Bericht der 24. Fachkonferenz des Konvents der Seelsorgerinnen und Seelsorger in Kinderkliniken und auf Kinderstationen im Bereich der EKD in Neudietendorf Reinhard Buyer Zusammenfassung: Schuld und Schuldgefühle waren das Thema der EKD-Jahrestagung der Kinderkrankenhausseelsorge. Interessante neue Aspekte wurden entdeckt und Perspektiven der Vergebung erkundet. Abstract: Guild and sense of guilt were the Subject of the EKD-Summit of Pastoral Care in childrens hospitals. New interesting Aspects were discovered and perspectives of forgiveness were explored. Wenn sich einmal im Jahr die Seelsorgerinnen und Seelsorger in Kinderkliniken im Bereich der EKD treffen, dann stehen die Besonderheiten der Seelsorge mit kranken Kindern im Focus. „Schuld und Schuldgefühle“ stand auf der Tagesordnung für die 21 Teilnehmenden vom 23. bis 27. Januar 2012. Welche Bedeutung hat dieses Thema für die praktische Arbeit der Kinderklinikseelsorge? Um es vorweg zu nehmen: Mit den verschiedenen Beiträgen der Tagung wurde ein „Gelände“ ausgeleuchtet, in dem wir Zeugen wurden von der Entstehung, den Auswirkungen und dem unterschiedlichen Umgang mit Schuld und Schuldgefühlen. Es ist so, dass ich plötzlich Zusammenhänge wahrnehme, die vorher im Dunkel oder im Hintergrund waren, die dann aber schlüssig, stimmig und erhellend wirken. Ich treffe Altbekanntes in einer neuen Perspektive. Und ich treffe mich selbst. Zum Einstieg hatten wir die Perspektive der Kinder gewählt. Was denken Kinder über Krankheit, Schuld und Tod? Und wie erfahren wir, was Kinder denken? Der Ansatz der Kindertheologie (Kindertheologische Forschung seit 2002) kommt der Haltung in der Kinderkrankenhausseelsorge sehr nahe, nämlich die achtsame Haltung, welche die Gedanken und Gefühle der Kinder ernst nimmt und als eigene intellektuelle Leistung respektiert, anerkennt und weiterdenkt. So z. B. ein fünfjähriges Mädchen: „In meinen Gedanken und in meinen Geheimnissen kann ich Gott und die Engel sehen.“ V: „So? Ist Gott ein Mann oder eine Frau?“ M: „Nein, der ist doch kein Mensch. Das kann ich nicht beschreiben, aber fühlen kann ich es. Das Gefühl ist richtig hell und gesund und fröhlich. Es ist Wege zum Menschen, 64. Jg., 588–590, ISSN 0043-2040 © 2012 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen Bericht der 24. Fachkonferenz 589 wunderbar, wenn man es spürt. – Die Erwachsenen können das nicht sehen, die spüren nicht ihre Gedanken. Die spüren auch nicht, dass Kinder viele Geheimnisse entdeckt haben …“ Als Dozentin am PTI der EKM hat uns Pfarrerin Angela Kunze-Beiküfner die Geschichte, die Vorgehensweise und Ansätze der Kindertheologie nahe gebracht. Faszinierend war dabei nicht nur ihr biographischer Hintergrund, sondern die Authentizität ihres Vortrags in Theorie und Praxis, der in einem Interview mit einem zehnjährigen Jungen zum Thema Schuld gipfelte. Ermutigend und spannend ist es Kinder als Ko-Konstrukteure ihrer Lebensdeutung zur Seite zu haben, wobei es sicher hilfreich ist, die Methoden der Gesprächsführung weiter einzuüben. Viele kranke Kinder haben ganz konkrete Vorstellungen über Gott und ihre Welt. Was ihnen fehlt, sind (geschulte) Gesprächspartner. Szenenwechsel. „Wäre ich früher da gewesen, wäre das nicht passiert.“ „Da trifft Sie doch keine Schuld.“ Das ist ein häufiger Dialogausschnitt aus Krankenhausfluren. Chris Paul macht in ihrem Buch „Schuld/Macht/Sinn“ die Unterscheidung von normativen und instrumentellen Schuldvorwürfen. Wobei sich die instrumentellen Schuldvorwürfe als vagabundierend gegen sich selbst und andere richten können. Was aber sind die Bedürfnisse, die hinter diesen Schuldvorwürfen stecken? Machen sie Sinn, wenn es ansonsten an Erklärung, Deutung, Verbindung und Sinn fehlt? Anhand eines Exzerpts (PPP) zu dem Buch diskutierten wir diese Fragen. Was sagt nun die Psychologie zum Thema Schuld und Schuldgefühle? Dazu präsentierte uns unsere Kollegin und Psychologin Dr. Eveline Trowitzsch einen fundierten und ausführlichen Beitrag. Das Interesse der Psychoanalyse liegt dabei nicht an der realen Schuld, sondern an den unterschiedlichen innerpsychischen Vorgängen und Reaktionsweisen. Grundlage vieler Schuldgefühle, ob Basisschuldgefühl, Trennungsschuldgefühl, traumatischem Schuldgefühl oder Schuldgefühl aus Vitalität, liegen in frühkindlichen Prägungen. Und von diesen Vorgängen ist in der Krise des Krankenhausaufenthalts viel zu sehen und zu erleben. Geschwisterproblematik und Bindungsverhalten sind die Stichworte dazu. Der Zuwendung und Begleitung der Seelsorge kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, so Eveline Trowitzsch. Nicht der strafende, sondern der mitgehende Gott soll erfahrbar werden. Eine Erfahrung der besonderen Art war dann auch die Arbeit mit Felicitas Lehmann. Sie ist Dipl. Psychologin, Lehrsupervisorin und systemische Familientherapeutin in Erfurt. Direkt erlebbar wurden mitgebrachte Fälle. Durch das Aufstellen der Konfliktsituationen (Rekonstruktionsarbeit) konnten unterschiedliche Perspektiven eingenommen werden. So ergaben sich z. T. überraschende „Lösungen“ Wege zum Menschen, 64. Jg., 588–590, ISSN 0043-2040 © 2012 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 590 Reinhard Buyer auf dem Hintergrund systemischer Fragestellungen (Wer übernimmt für was Verantwortung? Wird die Ursprungsordnung oder die Systemgrenze verletzt? Ist das Verhältnis von Geben und Nehmen ausgeglichen? …) Eine spannende und hilfreiche Arbeit. Abgeschlossen bzw. eingebettet wurde der thematische Teil mit dem Austausch über die Frage: Welche Räume von Vergebung, Verzeihen, Versöhnen können wir eröffnen? Einen Teil der Konferenz haben wir dann noch für die Planung unserer Jubiläumskonferenz im Februar 2013 in Bethel verwendet. Am Mittwoch, den 20. Februar 2013 wird für eine breite Öffentlichkeit im Haus Nazareth in Bethel mit sehr erfahrenen und spannenden ReferentInnen gefeiert werden. Reinhard Buyer, Klinikum Stuttgart, Klinikseelsorge Olgahospital, Bismarckstraße 8, 70176 Stuttgart; E-Mail: [email protected] Wege zum Menschen, 64. Jg., 588–590, ISSN 0043-2040 © 2012 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
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