streit club - Erfolgreich streiten

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BEZIEHUNGSKNATSCH: ZANKEN – ABER RICHTIG!
STREIT CLUB
Autor: DANNY BELLENS
Fotos: DR. KARL WERNER EHRHARDT ,
© BERND LEITNER, DAN RACE - FOTOLIA.COM
Niemand verliert ein einziges Sterbenswörtchen über den Streit Club. Wenn
jemand Stopp ruft oder schlappmacht ist
der Streit vorbei. Es streiten jeweils nur
zwei. Nur ein Streit auf einmal. Der Streit
dauert genau solange wie er dauern muss.
Und wie schon gesagt: Niemand verliert
ein einziges Sterbenswörtchen über den
Streit Club. Fertig – mehr Regeln gibt’s
nicht! Interesse an einer Mitgliedschaft?
Was soll das heißen – nein? Kommen Sie
uns nicht so daher! Oder suchen Sie gar
Streit? Vorsicht: Wissen wir doch, wie wir
selbigen erfolgreich bestreiten.
Schließlich haben wir es gelesen:
„Erfolgreich streiten“, das Nachschlagewerk für alle Kampfhähne (und solche, die
es werden wollen), die Bibel für gepflegte
Streitkultur.
Auch bekannt als das Evangelium
nach Werner. Ehrhardt. Mentalcoach.
Sozialpsychologe. Buchautor. Amen ...
„Hinter angeblicher Harmoniesucht
versteckt sich in den meisten Fällen
mangelnde Kritikfähigkeit am eigenen Ich,
was bei Konflikten dann oft dazu führt,
dass das Gegenüber auf Grund der
Passivität des anderen in Rage gerät,
Gift und Galle spuckt, beleidigt, verletzt.“
Werner Ehrhardt
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V
on wegen Amen! Was soll das überhaupt, ein Ratgeber
zum korrekten sich gegenseitig an die Gurgel gehen?
Als gläubige Menschen (hier bitte in kollektives
Gelächter ausbrechen; dankeschön) lehnen wir von
emotionaler Niederträchtigkeit inspirierte Konfrontationen
doch ab. Und taumeln wir dennoch per Zufall in ‘nen
verbalen Fight rein, halten wir selbstverständlich auch die
andere Backe hin. So wie’s uns der von Kreuzschmerzen
geplagte INRI-Knabe lehrte! Wir sind harmoniesüchtig –
und haben uns alle lieb!
Ein Mythos – wie Ehrhardt bestätigt. „Das ist der allergrößte
und bitte so schnell als möglich zu beerdigende Irrtum.
Versteckt sich hinter angeblicher Harmoniesucht doch in den
meisten Fällen mangelnde Kritikfähigkeit am eigenen Ich,
was bei Konflikten dann oft dazu führt, dass das Gegenüber
auf Grund der Passivität des anderen in Rage gerät, Gift und
Galle spuckt, beleidigt, verletzt. Die Folge: Das Ding kann
nicht mehr angesprochen werden, gilt fortan als Tabuthema.
Zudem speichert das Unterbewusstsein des Aggressors, dass
ihm das niemals wieder passieren dürfe, dass aufkommende
Wut künftig zu unterdrücken sei, er stattdessen versuchen
solle, den Partner nett zu behandeln, ihm entgegenzukommen.
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Wo das hinführt, wissen wir: Nicht umsonst sind allein in
Deutschland unglaubliche 71 Prozent aggressiv gehemmt.“
Logisch, irgendwo müssen die emotionalen Krüppel,
die einem tagtäglich vor die Schnauze laufen, ihre
Vernarbungen ja herhaben. Dabei weiß doch jedes Kind, dass
sowohl Freundschaft als auch Beziehung einen Härtetest zu
überstehen haben, um als solche überhaupt mal bezeichnet
werden zu dürfen: den ersten handfesten Streit.
Ehrhardt: „Eine Binsenweisheit, die gerne vergessen oder
verdrängt wird. Denn bevor nicht zum ersten Mal die Fetzen
flogen weiß keiner, ob mit dem anderen vernünftiges Streiten
mit anschließender Versöhnung denn auch möglich ist.
Deshalb rate ich, den ersten Streit zu genießen, zu analysieren,
wunde Punkte mit dem Partner zu besprechen. Fruchtet das
aber nichts und er nützt den nächsten Stunk nur, um auf jene
Punkte zielgerichtet einzuschlagen kommt das der Bitte um
Beendigung der Beziehung gleich.“
Jetzt geht uns ein Licht auf: Deswegen ist fast jeder dritte
Deutsche Single ...
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BE DRO OM /
E r folg re i c h St re it e n
Wie du mir, so ich dir
Nun aber Butter bei die Fische: Wie es nicht funktioniert
wissen wir alle – aber verdammt nochmal, wie streitet man
richtig? Die Antwort: Mit „Tit for Tat (TfT)“, der einzigen
empirisch nachweisbar erfolgreichen Streitstrategie.
Von Robert Aumann und Thomas Schelling entwickelt,
mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet (fokussierte sich die Urform von TfT doch
auf Analysen zu Wirtschafts- und Handelskriegen), von
Ehrhardt verfeinert und ergänzt. „Zu vier bereits bestehenden
Punkten fügte ich sechs weitere hinzu, die’s einfach braucht,
will man damit praktisch arbeiten.“
Zum besseren Verständnis: „Tit for Tat“ heißt frei übersetzt
„Wie du mir, so ich dir“ bzw. „Auge um Auge, Zahn um Zahn“,
Aumann & Schelling deutschten es dagegen mit „Kopiere
den letzten Zug des Gegners“ ein.
