Wie und Anders Glaubende - Predigt zu 1. Könige 18

Wir und Anders Glaubende – Predigt zu 1. Könige 18,21-40
Sylvia Minder
Herr Jesus Christus, du wurdest von einer hebräischen Mutter geboren.
Babylonische Weise huldigten dir.
Du warst voll Freude über den Glauben einer syrischen Frau und eines römischen Hauptmannes.
Dein Kreuz trug ein Afrikaner.
Wir danken dir, dass wir zu dir gehören.
Hilf uns Menschen aller Rassen und Völker als Miterben in dein Reich zu bringen. Aus Afrika
Dieses Gebet öffnet unseren Blick hin zu den Menschen anderer Kulturen und Rassen. Es macht
deutlich, dass unser Glaube nicht Halt macht an den Grenzen unseres eigenen Landes. Und wir
leben ja auch mitten in der Welt. In der Schweiz leben derzeit Menschen aus etwa 195 Nationen.
Die Mehrheit der ständigen Wohnbevölkerung kommt aus den EU und EFTA Ländern. Die meisten
davon aus Italien, Deutschland, Portugal und Frankreich. Die Ausländerzahl betrug auch früher
schon beachtliche Grösse. 1910 wies sie einen Ausländeranteil von 14 % aus. Im Moment ist etwa
jeder 4. Einwohner ein Mensch mit einer anderen Nationalität.
Und es leben immer mehr Menschen mit anderen Religionszugehörigkeiten bei uns. Dies fordert
heraus.
Religionen in der Schweiz in Zahlen Statistik, Strukturerhebung 2013
aus: www.religionslandschaft.ch
Christentum: 70,7 % der Wohnbevölkerung
Islam: 5 % der Wohnbevölkerung
Hinduismus+ Buddhismus: je 0.5 % der Wohnbevölkerung
Judentum 0.3 % der Wohnbevölkerung
Andere Religionszugehörigkeit: 0.3 % der Wohnbevölkerung
Keine Religionszugehörigkeit: 21.4 % der Wohnbevölkerung
Diese Zahlen sind erstaunlich. Vor allem hat sich die Zahl derer, die keiner
Religionszugehörigkeit angehören, seit der letzten Volkszählung verdoppelt. Viele dieser
Menschen befassen sich aber trotzdem mit Religion, häufig mit esoterischen oder neureligiösen
Praktiken.
Von den 70 Prozent derjenigen, die sich als christlich bezeichnen, zählen sich nur ein kleiner Teil
als der Kirche zugehörig. Die überwiegende Zahl derer, die zu dieser Gruppe gehören, stehen
der Kirche und biblischen Inhalten eher distanziert gegenüber. Dies gibt mir zu denken.
Im Rahmen unserer Pfarrversammlung haben wir uns mit dem Interreligiösen Dialog
auseinandergesetzt und dabei die Gelegenheit gehabt, das Haus der Religionen in Bern zu
besichtigen. In diesem Haus haben verschiedene Religionsgemeinschaften einen Raum zum
Feiern: eine albanische Moschee, ein tamilischer Hindutempel, ein Raum für verschiedene
buddhistische Gruppen, eine alevitische Gemeinschaft und ein Raum, in dem sich eine
äthiopisch-orthodoxe und die Herrenhuter Gemeinde regelmässig zu Gottesdiensten
versammeln. Weitere Gemeinschaften haben keinen Raum, sind aber an dem Haus mitbeteiligt:
die jüdische Gemeinde Bern, die Gemeinschaft der Baha’i und die Sikh-Gemeinschaft. Die Idee
des Hauses ist nicht, die verschiedenen Religionen zu mischen, sondern Dialog und Begegnung.
Es finden gemeinsame Gespräche und öffentliche Anlässe statt. Dieses Haus der Religionen
widerspiegelt die multikulturelle Schweiz. Die meisten dieser Glaubensgemeinschaften werden
von Menschen besucht, die schon sehr lange in unserem Land leben und teilweise schon hier
aufgewachsen sind.
