Augsburg. Wir sind Friedenstadt Ansprache von Stadtdekanin Susanne Kasch am 12.02.2016 auf dem Augsburger Rathausplatz ________________________________________________ Liebe Augsburgerinnen und Augsburger, was verbindet uns heute Abend hier auf dem Rathausplatz mit unseren Kerzen in der Hand? Ich will erst einmal davon reden, was uns nicht verbindet und worin wir uns unterscheiden: wir glauben verschieden. • Hier sind Juden, Christen, Muslime, Aleviten, Buddhisten und Menschen, die an gar keinen Gott glauben. • Wir sind nicht alle im gleichen Land geboren und haben nicht alle die gleiche Muttersprache. • Wir haben nicht die gleiche politische Überzeugung und wählen nicht alle die gleiche Partei. • Wir sind uns nicht einmal einig, ob die Stadtratssitzung im Goldenen Saal heute wirklich so eine gute Idee war. • Es gibt unter uns hier die, die mit dem Kurs der Bundesregierung in der Flüchtlingssituation einverstanden sind und die, die es ganz und gar nicht sind. Und das ist gut so. Das ist Demokratie. Da müssen wir nicht alle gleicher Meinung sein und da darf und soll gestritten werden. Der Rathausplatz und das Rathaus sind kein heiliger Ort und keine Kirche. Hier ist der öffentliche Raum für politische Auseinandersetzung. Warum also stehen wir heute mit unseren Kerzen hier beieinander, wo wir doch so verschieden sind und sonst auch gerne streiten. Ich stehe heute Abend hier, weil ich finde, wir machen gerade uns selbst kleiner als wir sind und machen dadurch unsere Demokratie kleiner als sie ist. Und das gefällt mir nicht. Ich finde politische Auseinandersetzung notwendig, aber es geht um den Geist, indem wir sie führen. Ich möchte mich in allem Streit bestimmen lassen von einem Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit zu streiten heißt • keine Hassmails verschicken und • Schüsse auf Flüchtlinge nicht zu einem Mittel der Politik erklären Im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit zu streiten heißt • Argumente austauschen, • die Sorgen des anderen ernst nehmen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir können doch was. Wir haben schon so viel zusammen geschafft in unserem Land. Wir werden uns doch gegenseitig nicht die Probleme um die Ohren hauen, sondern wir werden sie miteinander lösen mit Vernunft, mit Beharrlichkeit, mit Ausdauer. Im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit zu streiten heißt • auch zu wissen, dass wir tatsächlich nicht alle Not in der Welt heilen können • und uns doch von der Not unserer Mitmenschen in unserem Handeln bestimmen lassen. • Im anderen den Mitmenschen sehen,Gottes geliebtes Geschöpf wie ich. In seiner Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nach Frieden, nach Glück mir ganz gleich. • Und also nicht neue Mauern und Grenzen und Zäune hochziehen, sondern daran arbeiten, dass Mauern, Zäune und Grenzen überwunden werden, die Menschen gewaltsam trennen. Im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit zu streiten heißt • akzeptieren: es gibt keine schnellen Lösungen und es gibt keine einfachen Antworten auf komplizierte Fragen. • Das einfach auch mal aushalten. Wir sind doch erwachsen und keine kleinen Kinder mehr. Streit ja, aber nicht so, dass wir die Debatten radikalisieren, so radikalisieren, dass aus Worten Taten werden und Flüchtlingsheime brennen. Das macht unsere Demokratie kaputt. Und deswegen: Dank an alle, die dafür arbeiten und alles dafür tun, dass Menschen hier in aller Verschiedenheit zuhause sein können und Flüchtlinge freundlich aufgenommen werden. Danke dafür und Ja zum Streit - aber im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Das täte uns allen gut und unserer Demokratie auch.
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