Ärztliches Attest im Asylverfahren: Montgomery

Nachrichten
KV-Blatt 08.2016
Ärztliches Attest im Asylverfahren
Montgomery: Mediziner erstellen
keine Gefälligkeitsgutachten
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat sich missmutig über
die in seinen Augen hohe Quote reise­
unfähiger abgelehnter Asylbewerber
geäußert. Den untersuchenden Ärzten
unterstellte er Gefälligkeitsgutachten
zugunsten der Ausreisepflichtigen.
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In einem Zeitungsinterview hatte de
Maizière gesagt, es würden „immer
noch zu viele“ Atteste von Ärzten aus­
gestellt, die die Reisefähigkeit abgelehn­
ter Asylbewerber zu untersuchen hät­
ten. Es könne nicht sein, „dass 70 %
der Männer unter 40 Jahren vor einer
Abschiebung für krank und nicht trans­
portfähig erklärt werden“. In einer
Aktuellen Stunde des Deutschen Bun­
destages zu „medizinischen Abschiebe­
hindernissen“ präzisierte de Maizière
seinen Unmut über die gegenwärtige
Praxis mit aktuellen Zahlen: „Ende Mai
diesen Jahres hielten sich in Deutsch­
land über 220.000 vollziehbar Ausrei­
sepflichtige auf, davon etwa 52.000
sogar ohne Duldung. Dieser hohen
Zahl stehen zum gleichen Zeitpunkt nur
knapp 11.300 Abschiebungen in den
ersten fünf Monaten des Jahres gegen­
über.“ Der Präsident der Bundesärzte­
kammer (BÄK), Prof. Dr. Frank Ulrich
­Montgomery, verwahrte sich gegen die
ministeriellen Anwürfe: „Ärztliche Gut­
achter in Abschiebeverfahren geraten
Innovativ.
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immer wieder zwischen die Fronten. Mal
wird ihnen vorgeworfen, sie erstellten
Gefälligkeitsgutachten im Sinne der Asyl­
bewerber, dann heißt es wieder, sie seien
Erfüllungsgehilfen staatlicher Stellen.
Solche Unterstellungen – egal aus wel­
cher Richtung sie kommen – entbehren
jeder Grundlage und bringen uns nicht
weiter.“ Weiter sprach Montgomery von
der Notwendigkeit resp. Selbstverständ­
lichkeit, jeden einzelnen Fall sachlich und
ausschließlich anhand medizinischer Kri­
terien zu beurteilen; zu einer gründlichen
Diagnose körperlicher und seelischer
Krankheiten sei ausreichend Zeit für die
Untersuchung ebenso unabdingbar wie
die Kooperation mit ausgebildeten Dol­
metschern.
Die Ärztekammer Westfalen-Lippe hat
im Herbst letzten Jahres eine Broschüre
zum ärztlichen Attest im Asylverfahren
herausgegeben, die behördlich beauf­
tragten oder initiativ angefragten Ärz­
tinnen und Ärzten eine pragmatische
Hilfe bei der Beurteilung der Reisefähig­
keit abgelehnter Asylbewerber geben
will. Über „zielstaatsbezogene Vollstre­
ckungshindernisse“ einer geplanten
Abschiebung (drohende Gefahr für Leib
und Leben) entscheidet allein das Bun­
desamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF), zu „inlandsbezogenen Vollstre­
ckungshindernissen“ (sich höchstwahr­
scheinlich verschlechternder Gesund­
heitszustand im Reisefall) nehmen
niedergelassene Ärzte mit einem Attest
Stellung. Ein Attest auf Initiative des
Patienten ist diesem nach GOÄ in Rech­
nung zu stellen, die Behörden tragen
lediglich die Kosten für in Auftrag gege­
bene amtsärztliche Untersuchungen.
Die zitierte Broschüre, die neben abzu­
fragenden Kriterien (Krankheiten gemäß
ICD-10, Medikation, Pflegebedürftigkeit,
Suizidalität) auch eine Musterbescheini­
gung enthält, ist im Netz zu finden unter
www.aekwl.de/fileadmin/allgemein/doc/
Fl%C3%BCchtlinge/Brosch%C3%BCre_
Das_%C3%A4rztliche_Attest_Bedeutung_­
und_Anforderung_im_Asylverfahren_
A5.pdf
bäk/bmi/red
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