Die Tatsache, dass hier bei uns Menschen mit unterschiedlichen Glaubensansichten leben,
möchte ich heute in der Predigt mit einem sehr alten Text aus der Bibel ins Gespräch bringen.
Es ist ein herausfordernder Text und er spricht von einer Zeit im Alten Israel, in der das Volk
Gottes sich sehr stark auf religiöse Einflüsse ihrer Nachbarn eingelassen hat.
Der Gottesbeweis auf dem Karmel - 1. Könige 18,21-40
Gott die Nummer eins sein lassen
Wie lange schwankt ihr nach zwei Seiten?
Wenn Jahwe der wahre Gott ist, dann folgt ihm!
Wenn aber Baal es ist, dann folgt diesem. 1. Könige 18, 21
Im Hintergrund dieser sich anbahnenden Szene steht der König Ahab, der König von Israel, der
das Land zwar militärisch gestärkt hat und sich durch eine Bündnispolitik mit Syrien den König
von Assyrien vom Leibe halten konnte. Geistlich gesehen wird über ihn aber ein negatives Urteil
gefällt. Durch die Heirat mit Isebel, einer phönizischen Königstochter finden immer mehr fremde
Gottheiten Platz in Israel. Konkret geht es um den Baalskult, dem kananäischen und
phönizischen Fruchtbarkeitsgott, der zunehmend in Konkurrenz tritt mit Jahwe, dem Gott Israels.
Da tritt der Prophet Elia auf. Er wurde von Gott beauftragt, dieser unheilvollen Situation Einhalt
zu gebieten.
Elia fordert das Volk und den König heraus: Wie lange schwankt ihr nach zwei Seiten?
Wie lange wollt ihr dem Gott eurer Väter und auch noch anderen Göttern die Eher erweisen? (de
Föifer und s’Weggli ha?) Für Elia ist klar: Der Glaube an Gott verträgt sich nicht mit dem
Verehren anderer Mächte. Gott sagte seinem Volk: Ich bin der Herr, euer Gott. Ich habe euch
aus Aegypten herausgeführt. Ihr sollt keine anderen Götter neben mir haben. (2. Mo 20,1)
Dies ist die erste Herausforderung, die ich aus diesem Text höre: Unser Gott möchte, dass wir
ihn allein anbeten. Dass ER die Nummer eins in unserem Leben sein darf. Es gibt so vieles, das
uns diese Priorität im Alltag streitig macht: So, dass wir manchmal kaum noch auf Gott hören
oder uns durch sein Wort inspirieren und leiten lassen. So, dass wir nicht mehr aufmerksam sind
für das Reden des Heiligen Geistes im Alltag. Dies geschieht vielleicht dadurch, weil unsere
Ohren und Hände stets mit unserem I-phone beschäftigt sind, mit den Nachrichten aus aller Welt
oder mit Dingen, die eigentlich an zweiter oder dritter Stelle kommen sollten.
Gott stellt uns durch Elia die stets aktuelle Frage: Wie lange hüpfst du auf zwei Ästen
gleichzeitig? Gott lädt uns von neuem ein, ihn wieder die Nummer eins werden zu lassen!
Elias Vergleich
Elia lässt es auf einen Gottesbeweis ankommen. Er fordert die Baalspriester auf, ihren Gott
anzurufen, damit er Feuer vom Himmel regnen lasse. Die Anhänger des Baalskults versuchen
alles Mögliche: sie schreien mit lauter Stimme und tanzen um den Altar herum. Danach ritzen sie
sich wund, bis das Blut an ihnen herab fliesst. Am Ende sind sie so ausgepowert, dass sie die
Besinnung verlieren. Elia sieht diesem Treiben zu. Und er kann es sich nicht verkneifen, nicht zu
spotten. „Ruft doch lauter! Vielleicht ist euer Gott gerade beschäftigt oder er schläft!“ (V. 27)
Dann hat Elia seinen Auftritt: Er baut mit 12 Steinen – entsprechend der 12 Stämme Israels einen Altar und legt den Opferstier auf das Holz. Dann lässt er viel Wasser holen und auf und um
den Altar giessen, bis das Wasser herab fliesst. Dann ruft er seinen Gott an mit den Worten:
„Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, heute soll bekannt werden, dass du Gott bist in Israel.
