"Alles neu - oder ein sanftes Rauschen?" - 1. Kön. 19,11-13

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Gottesdienst am 24. Januar 2016
1. Könige 19, 11-13 Alles neu - oder ein sanftes Rauschen?
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und von unserm Herrn Jesus
Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
der Glaubenssatz, der über dieser Predigtreihe steht. lautet: Siehe, ich mache alles
neu!
Der Glaubende bezeugt, dass Gott allein etwas Neues schaffen kann. Das Erste
vergeht, Neues wird geschaffen. Es wird keine Tränen und kein Leid mehr geben.
Es ist der Glaubenssatz unserer Sehnsucht und Hoffnung. Es ist das Vertrauen in Gott,
dass er das letzte Wort hat und nicht Gewalt, Unfrieden und Streit.
Es ist der Glaubenssatz, der uns weitermachen lässt, auch wenn es nicht aussieht, als
ob es einen Unterschied macht.
Es ist kein Weltbild wie bei manchen Philosophen oder Aktivisten, dass sich alles zum
besseren bewegt. Wir sind menschlich und bleiben es, behalten unsere Fähigkeit,
Böses zu bewirken, Terror auszulösen, Menschen zu manipulieren, Unglück in die
Welt zu bringen. Da ist kein Fortschritt zu erkennen. Wir haben eher immer mehr
Macht dazu durch unsere Technik, dies auszulösen.
Dagegen das Vertrauen in Gott, der alles neu machen kann und wird. Ein alles
durchbrechendes Ereignis.
Deshalb war ich zunächst sehr glücklich, als ich diesen Satz las. Er erfüllt mich mit
Freude und mit Zuversicht.
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Und dann kam das Nachdenken. Kann ich den Glaubenssatz dennoch auch auf das
Leben jetzt beziehen?
Vielleicht würden manche Biomediziner, die in der Genomforschung aktiv sind, dem
zustimmen. Wie wäre es, schädliche DNA gegen andere auszutauschen. Würde das
nicht auch das Leben auf einen Schlag neu machen für einen kranken Menschen?
Oder in kleinerem Maßstab: Erfindungen wie die Waschmaschine und viele technische
Geräte, die den Haushalt erleichtern - haben sie nicht auf einen Schlag das Leben neu
gemacht für Frauen, die bisher die viele Wäsche meist nachts von Hand waschen
mussten?
Oder die Liebe: Gibt es nicht wirklich Menschen, die sagen, dass der Zeitpunkt, zu
dem sie ihre große Liebe gefunden haben und sie behalten durften, oder als sie ihr
Kind in den Armen halten konnten, ihr ganzes Leben neu gemacht hat?
Eine wissenschaftliche Erkenntnis kann so umwälzend sein wie Luthers Neufassung
der Rechtfertigungslehre. Wer würde bestreiten, dass dies für uns ein neues Bild von
Gottes Güte und Barmherzigkeit gebracht hat und daher unser Lebensgefühl von
Grund auf geändert hat?
Es gibt sie: die Entdeckungen und Erlebnisse, die zumindest große Auswirkungen auf
einen Menschen oder gar die Menschheit haben und auf einen Schlag Neues mit sich
bringen. Sie machen nicht alles neu. Aber durchaus beeinflussen Sie wichtige Teile
positiv.
Und doch löst dieses "Siehe, ich mache alles neu" in mir eine Furcht aus. Wie viele
dachten, dass sie mit Gewalt, mit großem Paukenschlag, die Welt positiv verändern
könnten. Sie dachten an Revolution oder Krieg als das richtige Mittel. Einige konnten
für diese Idee überall auf der Welt begeistern. Deutschland greift aktiv inzwischen
wieder in Kriege ein, entscheidet sich für eine Seite mit der Hoffnung, danach wäre
das Land sicherer. Oft erkennen wir aber hinterher, dass die Strukturen und Menschen
nicht da waren, um nachher etwas Positives aufzubauen. Zurück bleiben Wunden, ein
zerstörtes Ackerland und kaputte Häuser, zerstrittene Parteien, das Beklagen der
Toten. Aber nirgendwo ist ein Neuanfang in Sicht.
