Programmfolder WS 2015/16

DIE
SPRACHE
DES
GELDES
WINTERSEMESTER
2015/16
A N S T E C KU N G S G E FA H R E N,
RETTUNGSSCHIRME, HAIRCUTS,
FA H N E N S TA N G E N, S T I E R E U N D B Ä R E N
Spätestens seit Beginn der Weltwirtschaftskrise prägen diese Begriffe die ökonomische Alltagssprache. Oft verwenden wir
solche Metaphern, wenn wir viel, sehr viel Geld meinen. Durch diese bildlichen Ausdrücke aus dem Jargon der Finanzwelt scheinen uns monetäre Transaktionen verständlich(er) zu werden. Das ist im Grunde merkwürdig, denn die allermeisten Menschen würden zunächst einmal davon ausgehen, dass sie ganz genau wissen, was Geld ist und wie man es gebraucht.
MASSENPROTESTE UND ÖFFENTLICHES INTERESSE
Und ein solches Verständnis scheint notwendiger denn je zu sein. Denn aus der Perspektive der Wirtschaftstheorie ist es
gar nicht einfach zu bestimmen, was Geld eigentlich ist. Mit dem Sprechen über Geld ändert sich im Lauf der Geschichte
auch die Vorstellung davon, was Geld ist. In der Gegenwart ruft das wachsende Bewusstsein darum, dass die ­Finanzmärkte
und ihre Akteure eine irrationale, im wahrsten Sinne des Wortes unfassbare Gebarung an den Tag legen, berechtigte Kritik
hervor. Sie hat zur Entstehung von Massenprotestbewegungen geführt, das öffentliche Interesse an ökonomischen Zusammenhängen in allen Bereichen gesteigert und sogar zur erstaunlich breit geführten Diskussion über teilweise hochakademische Texte von Autoren wie Colin Crouch, Thomas Piketty oder Joseph Vogl geführt.
T H E M E N A U S D E S I G N , K U N S T, G E S C H I C H T E
„Die Sprache des Geldes“ untersucht unseren Zugang zu Geld an der Schnittstelle von wissenschaftlichen Spezialdiskursen, öffentlicher Wahrnehmung und gestalterisch-künstlerischen Verarbeitungen. In dieser Vortragsreihe geht es um die
verschiedenen Arten und Weisen, in denen wir Geld imaginieren, in denen wir über Geld reden, wie und welchen Wert wir
Geld verleihen, wie wir das Geld und seine verschiedenen Bewegungen darstellen.
Die Vorträge von Expertinnen und Experten aus den Feldern Wissenssoziologie, Design, Kunst, Aktivismus, Wirt­­
schaftswissenschaften, Psychologie, Bankwesen sowie Politik und Geschichte beschäftigen sich mit folgenden Fragen:
Welche Sprachbilder des Geldes verwenden wir und wie wirken diese Bilder auf die Entscheidungen von Märkten,
Investoren, Politikern, der Öffentlichkeit zurück?
Inwiefern bestimmt daher eine bestimmte „Rhetorik des Ökonomischen“ die Handlungsmuster unternehmerischer, wirtschaftlicher oder politischer Akteure?
Welche Rollen spielen Designstrategien, etwa Visualisierungen, in diesem Zusammenhang?
Wie verändern diese Metaphern unsere gesellschaftlichen Vorstellungen, Erwartungen und Ängste?
Welche Risiken und welche Chancen liegen in diesen Vermittlungsprozessen?
Wie beeinflussen diese Vorgänge unser Denken über Geld?
In welchen Bildern wurde in der Vergangenheit über Geld gesprochen?
Was ist Geld aus der Sicht der Wirtschafts- und Sozialgeschichte und aus der Perspektive der Kulturwissenschaften?
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D A S G E L D A L S M E D I U M. D E R D I G I TA L E
MEDIENUMBRUCH UND DIE
F I N A N Z ­M Ä R K T E D E R G E G E N WA R T.
Die Geschichte der Kommunikationsmedien zeigt, dass sich die
Börse seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in einem tiefgreifenden
medialen Umbruch befindet. Der Börsenticker (1867), das Telefon
(1878), das elektronische Display (1923), der Fernschreiber in den
1940er Jahren und das computerunterstützte Aufzeichnungs- und
Speichersystem der frühen 1960er Jahre haben die räumliche Repräsentationsordnung der Börse in ein temporal organisiertes
Kommunikationsnetz transformiert. Diese Wissensmedien produzieren gemeinsam mit den Übertragungsmedien – von der Telegrafie bis zum Internet – immer auch neue Formationen ökonomischen Wissens.
