Oft gesagt und dennoch falsch

Editorial
© Foto: Vera Friederich
Oft gesagt und dennoch falsch
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es ist nicht zu übersehen. Der Wahlkampf für die 2017 anstehenden Bundestagswahlen rückt unaufhaltsam näher und damit
auch erneut die Verlautbarung alter SPD-Forderungen nach Abschaffung der Privaten Krankenversicherung zugunsten einer
einheitlichen Bürgerversicherung. Gleichzeitig fordert die SPD
den Stopp der derzeitigen Bemühungen, die amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) endlich systematisch zu erneuern und
die Honorare anzupassen. Wohlgemerkt: die letzte Gesamtrevision der GOÄ erfolgte 1982 (!) und die letzte Teilrevision vor 20
Jahren. Die Forderung nach Abschaffung der Privaten Krankenversicherung ist nicht neu und wird durch ihre Wiederholung
nicht richtiger. Gerade die Koexistenz von Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung und damit der Wettbewerb unterschiedlicher Versicherungssysteme sorgen für ein im internationalen Vergleich hocheffizientes und modernes System der gesundheitlichen Versorgung.
Dies gilt übrigens auch für die Wartezeiten auf einen Termin, ob
in der niedergelassenen Praxis oder im Krankenhaus. Es bleibt
spannend, ob die Terminservicestellen, die nun frisch an den
Start gegangen sind, die Erwartungen, die das Versorgungsstärkungsgesetz mit ihnen verbindet, erfüllen werden, denn wie die
achte Versichertenbefragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zeigte, gaben 92 Prozent der Befragten an, ein gutes bis
sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt haben. Zudem gaben mehr als 60 Prozent an, innerhalb von drei Tagen ein Termin
bei ihrem Wunscharzt zu erhalten. Nur wenige halten die Wartezeit für zu lang. Ein solches Ergebnis kann kaum verbessert werden und zeugt vom ärztlichen Einsatz für Patientinnen und Patienten. Genau dieser Einsatz bedarf jedoch einer angemessenen
Vergütung, die auf einer sowohl inhaltlich aktuellen als auch
preislich angemessenen Gebührenordnung beruht. Forderungen
nach einem Stopp der GOÄ-Anpassung bzw. sogar deren Abschaffung sind eindeutig abzulehnen. Damit ginge die Abschaffung des freien Arztberufs zugunsten einer um sich greifenden
staatlichen Regulierung einher.
Der freie Beruf ist ein hohes Gut und sein Erhalt eine der wichtigsten Aufgaben der Kammern. Denn wofür stehen der freie Beruf und damit die Kammern? Freie Berufe sind gekennzeichnet
durch ihre hohe Professionalität, ihre Verpflichtung gegenüber
dem Gemeinwohl, ihre Eigenverantwortlichkeit, ihre Unabhän-
gigkeit und ihre strenge Selbstkontrolle. Dies gilt es zu wahren
und zu verteidigen. Darin liegt eine der wichtigsten Aufgaben der
Kammern. Selbstredend sind dabei gesetzliche, gesellschaftliche
wie auch ethische Normen und Vorgaben zu berücksichtigen, so
dass auch Angehörige eines freien Berufes nicht losgelöst von
diesen Rahmenbedingungen völlig frei agieren können.
Die Kammern ermöglichen ihren Mitgliedern jedoch, sich selbst
zu verwalten. Der Staat hat ihnen im Sinne des Subsidaritätsprinzips wichtige Aufgaben übertragen und damit auf den Aufbau eigener Regulierungs- und Kontrollapparate verzichtet. Wer könnte die Weiterbildung besser regeln als Ärztinnen und Ärzte
selbst? Wer kann die Pflicht, für Ordnung im Beruf zu sorgen,
besser wahrnehmen als Ärztinnen und Ärzte selbst? Am Rande
sei kurz angemerkt, dass es sicher teurer wäre, wenn staatliche
Behörden diese Aufgaben erledigen müssten. Die dafür zu entrichtenden Gebühren wären mit Sicherheit deutlich höher als
Mitgliedsbeiträge und Gebühren der Ärztekammern. Ganz zu
schweigen davon, dass sonst ein wichtiger Interessensvertreter
aller Ärztinnen und Ärzte nicht mehr vorhanden wäre. Die Kammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts bewahren uns
eine Freiheit im Konsens.
Einmal mehr möchte ich vor innerärztlichen Grabenkämpfen
warnen. Engagierte, inhaltlich gut begründete Diskussionen sind
wertvolle Zeichen eines demokratischen Diskurses, bloße Vermutungen, wie sie sich beispielsweise in ärztlichen Diskussionsforen im Internet finden, sind wenig hilfreich und lassen gelegentlich an Verschwörungstheorien denken. Und sagt der Volksmund
nicht zu Recht: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Gerade die innerärztlichen Debatten um die GOÄ dürfen nicht zu einer Verzögerung der mehr als überfälligen Revision führen. Darüber dürften sich nur die Gegner der Privaten Krankenversicherung freuen.
Ihr
Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach
Präsident
Hessisches Ärzteblatt 2/2016 | 71