Gle 180 Wiederholen

Aufruf zur Mitarbeit
Heftherausgeber:
Jutta Berger/Christian Schmidtmann
Wiederholen
Wer kennt sie nicht, die für Lehrkräfte und
Lernende unangenehme Situation, die mit
dem verzweifelten Statement eröffnet wird:
„... aber das haben wir doch alles besprochen.“ Wie kann das sein? Haben alle alles
vergessen? War der Unterricht so wenig einprägsam? Langweilig? Niveaulos?
Die Erfahrung zeigt, dass gerade das im
Geschichtsunterricht Erarbeitete, auch wenn
der Unterricht noch so schüler- und handlungsorientiert angelegt war, den Schülerinnen und Schülern nicht nachhaltig in Erinne­
rung bleibt. Warum sind Lernende willens
und in der Lage, sich naturwissenschaftliche
Formeln, Vokabeln oder Internetadressen
langfristig einzuprägen, während ihnen im
Geschichtsunterricht erarbeitete historische
Fachbegriffe, Methoden, Daten und Strukturen schon nach kurzer Zeit nicht mehr zur
Verfügung stehen?
Einige fachspezifische Besonderheiten
dürf­ten zu diesem Befund beitragen: „Geschichte gehört zu jenen Wissensgebieten­,
die auch von der Lernpsychologie als
komplex­und wenig strukturiert beschrieben­
würden.“ (Günther-Arndt 2003, S. 26) Die
Gegen­stände sind immer ähnlich komplex,
ob es sich um das römische Kaiserreich
oder die französische Revolution handelt­.
Den Inhal­ten­­­ fehlt eine Sachlogik, wenig
folgt in strenger­ Kausalität aus Vorhergehendem bzw. baut ableitbar auf Vorherigem
auf. Hinzu­kommt, dass historisches Wissen­
meist fragmen­tarisch und mehrdeutig ist.
Vielfältige­Einzelfaktoren behindern nicht nur
das Lernen, sondern auch das Behalten von
Geschichte.
Phasen der Wiederholung, Übung, Re­
organisation und Festigung des Gelernten
sind im idealtypischen Phasierungsmodell
des (problemorientierten) Geschichts­unter­
richts­ nicht vorgesehen. Jede Lerneinheit
wird weitgehend als in sich geschlossenes
System konzipiert, das „Neues“ hervorbringt
und „Altes“ zur Erzielung von Lernfortschritt
als fraglos gegeben voraussetzt. Möglicherweise sank auch mit der Neuorientierung
vom Pauk- zum Denkfach der Stellenwert
reiner Behaltensleistungen, ohne dass dies
in gleichem Maße von der Einführung sinnstiftender und denkerisch anspruchsvoller
Wieder­holungsformen kompensiert wurde.
Angesichts des weit verbreiteten Lamentos
um die „Stofffülle“ im schulischen Kontext
verzichten viele Lehrende und Lernende notgedrungen auf Zeiten der Übung und Anwendung.
Wiederholungsphasen sind jedoch
nicht einfach retardierend, sondern eine
lernpsycho­logische Notwendigkeit. Zudem
hat Kompetenzerwerb, der auf Dauer angelegt ist, mit Wiederholen und Üben zu tun.
Nur was oft erinnert wurde, bleibt im Gedächtnis. Diese Erkenntnis ist alles andere­
als neu. Deshalb sind Wiederholungen,
Übungen und Fes­tigungen als Voraussetzun­
gen für nachhaltigen Lernerfolg ernst zu nehmen. Dennoch gibt es kaum fachspezifische
Publikationen, Handreichungen, Materialien
oder Begriffsklärungen zu diesem Thema.
In den einschlägigen Handbüchern wird es
nicht thematisiert.
Dieses Heft soll daher das Wiederholen
im Geschichtsunterricht thematisieren. Histo­
rische Kenntnisse und Fähigkeiten sollen, so
die Zielsetzung, abrufbar gehalten werden­,
um eine erneute und auf Dauer verlässliche­
Anwendung zu ermöglichen. Schülerinnen
und Schüler sollen in der Lage sein, ihre­
Kenntnisse langfristig in schulischen und
außer­schulischen Zusammenhängen aktiv
zur historischen Orientierung zu nutzen. Ein
reflektiertes Geschichtsbewusstsein fußt auf
verfügbarem Sachwissen.
Die Beiträge sollen einen Überblick über
unterschiedliche Möglichkeiten des Wiederholens geben. Auf ca. 2 bis 3 Seiten soll jeweils ein Aspekt des Wiederholens in den
Mittelpunkt gestellt werden. Geht es in erster­
Linie um
• Memorieren, das heißt Techniken der Aneignung und Speicherung historischen
Wissens?