Antworte mir, damit dies Volk erkennt, dass du, HERR, Gott bist und du ihr Herz
zurückwendest.“(V.36-37)
Da fiel Feuer vom Himmel und verzehrte das Opfer. Und die Menge fiel nieder und sagte: Der
Herr, er ist Gott! - Elia aber befahl, die Baalspriester zu ergreifen und er liess sie umbringen.
Zwei Gedanken möchte ich herausgreifen aus dieser Geschichte:
Gott offenbart sich
Das positive an der Geschichte ist, dass sich Gott wirklich als der lebendige Gott dem Volk zeigt.
Dass er auf Elia hört und das Opfertier verbrennt. Dies gilt auch noch heute! Gott, der sich in
Jesus als der Retter und Erlöser gezeigt hat, ist ein Gott, der lebendig ist. Er redet, er hört, er
handelt. Er offenbart sich Menschen. Und er tut dies auf ganz unterschiedliche Weise. Gott
verspricht: Wer mich aufrichtig sucht, von dem werde ich mich finden lassen. (Jer 29,13) Gott
lässt sich auch heute finden, weil er Gemeinschaft mit uns Menschen sucht. Es gibt Menschen,
denen Jesus im Traum begegnet und die sich danach auf die Suche machen, mehr von diesem
Jesus zu erfahren. Gerade in Ländern der arabischen Welt erleben wir dies zunehmend.
Elia hat diesen Gottesbeweis provoziert. Für diese Situation damals war dies wohl nötig. Heute
denke ich, brauchen wir keinen Beweis, dass Gott mächtig ist. Und – wir können Gott auch nicht
beweisen. Denn Glaube ist ein Vertrauen auf etwas, das man nicht sieht, sagt der Hebräerbrief in
Kap 11,1. Wir müssen Gott und den christlichen Glauben nicht beweisen. Wir dürfen aber
Zeugen sein für diesen Gott. Und davon reden, was uns Jesus für uns getan hat und was er uns
bedeutet. Und dann vertrauen, dass Gott sich selbst unserem Gegenüber zeigt und sich von ihm
finden lässt.
Elias Gewaltbereitschaft lässt Fragen offen
Die Gewaltbereitschaft des Propheten Elia lässt mich nach dem Warum fragen.
Warum verhöhnt und verspottet Elia die Baalspriester doch recht überheblich? Und warum lässt
er sie am Ende so gewaltsam umbringen.
Ich kann dies nur bedingt verstehen. Ich kann es in die damalige Zeit einordnen, in der Gewalt
üblich war. Und leider hat auch die Kirche in späterer Zeit ebenfalls mit viel Gewalt
Andersgläubige verfolgt, um ihren Absolutheitsanspruch durchzusetzen. Viele Religionen wollen
eigentlich den Frieden fördern und doch gibt es in den meisten von ihnen extreme Kräfte, die mit
Mitteln des Mittelalters Schrecken und Terror verbreiten. Hüten wir uns aber davor, dann gleich
alle Glaubenden in diesen Religionen als Terroristen hinzustellen.
Jesus von Nazareth lud seine Jünger – und lädt seine Nachfolgerinnen und Nachfolger heute
zum Frieden und zur Versöhnung ein. Dies gilt auch gegenüber den Menschen, die anders
glauben und denken. Von ihm dürfen wir lernen. Er ist unser Vorbild:
Jesus selbst hat beispielsweise der samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen nicht ihren
anderen Glauben abgesprochen, sondern er hat sie ernst genommen mit ihren Fragen. Er hat
den Glauben des römischen Soldaten gelobt und dessen Wunsch nach Heilung seines Knechts
nicht abgeschlagen, nur weil er ein Römer, also nichtjüdisch war. Jesus hat immer wieder
Begegnungen über die damaligen Religions- und Kulturgrenzen hinaus gewagt. Er hat sich dabei
auch Feinde geschaffen.
