geldbörse hat, bemerkt Z, was C vorhat und versetzt ihm einen Schlag auf die Hand,
damit er von ihm ablässt. C wird daraufhin wütend und stößt Z brutal zu Boden, um ihm
die Geldbörse endgültig abnehmen zu können. Danach flüchtet er. Gegen C wird ein
Ermittlungsverfahren eingeleitet und kurz danach vor dem zuständigen Gericht Anklage
erhoben.
2. Prüfen Sie die Strafbarkeit des C!
Fall 4
C möchte einen Prozess verhindern und sich daher mit dem Argument, dass er zum
Tatzeitpunkt nicht am Tatort war, direkt gegen die Anklage zur Wehr setzen.
3. Was kann er gegen die Anklage unternehmen?
Während der Hauptverhandlung ergeben sich Hinweise darauf, dass C bereits im Jänner des
letzten Jahres versucht haben soll, seinen Nachbarn schwer am Körper zu verletzen. Der
Staatsanwalt schmunzelt daraufhin nur, weil er davon ausgeht, dass C jetzt sicherlich
verurteilt wird. Tatsächlich wird C wegen dem obigen Sachverhalt und der versuchten
schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 5 ½ Jahren verurteilt.
4. Was kann C gegen das Urteil unternehmen?
III. F ist in erster Instanz nach § 80 StGB verurteilt worden, weil er mit dem Auto einen
Radfahrer niedergestoßen und getötet hat. Das Gericht geht davon aus, dass F im
Ortsgebiet gegen die generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h verstoßen
hat (angenommene tatsächliche Geschwindigkeit: 80 km/h). Bei der zulässigen
Geschwindigkeit hätte er noch rechtzeitig bremsen und den Unfall vermeiden können. F
bringt nach der Urteilsverkündung Folgendes vor:
a) Ich bin nicht mit 80 km/h gefahren. Es waren höchstens 70 km/h.
b) An der konkreten Stelle waren 80 km/h auch noch zulässig.
c) Wenn ich mit 50 km/h gefahren wäre, wäre genau dasselbe passiert.
d) Ich bin nicht mit 80 km/h gefahren, sondern ohnehin nur mit der erlaubten Geschwindigkeit.
Kann er gestützt darauf jeweils ein Rechtsmittel erheben? Wenn ja, welches und wie ist
es rechtlich zu begründen?
Fall 4
A: §§ 15, 2, 75 StGB; Prüfung unechtes Unterlassungsdelikt und Versuch
2P
B: § 95 StGB; Prüfung echtes Unterlassungsdelikt
2P
§ 131 od § 142? Entscheidend ist Beurteilung Mitgewahrsam
3P
Abgrenzung; Prüfung des Delikts
Zuständigkeit Schöffengericht (1); Anklage in Form der Anklageschrift (1); Einspruch nach § 212 Z 3 (1)
3P
Nichtigkeitsbeschwerde: § 281 Abs 1 Z 8 (Überschreitung der Anklage, weil Verhandlung und Urteil nicht ausgedehnt
2P
§ 281 Abs 1 Z 10 (Versuchte schwere KV nach hM nicht möglich)
2P
Bei § 131: § 281 Abs 1 Z 11 (Strafrahmen überschritten)
1ZP
§ 80 – BG: Berufung wg Strafe § 464 Z 2: für Strafzumessung relevante Tatsachenbehauptung; keine Z 5 weil keine
entscheidende Tatsache
2P
Berufung wg Nichtigkeit § 468/1/4 iVm § 281/1/9a: keine obj SW (Feststellungsmangel)
2P
Berufung wg Nichtigkeit § 468/1/4 iVm § 281/1/9a: keine Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten
2P
Berufung wg Schuld § 464 Z 2: für Bekämpfung der Beweiswürdigung; Verneinung der Schuld relevante Tatsache
2P