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Auf der einen Seite der Paukenschlag.
Auf der anderen Seite bricht sich eine sanfte Gegenbewegung Bahn: Aus Alt mach
Neu! Nicht altes wegwerfen oder gar zerstören, sondern sehen, wie es verändert
werden kann, um heute wieder nützlich und schön zu sein.
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Bei "schön" denke ich an Kleider oder Taschen, die aus alten Materialien
bestehen und ein neues Design erhalten.
Althergebrachte Naturheilmittel werden wiederentdeckt.
Schon immer dagewesene Energiequellen werden mit Technik zu
Energiespendern der Zukunft entwickelt.
Es ist die Strategie eines langen Weges. Wenn ich und vor allem die Welt noch lange
existieren, hilft nicht die Axt (oder Paukenschlag), sondern das Sanfte.
Als Predigttext habe ich daher Elias Begegnung mit Gott ausgesucht aus dem 1. Buch
der Könige, Kapitel 19,11-13.
"Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der
Herr wird vorübergehen.
Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor
dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde.
Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer.
Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er
sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.
Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia?"
Elia ist ein Prophet, der gewaltige Taten Gottes ankündigt und erlebt. Eine Dürre
kündigt er an. Und kurz vor unserem Text misst er sich allein mit 400 Priester des
Baal-Kultes. Ihr Opfer bleibt unberührt, das Opfer Elias aber, sogar noch mit Wasser
überschüttet, wurde von Gott mit Feuer gefressen. Elia gewann die Wette. Sie lautete"
Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der ist wahrhaftig Gott". Elia tötet die
Baal-Priester.
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Doch auch diese Demonstration half nichts. Isebel sann weiterhin nach Rache. Alle,
die nicht ihrem Glauben angehörten, mussten um ihr Leben fürchten.
Das ist Elia nicht unbekannt. Ständig wusste er, dass er gefährdet ist, sein Tod schnell
kommen könnte. Doch bisher hat ihn ein Mut bewahrt, eine Leidenschaft, eine
Sicherheit, das Richtige zu tun, diese Angst zu überwinden.
Doch nun, nach diesem großen Sieg gegen den Baal-Kult, jetzt ergriff auch ihn die
Angst. Und er hatte ihr nichts entgegenzusetzen. Er war erschöpft. Ich stelle mir vor,
dass er sich wunderte: Warum war das nicht das Ende, der endgültige Sieg? Warum
geht die Geschichte schon wieder in gewohnten Bahnen weiter? Es muss ihm wie die
Aufgabe von Sisyphos erschienen sein: immer wieder aufs Neue ohne Veränderung.
Er sitzt unter einem Ginsterstrauch. Ginster ist in der Mythologie das Material für den
Hexenbesen. Es gilt als reinigend und desinfizierend. In der Kunst wird dieser Strauch
eher mit der Dornenkrone in Verbindung gebracht. Beides passt: Elia fühlt sich von
Gott verlassen wie Jesus. Und doch beginnt hier ein heilender Weg für ihn und seine
Seele.
Gerade zeigte Gott noch seine Anwesenheit und Kraft durch das Feuer. Jetzt erlebt
Elia ihn von einer anderen Seite. Er ist sanft und fürsorglich. Ein Engel bringt warmes,
frischgebackenes Brot und frisches Wasser. Er darf schlafen. Und noch einmal essen.
Der Engel sagt, er solle sich stärken, denn sein Weg sei lang. Seine Pilgertage dauern
wie bei Mose 40 Tage und 40 Nächte durch die Wüste bis zum Berg Gottes.