Die technologievermittelte Verfügbarkeit von Börseninformationen wurde in öffentlichen Debatten häufig als ein Indikator für die
„Demokratisierung“ der Spekulation interpretiert und hat maßgeblich zur Popularisierung der Börse beigetragen. Im Vortrag von
Ramón Reichert geht es jedoch weniger darum, die Konstruktionsregeln der Medienberichterstattung, als vielmehr die konstitutive
Rolle der digitalen Medien auf den globalen Finanzmärkten nachvollziehbar zu machen. Wie können also die an der Herstellung des
Finanzmarktwissens beteiligten Medien in ihrer sozialen und kulturellen Kontextabhängigkeit sichtbar ­gemacht werden, welche
die „unsichtbare Hand“ des Marktes ­eigentlich sorgfältig verbergen sollte?
R A M Ó N R E I C H E R T , Dr. phil. habil., 2009-13 Professor für Digitale Medienkultur
am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Seit
2014 ist er Leiter der postgradualen Masterstudiengänge „Data Studies“ und
„Cross Media“ an der Donau-Uni Krems. Er ist Initiator des internationalen Forschernetzwerks „Social Media Studies“ und leitender Herausgeber und Chef­
redakteur der internationalen Fachzeitschrift „Digital Culture & Society“. Er lehrt
und forscht u. a. zu den Schwerpunkten des Medienwandels und der gesellschaftlichen Veränderungen in den Wissensfeldern „Digitale Medienkultur“, „Digital
­Humanities“ und „Social Media Studies“.
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SCHMUTZSPRACHE DES GELDES UND
P S Y C H O A N A LY S E .
Schon in der Antike war die Schmutz-, Dreck- und Kotmetaphorik
des Geldes bekannt und gebräuchlich. Es war diese Schmutzsprache des Geldes, die vor über 100 Jahren Freud zu Deutungs- und
Erklärungsversuchen veranlasst hat. Seine Gedanken zum Geld
wurden von seinen Schülern weiterentwickelt und später mit dem
Etikett „psychoanalytische Geldtheorie“ versehen. Möglicherweise ist sie über Keynes geschichtsmächtig geworden. Abschließend wird die Aktualität dieser Theorie und die Frage, ob sie etwas
zur Lösung des Geldrätsels beitragen kann, diskutiert.
W O L F G A N G H A R S C H ,Dr. med., war Nervenfacharzt und arbeitete als Psychoanalytiker in eigener Praxis. Er publiziert seit 1985 zum Thema „Psychoanalyse
und Geld“ und lebt in Berlin. Er ist der Autor von „Der Midaskomplex: zur unbewussten Bedeutung von Gold, Geld und Kapital“ (Gießen: Psychosozial-Verlag 2012)
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A L I E N AT I O N. D E R P R E I S D E S L E B E N D E N
GELDES.
Geld verschwindet aus der Wahrnehmung. Nicht in dem Sinne,
dass wir keine Geldscheine und Münzen mehr verwenden, sondern
im Sinne einer Auflösung, die technologisch und semantisch neue
Grundlagen schafft. Insbesondere in den verschachtelten Oberflächen der Derivate wird der Anspruch des Wertes und seiner vielstimmigen Beziehungen und Narrative rekonfiguriert. In der Informationsgesellschaft werden Wissen und Beziehungen derivativ
strukturiert, wird Risiko zum Produktionsmittel gesellschaftlicher
Realität. Wenn wir also in einer „derivativen Kondition” der Gesellschaft leben, benötigen wir dann nicht eine konkrete Vorstellung,
die das „Ungewisse“ gegenüber dem „Risiko“ (in der durch Frank H.
Knight getroffenen Unterscheidung) aufwertet? Der Vortrag geht
der Frage nach, ob wir ein technopolitisches Design benötigen, in
dem Kontingenz das Paradigma der Wahrscheinlichkeit ersetzt
und welche Konsequenzen dies haben könnte.
GERALD NESTLER ist Künstler und Autor. Außerdem kuratiert er Ausstellungen und
Journale. Er beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit Modellen, Praktiken und
Fiktionen der Finanzmärkte und ihrer Rolle in der Erzeugung gesellschaftlicher
­Realität. In seiner Arbeit verbinden sich Theorie und Text mit Performance, Installation, Video und Sprache. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit ist er Herausgeber
von zahlreichen Publikationen und PhD Candiate am Centre for Research Architecture, Department of Visual Cultures, Goldsmiths, University of London.
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G E L D, S C H U L D E N U N D S O U V E R Ä N I TÄT I N
D E R E U R O -Z O N E .
