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Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
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30.11.2015
Von: Sarah Heidel
Interview
"Die Spaltung der Gesellschaft nicht weiter vorantreiben"
Warum berufen sich Terroristen immer wieder auf den Islam? Und was kann die Politik tun, um junge
Menschen an einer Radikalisierung zu hindern? Wir haben Samir Bouaissa, Vorsitzender des Zentralrats der
Muslime in Deutschland Landesverband NRW, gefragt.
Foto: Privat
Samir Bouaissa, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in
Deutschland Landesverband NRW
Die Anschläge in Paris haben die Welt erschüttert. Auf Twitter distanzieren sich Muslime weltweit
unter dem Hashtag „NotInMyName“ (übersetzt: „Nicht in meinem Namen). Warum ist das überhaupt
nötig?
Die von vielen Politikern immer wieder geforderten Distanzierungen implizieren eine pauschale Schuld aller
Muslime an den terroristischen Machenschaften einer verbrecherischen Minderheit, welche ihren Glauben für
Verbrechen gegen die Menschheit missbrauchen. Deshalb frage ich mich, wie kann man sich von etwas
distanzieren, was man von ganzem Herzen verabscheut und ablehnt. Von Verbrechen die unser
Zusammenleben und alle Menschen treffen sollen. Gerade da die meisten Opfer dieser Verbrecher Muslime
sind.
Doch wir Muslime können und müssen Stellung beziehen. Wir dürfen die Deutungshoheit über unsere
Religion, ja wir dürfen unseren Glauben diesen Verbrechern nicht kampflos überlassen. Und gerade die
genanten Aussagen, die unter dem Hashtag „NotInMyName“ veröffentlicht werden, sind keine
Distanzierung, sondern ein klares, lautes und deutliches Statement von Muslimen auf der ganzen Welt.
Gerichtet an die, die unseren Glauben für ihre politischen Zwecke missbrauchen. Die Muslime schreien ihnen
entgegen „ihr handelt nicht in meinem Namen“ und auch „nicht im Namen meines Glaubens“.
Warum berufen sich Terroristen immer wieder auf
den Islam?
Terroristen berufen sich auf den Islam, weil sie mit ihrer schwarz -weiß Auslegung polarisieren. Sie schaffen
auf beiden Seiten der Gesellschaft ein „Wir" und "Die“. Die meisten jungen Menschen, die sich in Europa
auf diese Ideologie einlassen, sind nicht in Moscheen sozialisiert und wirklich am Glauben interessiert,
sondern haben oft persönliche Probleme und nicht selten Ablehnungserfahrungen in der Gesellschaft
gemacht. Es sind Jugendliche, die in der Sinnkriese stecken und auf der Suche nach Zugehörigkeit oder
Identität sind. Sie werden mit einfachen Lösungen, der einzigen Wahrheit und einer großen und auserwählten
Gemeinschaft geködert. Eine Aspekt ist natürlich auch die Rolle des Westens in der Muslimischen Welt.
Kreuzfahrer, Kolonialherrschaft bis hin zu Krieg und Besatzung in der heutigen Zeit haben tiefe Gräben
hinterlassen, die von den Radikalen instrumentalisiert werden.
Was muss die Politik tun, um junge Menschen an
einer Radikalisierung zu hindern?
Sie darf den Radikalen nicht auf den Leim gehen und die Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorantreiben.
Es muss eine differenzierte Betrachtung des Gesamten erfolgen. Ein wichtiger Aspekt ist, dass diese radikale
Auslegung des Islam nur durch den Islam effektiv bekämpft werden kann. Man muss die Moscheen und
Imame, die in ihrer überwältigenden Mehrheit für den sogenannten mittleren Weg stehen, mehr einbinden
und stärken. Die Gleichberechtigung aller Bürger muss unbedingt eingefordert und umgesetzt werden. Es
kann und darf nicht sein, dass qualifizierte Menschen nur aufgrund ihres Namens, ihres Aussehens oder ihres
Glaubens große Probleme bei der Jobsuche oder wie Studien belegen in der Bewertung ihrer schulischen
Leistungen benachteiligt werden. Gerade diese negativen Erfahrungen behindern die erfolgreiche Integration
in die Gesellschaft, die bedingungslose Identifikation mit dieser und den Zusammenhalt.
Welche Rolle können dabei Muslimverbände und
Moschee-Vereine spielen?
Moscheegemeinden, ihre Imame und Ihre Verbände können einen sehr wichtigen Beitrag leisten. Sie müssen
gemeinsam mit Politik, Verwaltung und Gesellschaft die Jugendarbeit intensivieren. Um so Jugendliche zu
erreichen, die normalerweise nicht in die Moschee kommen, um ihren Wissensbedarf über den Islam zu
befriedigen, sondern dies im Internet oder bei dubiosen Predigern tun. Dazu gehören Vorträge, Predigten,
Publikationen und vieles mehr. Wir als Zentralrat der Muslime tun schon viel und erarbeite gerade weitere
Programme und Konzepte.
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