Dort ereignet sich dann die Begegnung des Predigttextes. Elia erkennt Gott im stillen,
sanften Sausen. Dabei hat er ihn bisher immer in den großen Umwälzungen gesucht,
den deutlichen Manifestationen. Er lebte wohl in dem Glauben, es gäbe einen Weg,
dann den Sieg und alles ist gut. Mit Macht und Gewalt wollte er seinen Gott gewinnen
lassen.
Die Psychotherapeutinnen Dr. Paul und Dr. Chopich beschäftigen sich mit
Handlungsmustern. Gewalt anwenden bedeutet für sie, dass ich von etwas von außen
geleitet bin, mich beweisen muss, andere kontrollieren muss, nur so denke ich, kann
ich gewinnen. Doch danach kommt die Leere. War das auch bei Elia so? Verwechselte
er innere Stärke und Gewalt?
Der Engel sagt: Der Weg ist aber lang. Die Geschichte läuft nicht geradlinig. Es
braucht Ausdauer und einen langen Atem und dabei sollen wir eben nicht die
Hoffnung und Zuversicht und unseren Glauben an Gott verlieren. Wir sollen auch
dabei nicht unterwegs vor Erschöpfung zusammenklappen, weil wir mit Feuereifer
alles beschleunigen wollten. Der Weg ist lang. Der einmalige Paukenschlag kommt
nur von Gott - und nur durch ihn - und das am Ende aller Tage.
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"Siehe, ich mache alles neu" - das ist unsere Hoffnung und Zuversicht. Gott macht
alles neu.
"Stärke dich, denn dein Weg ist lang" ist die Fürsorge Gottes solange die Welt sich in
unseren bekannten Bahnen dreht. Es ist das Hören auf das Sanfte, stille Sausen, das
uns leitet. Es ist Sanft-MUT, der etwas bewegt, es ist die Fürsorge für uns selbst, für
unseren Körper und unsere Seele, die entscheidend sind für ein gutes Leben. Um
wieder auf die Doktores Paul und Chopich zurückzukommen: sie sagen, wenn ich
mich selbst liebe, anerkenne, wenn ich keine Bestätigung von außen brauche, weiß,
was ich will und was ich fühle, dann kann ich sanft sein. Und diese Sanftheit ist die
wahre Stärke. Sie ist heilsam für mich und jeden anderen, bewegt auf dem langen Weg
mehr und zum Guten.
Elias Leben war das der Paukenschläge, Menschen starben an Dürre oder sogar direkt
durch ihn. Seine eigene Angst und Selbsterhaltung musste er ignorieren. Wie sonst
hätte er so handeln können?
Ich kämpfe mit den Geschichten solcher Paukenschlag-Propheten. Denn wenn es wahr
ist, dass es keine größere Macht als die Liebe gibt, dann erreichen wir am meisten
durch Sanftmut. Hierdurch wächst die eigene Selbstachtung und sie bringt Freude und
Frieden für mich und andere.
Auf dem langen Weg sehe ich daher mehr die Aufgabe, den Geist Gottes in uns
wirken zu lassen und daraus zu schöpfen. Es ist uns verheißen, dass dann Ströme
lebendigen Wassers aus uns fließen und die Welt verändern.
Alles andere, dieses Hinterhergerenne, um Aufgaben und Pflichten, die von außen an
uns herangetragen werden, zu erfüllen, erschöpft. Die Ströme versiegen.
Ich will Gott im sanften Sausen hören, den heiligen Geist spüren, nach dieser inneren
Balance streben, der das Wirken des Geistes mächtig macht. Das wäre das, was für
mich "Siehe, ich mache alles neu!" in dieser Welt ausmacht und alles verändert, erst
jeden Einzelnen, dann die ganze Welt.
Dafür sind aber die stillen Töne wichtig, das sanfte Sausen, die Sanftheit - und doch
ist es mit dem großen Paukenschlag Gottes am Ende aller Tage verbunden.
Dafür wünsche ich uns allen Gottes große Barmherzigkeit. Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus. Amen.