Mit der Einführung des Euro schien die Europäische Union ihren
bisherigen Weg, Gebiete nationaler Souveränität Stück für Stück
auf die supranationale Ebene zu verlagern, konsequent fortzuführen. Spätestens in dem Moment, da die globale Finanzkrise in der
Euro-Zone die Gestalt einer Staatsschuldenkrise annahm, zeigte
sich indes, dass der gemeinsamen Währung ein bis dato für selbstverständlich gehaltenes Gegenstück fehlte: nämlich eine genuin
europäische Form von „Staatsschulden“, heutzutage kontrovers
unter der Bezeichnung „Eurobonds“ diskutiert. Das Prinzip nationaler Souveränität war damit wieder auf der Tagesordnung, allerdings in einer sehr widersprüchlichen Weise. Denn „souverän“ waren praktisch nur noch die Schulden der betroffenen Länder,
während letztere sich in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik,
ja selbst in der Regierungsbildung den Forderungen der Gläubigerstaaten beugen mussten. So kam es, dass in der Euro-Zone vom
Prinzip nationaler Souveränität nur die nationalen Schulden übrig
blieben. Souveränität, einst stolze Behauptung des Autarkieanspruchs der Nationalstaaten, mutierte zu Subordination. Der Vortrag fokussiert auf die historischen Hintergründe der Amalgamierung von Staatsschulden und politischer Souveränität und wirft
aus dieser Perspektive einen Blick auf die politisch-ökonomischen,
gesellschaftlichen und kulturellen Ermöglichungsbedingungen
und Konsequenzen der gegenwärtigen Staatsschuldenkrisen in
der EU.
A N D R E A S L A N G E N O H L , Dr., ist Professor für Soziologie mit dem Schwerpunkt
Allgemeiner Gesellschaftsvergleich an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Daneben Lehrtätigkeiten an den Universitäten Zürich, Gent, Luzern sowie in Moskau.
Arbeitsschwerpunkte: Sozial- und Kulturtheorie; Epistemologie der Sozial- und
Wirtschaftswissenschaften; Finanz- und Wirtschaftssoziologie; Transnationalität.
Er leitet in Gießen derzeit zwei Forschungsprojekte, von denen sich eines mit den
Folgen der Schuldenkrise in Europa für Verständnisse politischer Sicherheit und
Souveränität befasst, während das andere eine Wissenschaftssoziologie der neoklassischen Wirtschaftstheorie zum Ziel hat.
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DIE SPRACHE DES GELDES IN DER
F I N A N Z W E LT U N D D E N M E D I E N :
Z W I S C H E N K R E AT I V I TÄT U N D
M A N I P U L AT I O N.
Für die Banken- und Finanzwelt ist es oft eine Herausforderung,
die passenden Formulierungen zu finden, um die komplexen Ereignisse rund ums Geld zu schildern. Die blumige Sprache der Finanzen ist ein eigener Code, der gelernt und verstanden werden muss,
vom Sprecher wie vom Hörer. Was bedeutet, eine Bank ist „in
Schieflage geraten“? Welche Änderungen sind mit „Regulierungsflut“ gemeint, und trägt die „Stabilitätsabgabe“ tatsächlich zur
Stabilität bei? Warum nützt ein „schwacher Euro“, und warum
schadet eine „Francogeddon“ der europäischen Wirtschaft – und
warum ist eine „harte Landung Chinas“ auch für uns relevant? Der
Vortrag von Peter Harold führt durch die sprachliche Gratwan­
derung und zeigt, worüber wir (auch) reden, wenn wir (vermeintlich) über „das Geld“ reden.
P E T E R H A R O L D , Dr., ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der HYPO NOE Gruppe,
zu welcher unter anderem die HYPO NOE Landesbank gehört. Er blickt auf über 30
Jahre Erfahrung im Bankwesen und auf zahlreiche Führungspositionen zurück –
unter anderem bei der Creditanstalt, Bank Austria/Unicredit sowie mehreren ausländischen Banken. Darüber hinaus ist Harold in Aufsichtsgremien wichtiger niederösterreichischen Organisationen aktiv, u. a. in der NÖ Kulturwirtschaft GmbH,
NÖ Vorsorgekasse AG und im Verband der Österreichischen Landes-Hypothekenbanken. Außerdem ist Harold Präsident des Fußballclubs SKN St. Pölten.
Konzeption: Dr. Sergius Kodera
BEGINN:
JEWEILS
18 UHR
O R T: N EW DES I G N U N I V ER S I T Y
ZENTRUM FÜR TECHNOLOGIE
UND DESIGN
AUDITORIUM, 1. STOCK
MARIAZELLER STRASSE 97A
3 1 0 0 S T. P Ö LT E N
EINTRITT
FREI!
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In Kooperation mit
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der Wirtschaftskammer NÖ und ihres WIFI
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