Dieser Umgang mit Menschen ist aus meiner Sicht wichtig im Blick auf Menschen, die einen
anderen Glauben haben. Machen wir es um Gottes Willen nicht wie Elia, der diese Baalspriester
verhöhnte und verspottete. Halten wir es, wie Jesus es sagte: Geht mit anderen so um, wie ihr
auch selbst von ihnen behandelt werden wollt. Matth. 7,12
Wir sind gerufen, alle Menschen zu achten und wertzuschätzen. Auch Muslime, Hindus oder
Anhänger irgend einer anderen Religion. Wie Jesus dürfen wir Begegnungen wagen. Wir
müssen dabei die Überzeugungen dieser Menschen nicht teilen. Wenn wir auf Augenhöhe und
respektvoll mit ihnen sprechen, können vielleicht neue Gesprächsthemen auch über den
Glauben anklingen. Dies beschreibt Arnim Schreiber in seinem Buch: Wurzel aus
Fünfundzwanzig*. Er hat als Lehrer muslimische Jugendliche begleitet und die Erfahrung
gemacht, dass mit der Zeit auch Fragen zu seiner Motivation und zu seinem Glauben gestellt
wurden. Manchem Teenager wurde er zu einem Zeugnis für Christus. Es gibt auch eine
Arbeitshilfe unserer Kirche mit dem Titel: Berufen zu Nächstenliebe und Christusnachfolge: Hilfen
für die Begegnung mit Menschen anderer Religionen. Ich empfehle es euch herzlich zur Lektüre
und zum gemeinsamen Gespräch in den Kleingruppen.
Und noch dies: Ich denke, wir können von Menschen aus anderen Religionen lernen:
z.B von der regelmässigen Gebetspraxis, die praktizierende Muslime halten. Fünfmal am Tag
beten und zu Gott aufzuschauen – finde ich beeindruckend.
Die Achtsamkeit, mit der Menschen des Buddhismus ihren Alltag gestalten. Sie scheinen in
etwas Grösserem zu ruhen, das sie kaum aus der Ruhe bringt.
Die Lehrgespräche, die in jüdischen Lehrhäusern geübt werden, das intensiv im Gespräch sein
über den Texten der hebräischen Bibel, finde ich beeindruckend. Und das Feiern und Zelebrieren
des Schabbats und anderer jüdischer Feste – stets gleich und doch immer von neuem intensiv,
so als wäre die Zeit stehengeblieben.
Zusammenfassend:
Die Geschichte von Elia und den Baalspriestern hat mich zu vielen Gedanken angeregt. Ich
fasse die 3 wichtigsten zusammen:
- Gott lädt uns ein, ihn immer neu als die Nummer eins zu bekennen und ihm den Platz in
unserem Leben zu geben, der ihm gehört.
- Gott ist aber auch derjenige, der sich auch heute noch als der Lebendige Herr offenbart.
Erwarten wir auch getrost, dass sich Gott auch Menschen um uns herum offenbart. Beten wir für
solche Begegnungen.
- Gott selbst hat in Jesus Christus Frieden gemacht mit uns und er lädt uns ein, diese
Versöhnung und diesen Frieden zu leben. Lassen wir seine Liebe durch uns hindurch scheinen,
auf dass viele Nationen seine Herrlichkeit sehen. AMEN
Pfarrerin Sylvia Minder
gehalten am 15. November 2015 in der EMK Aarau
Segensgebet:
Komme was mag, Gott ist mächtig.
Wenn unsere Tage verdunkelt sind, und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte, so
wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine segnende Kraft gibt, die Gott heisst. ER
wird das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln – zuletzt in den leuchtenden Morgen der
Ewigkeit. (M.L.King)
Geht hin in Frieden. Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. AMEN
Gebet aus Afrika: aus Gesangbuch EMK S. 135; 2002 Stuttgart, Zürich, Wien
Literaturhinweis: - Schreiber Arnim, Wurzel aus Fünfundzwanzig; Schwarzenfeld 2015
-Berufen zu Nächstenliebe und Christusnachfolge: Hilfen für die Begegnung mit Menschen anderer
Religionen ; www.emk-kircheundgesellschaft.ch Stichwort: Interreligiöser Dialog