• Repetieren, das heißt Formen der
Wieder­gabe erarbeiteten Wissens?
• Reorganisieren, das heißt die Nutzung
historischen Wissens zur Etablierung und
Stabilisierung von Vernetzungen zum Vergleich, zur Orientierung, zur Generierung
eines Überblicks und zur Dekons­truktion
historischer Inhalte und Strukturen?
Beiträge können sich an erprobten Wiederholungsmethoden orientieren, beispielsweise an
• Lernbrücken wie „753 – Rom kroch aus
dem Ei“
• Karteien wie Zettelabfragen, Merkzettel,
his­to­rische Vokabellisten, A-Z-Begriffslisten
• Quizformaten wie Wer wird Millionär?,
Der große Preis, Jeopardy, Akinator,
Kreuzworträtsel, Silbenrätsel, Brettspiele­,
Zuordnungsspiele
• Lückentexten und Fehlertexten
• Verfahren der Umsetzung von Wissen­
in Narration auf der Grundlage ver­
schiede­ner historischer und zeitgenös­
sischer Textgattungen (Tagebuch, Ur­
kunde­, Flug­blatt, Nachruf, Visitenkarte,
Plädoyer­, Zeitungsartikel, Lexikonartikel,
Zeitzeugen­aussage, Brief, Leserbrief,
Dia­log, Spickzettel, Schlagzeile, E-Mail,
SMS, Online-Petition, Konzeption einer
Ausstellung, Beitrag für Jubiläumsschrift,
Reportage, Umfrage, Werbung, Reiseführer, Klausur, Erzählung mit vorgegebenen
Stichworten, Schulbuchtext, weiter-­ und
umgeschriebene Geschichten ...)
• Verfahren der Umsetzung von Wissen
in Visualisierungen (Mindmap, Schaubild, Diagramm, Karte, Zeitleiste, Jahres­
rückblick, Logo, Symbol, Bildcollage,
Plakat­, Karikatur, Lernprogramm, Ausstellung, Comic, Video, CD-Cover, Denkmal, Standbild)
•Verfahren der Dekonstruktion oder
Erläu­te­rung von Geschichtsdarstellungen, die die ausdrückliche Reaktualisierung vorhandener Wissensbestände erfordern (z. B. von Zeugnissen der
Geschichtskultur­wie Denkmälern, Kunstwerken, Spiegel-Titelblättern, aber auch
von Quellen wie Karikaturen ...)
Mehr als willkommen sind innovative Ideen
und Vorschläge, die neue Perspektiven und
Wiederholungsformate eröffnen.
Stets sollte die Übertragbarkeit auf andere historische Inhalte gewährleistet sein.
Wichtig­ist zudem, dass die Beiträge­Möglich­
keiten innerer Differenzierung verdeut­lichen
und gestufte Hilfestellungen bieten, um allen­
Schülerinnen und Schülern Wiederholen
und Üben zu ermöglichen. Das Heft soll eine­
Bandbreite unterschiedlicher Formen und
Medien abbilden. Auch reflektierte Praxis­
berichte sind willkommen.
Literatur
Schlabrendorff, A. von: Wiederholen und Festigen. Ein notwendiger, aber lästiger Motiva­
tionskiller?, in: Praxis Geschichte 1/2015,
S. I – IV.
Kneile-Klenk, K.: Pauken oder Lernen? Abwechslungsreich Wiederholen und Festigen im Geschichtsunterricht, Schwalbach/
Ts. 2008.
Wenzel, B.: Kreative und innovative Methoden. Geschichtsunterricht einmal anders,
Schwalbach/Ts. 2010.
Krapp, A./Weidemann, B. (Hg.): Pädagogische
Psychologie. Ein Lehrbuch, Weinheim
52006.
Günther Arndt, H.: Historisches Lernen und Wissenserwerb, in: dies. (Hg.): Geschichtsdidaktik, Berlin 2003, S. 23 – 47.
Reeken, D. v.: Verlaufsformen, in: GüntherArndt, H. (Hg.): Geschichtsmethodik, Berlin
2007, S. 260 – 272, S. 270 f.
Sauer, M.: Vom Lern- zum Denkfach. Historisches Wissen strukturieren statt Daten
pauken, in: Friedrich Jahresheft 2000, S.
88 – 90.
Interessentinnen und Interessenten
wenden­sich bitte an die Redaktion:
Friedrich Verlag GmbH,
Redaktion Geschichte lernen,
Dr. Vanessa Ther,
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