Ja, und hier sind sie –
die Top Ten der „Erfolgreich streiten“-Charts:
1. Analysiere die Situation: Handelt es sich um eine
Verdrängungssituation, ist es gewollter Kampf oder ein
Angebot für eine Kooperation.
2. Beginne grundsätzlich freundlich und ehrlich, sei offen,
durchschau- und berechenbar.
3. Dein übergeordnetes Ziel ist, dass alle Beteiligten
Gewinner sind.
4. Schlage bei Verrat sofort und angemessen zurück.
5. Frage bei Vermutungen aller Art unbedingt erst einmal
nach bevor du reagierst.
6. Entschuldige dich sofort und leiste Wiedergutmachung,
wenn du selber eine Vereinbarung gebrochen oder
irgendetwas schuldhaft zu verantworten hast.
7. Akzeptiere die Gegenaggressionen anderer.
8. Kommuniziere sowohl das Positive der Beziehung als
auch das Konflikthafte der aktuellen Situation.
9. Achte auf die langfristige Ausgeglichenheit des
Verhältnisses von Geben und Nehmen.
10. Akzeptiere, wenn ein Partner nicht tit-for-tat-fähig ist
und beende die Beziehung.
So, jetzt sind wir erleuchtet, wissen um die zehn Gebote
fürs Zanken auf Nobelpreis-Niveau. Ob’s funktioniert?
Frag nach bei Ehrhardt. „Die Buchungslage meiner FirmenWorkshops ist top, nach Einführung der TfT-Methode sinkt
die Zahl unnützer Grabenkämpfe pro Unternehmen zwischen
30 und 50 Prozent.“ Und privat? In einer Beziehung? Auch da
scheint’s bestens zu klappen. „Mittlerweile bin ich bereits bei
Ehe Nummer 3 und bei dieser Frau sieht’s aus, als würde ich
in der Tat an ihr hängen bleiben. Seit 25 Jahren sind wir ein
Paar, streiten uns manchmal zwei- bis dreimal am Tag, sind
aber noch nie im Stunk eingeschlafen. Dank Tit for Tat, das
wir beide leben und beherzigen.“ Glückwunsch.
Aber was war mit Frau 1 und 2? „Tja, die erste war nur Spaß,
was ich mir aber keinesfalls übel nehmen kann. Die zweite
dagegen – das war die große Liebe. Wir waren nur freundlich
und nett zueinander, haben alle Konfliktpotenziale unter den
Teppich gekehrt bis zu dem Tag, an dem sie zu mir sagte ‚Tut
mir sehr leid, doch ich habe dich bereits verlassen’. 24 Stunden
später zog sie aus, beim nächsten Gespräch in neutraler
Umgebung kriegte ich eine Liste zu hören, was ich alles falsch
gemacht hatte. Und das begann so nach dem Motto ‚Als wir
uns kennenlernten, zehn Minuten später’. Mit TfT wäre das
möglicherweise anders gelaufen. Oder aber auch nicht ...“
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Härtefall: Wenn der Partner nicht mitzofft
Weshalb Erhardts zweite Station im Ehehafen vielleicht
sogar trotz Tit for Tat gescheitert wäre? Ganz einfach: Die
höchste Streitkultur nutzt nix, schaltet der Partner auf stur.
„Solche Leute gibt’s reichlich! Die sprechen nie etwas an,
halten sich immer bedeckt, verweigern jedweden Dialog – und
wenn man denen dann sagt ‘Du, mir reicht’s. Ich beende die
Beziehung’ schallt einem häufig ein verdutztes ‘Was, wegen
dem? Alles andere ist ja in Ordnung’ entgegen. Beinahe
hoffnungslose Fälle, da nur wenige dieser Charaktere Einsicht
zeigen, willens sind, streiten zu lernen. Die meisten verharren
in ihrer Harmoniesucht, zünden weiterhin klammheimlich
die Zweisamkeit sprengende Atombomben, können sich selbst
nicht eingestehen, tief drinnen oberaggressive Hunde zu sein.
Hat man das Pech, einem Menschen diesen Couleurs in die
Arme zu laufen, wird’s früher oder später wohl auf Punkt 10
rauslaufen. Die Beendigung der Beziehung.“ Gut gebrüllt,
Werner!
Das ist ehrlich, männlich, anders: Haut’s nicht hin, will sie
nix kapieren, hauen wir – nämlich sie raus! Herrlich – werden
unsere Gattinnen doch ihr blaues Wunder erleben, wenn sie
nachhause kommen. Apropos: Wie spät is’ es denn? Mann,
wo ist nur die Zeit geblieben? Schnell noch staubsaugen und
den Müll raustragen. Sonst wird sie wieder stinkig ...
STREITEN – GANZ VERKEHRT
Fünf No-Gos beim partnerschaftlichen Zoffen
1. Nicht offen und ehrlich zu sein. Man schluckt runter –
und der andere tut’s einem gleich. Das Ende vom Lied:
Die Wahrheit bleibt auf der Strecke.
2. Gefühle zu unterdrücken. Wird zumeist ein Bumerang,
der an der eigenen Seele kratzt.
3. Die emotionale Explosion nach erfolgtem Wutausbruch
schönzureden. Besser ist, auf den anderen zuzugehen,
die eigenen Fehler einzugestehen.
4. Einsatz der „Ja und-Technik“. Heißt im Klartext: Die
unterschiedlichen Meinungen der beiden Streithähne
gegenüberzustellen ohne auf einen Konsens abzuzielen.
Er: „Ich sehe das anders als du.“ Sie: „Ja und, ich bleibe
bei meiner Haltung.“ Führt zu nix ...
5. Angst vor Spannungen. Hemmt, verunsichert, bringt
andere zur Weißglut.
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