05. März 2016 bis 20. März 2016 - pfarrei

Über Gott und die Welt
Selber Schuld! Von Schuld und Schuldgefühlen Teil 2
(Aus dem gleichnamigen Buch von Univ-Doz. Dr. Raphael Bonelli – Leiter der Neuropsychiatrischen
Forschungsgruppe in Wien)
Schuldgefühle sind für das menschliche Zusammenleben notwendig, auch wenn sie unangenehm sind. Da
sind sie dem Schmerz ähnlich: Der Schmerz ist ein gesunder Mechanismus, der den Sinn hat, auf etwas aufmerksam zu machen, was dem Körper schadet. Dieses Warnsignal ermöglicht es, die Aufmerksamkeit auf
den Schadensfall zu lenken und bewusste Heilungsprozesse einzuleiten, Schadensquellen auszuschalten und
dem verletzten Körperteil Schonung zukommen zu lassen. Das gesunde Schuld gefühl ist analog dazu ein
Schmerzempfinden der Seele, das Schaden an-zeigt: eigenen und/oder fremden Schaden.
Der Schmerz ermöglicht ein Hinschauen auf die betroffene Stelle und damit die Einleitung eines
Heilungsprozesses. Analog dazu ermöglicht Entschuldigung gegenüber dem anderen die Heilung der
Beziehungswunde, die durch das Unrecht entstanden ist.
Es gibt manche Menschen, die einen Schmerz empfinden, obwohl kein Schaden da ist. Analog dazu können
auch Menschen unzutreffende Schuld gefühle haben. Krankhafte Schuldgefühle bedürfen einer
psychotherapeu-tischen Therapie und gehören nicht in den Beichtstuhl. Aber es gibt eben auch Personen, die
zu wenig Schmerz empfinden – das ist ein ganz gefähr licher Zustand, weil sie dann den Heilungsprozess
nicht einleiten können. Analog dazu machen generell fehlende Schuldgefühle den Menschen zum Ungeheuer,
wie die Geschichte eindrucksvoll beweist.
Schuldbewusstsein, Schuldgefühle, Gewissensbisse und ein „schlechtes Gewissen“ sind an und für sich
Zeichen für psychische Gesundheit.
Schuldbewusstsein ist ein kreatives Potential: Es für denkbar und möglich zu halten, etwas falsch gemacht zu
haben, öffnet neue Handlungshorizonte, die Chance, sich zu ändern. Fehlendes Schuldbewusstsein dagegen
bedeutet nicht etwa das Fehlen von Schuld, sondern die Verdrängung der Schuld aus dem Bewusstsein, die
jetzt im Unterbewusstsein ein Eigenleben führt. Es ist eine überwältigende Möglichkeit, in der Beichte unsere
Fehler einzugestehen und wieder gut zu machen. Die Schuldannahme bewirkt einen Freiheitsgewinn und
macht durch laufende Kurskorrektur ein geglücktes Leben möglich. Der innere Motor dafür ist die Wende
des Herzen – weg von der Selbstbeweihräucherung hin zum Du, und damit zu einem sinnvollen und
geglückten Leben.