Rechtsanwälte protestieren gegen weitere Asylrechtsverschärfung Nur wenige Wochen nach der letzten Gesetzesverschärfung will die große Koalition erneut das Asylrecht zu Lasten der Schutzsuchenden ändern. Hinter dem wohlklingenden Titel Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz verbirgt sich eine untragbare Verschärfung des Asylrechts. Rechtsstaatliche Mindeststandards werden dabei über Bord geworfen; medizinische Notwendigkeiten werden ignoriert. Beide fallen aktionistischem und politisch fragwürdigem Regierungshandeln zum Opfer. Eine Beschleunigung der Dauer der Asylverfahren ist begrüßenswert. Dies darf aber nicht zu Lasten der Asylsuchenden gehen. Eine Schleifung bedeutender Verfahrens- und Grundrechte ist dafür nicht notwendig. Wir protestieren bei der SPD, die als Teil der großen Koalition mitverantwortlich ist für den neuerlichen Angriff auf das Asylgrundrecht und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die geplante Neuregelung zu gesundheitlichen Abschiebehindernissen ermöglichen es, auch lebensbedrohlich erkrankte Personen abzuschieben, wenn die Krankheit schon vor Einreise bestand, oder eine medizinische Versorgung im Herkunftsland theoretisch möglich ist - ohne Einzelfallprüfung! Bei traumatisierten Geflüchteten soll entgegen jeglicher medizinischer Expertise eine rein medikamentöse Behandlung ausreichend sein. Dr. Muntz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer dazu: „Ohne Psychotherapie ist ein schweres Trauma nicht wirksam zu behandeln. PTBS-Kranke erhalten in Einzelfällen Beruhigungstabletten, um überhaupt wieder schlafen zu können. Die Verordnung von Beruhigungsmitteln und Psychopharmaka ersetzen aber keine Psychotherapie.“ Besonders zynisch ist es, wenn gesundheitliche Gefahren oder Suizidgefahr bei einer Abschiebung nicht mehr berücksichtigt werden dürfen, weil ein Attest nicht rechtzeitig vorgelegt wurde oder ein vorgelegtes Attest gesetzlich bestimmten Anforderungen nicht genügt. Es soll nicht einmal möglich sein, ein erstes Attest durch ein ausführlicheres zweites Attest nachzubessern. Diese Bestimmungen können Menschen in den Tod treiben. Die Berücksichtigung von krankheitsbedingten Gefahren und der Gefahr eines Suizides folgt unmittelbar aus dem Schutz von Leib und Leben nach Art. 2 Abs. 2 GG, wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach entschieden hat. Dies darf durch Verfahrensregeln nicht unterlaufen werden. Für die neu eingeführten "beschleunigten Verfahren" ist eine Prüfungs-, Rechtsmittel- und gerichtliche Entscheidungsfrist von jeweils einer Woche vorgesehen. Schon dadurch gerät die Chance, innerhalb der jeweiligen Fristen eine sachkundige Rechtsberatung zu erhalten, nurmehr zur Theorie. Noch mehr verschärft wird dieses Problem, wenn eine Vielzahl Schutzsuchender in sog. besonderen Aufnahmeeinrichtungen interniert wird. Der Unterschied zwischen 'Recht haben' und 'Recht bekommen' leuchtet jeder/m ein. Gerade im Bereich des Migrations- und Asylrechts haben wir es mit Mandant*innen zu tun, deren Möglichkeiten des Rechtschutzes ohnehin erschwert sind - durch mangelnde Sprache, Wissen oder Geld. Die geplante Beschneidung des Asylrechts ist geeignet, bereits den Zugang zu unseren Mandanten oder andersherum, den Zugang der Asylbewerber*innen zu Anwälte*innen in vielen Fällen nur noch zur abstrakten Möglichkeit zu schrumpfen. In unserer Sprache: die verfassungsrechtliche Garantie des effektiven Rechtsschutzes ist nicht gewährleistet. Die wiederum ist grundlegendes Merkmal eines Rechtsstaats. Nicht nur rechtsstaatliche Grundsätze und Asylgrundrechte werden mit Füßen getreten: Auch das Grundrecht auf Schutz der Familie aus Art. 6 GG wird ausgehöhlt. Den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre auszusetzen, entbehrt jeglichem Sachgrund. Menschen, die anerkannterweise wegen Lebensgefahr nicht in ihre Heimat zurückkönnen, wird die Vereinigung mit ihrer Kernfamilie verweigert. Als Anwälte sollen wir unabhängiges Organ der Rechtspflege sein - normalerweise im Gerichtssaal oder vom Schreibtisch aus. Doch außerordentliche Sachverhalte erfordern außerordentliche Maßnahmen. Und daher gehen wir am 18.12.2015 auf die Straße. Weil wir unseren Beruf ernst nehmen – wir streiten nicht nur für die Rechte jeder einzelnen Mandant*in, sondern auch gegen die Erosion des demokratischen und sozialen Rechtsstaats. Wir fordern : - Sofortiger Stopp der Asylrechtsverschärfung! - Ein- und Beibehaltung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze für ALLE! - Wir stellen uns gegen ein Auseinanderdividieren verschiedener Flüchtlingsgruppen.
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