PDF-Download - Katholische Kirche beim hr

Prof. Dr. Markus Tomberg, Fulda
Zuspruch aktuell am 16.04.2016
Böhmermann. Inzwischen dürfte der ZDF-Moderator durch sein Erdoğan-Gedicht einen weit größeren Bekanntheitsgrad erreicht haben als durch die Zuerkennung des
Grimme-Preises. Prof. Markus Tomberg aus Fulda ist das einen Zuspruch wert.
Was als mehr oder weniger gut gemachte Satire begonnen hat: in dieser Woche hat
sich die Affäre um Jan Böhmermann und seinen Text über den türkischen Präsidenten Erdoğan zu einer Art Realsatire entwickelt. Da war etwas über anachronistische,
aus der Zeit gefallene Paragraphen zur Majestätsbeleidigung im deutschen Strafgesetzbuch zu erfahren, über fiktive Interviews, die einen ganz eigenen Wahrheitswert
haben, über eine Staatsaffäre, die eine nächtliche Fernsehsendung in einem Spartenkanal verursacht hat. Ganz nebenbei habe ich neue Wörter kennengelernt, die ich
hier lieber nicht wiederhole – für den inkriminierten Text war diese Woche die beste
Werbung, die man sich denken kann. Als Text- oder Videoversion ist er mit wenig
Aufwand für jeden zu finden, der es möchte – nur nicht bei besagtem Spartenkanal.
Der scheint sich zu schämen.
Ungeheuer wirkungsvoll war dieser Text, eine Satire, ein Spott- oder sogar ein
Schmähgedicht, wer will das entscheiden – und man kann viel an ihm lernen. Nicht
nur über neue Wörter, die man vielleicht besser doch nicht ausspricht. Sondern auch
über die Macht der Sprache.
Es braucht nicht viel, um einen Menschen aufs Blut zu reizen oder auch in den siebten Himmel zu geleiten. Ein paar Worte, etwas in Schwingung gebrachte Luft genügt
- für eine Liebes- wie für eine Kriegserklärung. „Besser ein Messer als ein Wort“,
schrieb die Dichterin Hilde Domin einmal. Ein Messer kann das Herz verfehlen. Doch
was einmal gesagt ist, bleibt – und schlägt im schlimmsten Fall nie verheilende Wunden.
Auch die Bibel weiß um die alles bestimmende Macht des Wortes. Gott sprach, so
beginnt sie, und was er sagt, wird Wirklichkeit. Gottes Wort wird Fleisch, so fährt sie
fort, und spricht von Jesus Christus. Und sie ist sich sicher: dieses Wort schlägt keine
Wunden. Dieses Wort trägt sie.
Das ist keine Satire. Kein Schmähgedicht. Das darf man sagen. Dafür muss man
sich nicht einmal schämen.
Zum Nachhören als Podcast:
http://www.hr-online.de/website/radio/hr1/index.jsp?rubrik=19034