Mach Dir (k)ein Bild! Vom rechten Umgang mit Bildern von: Dr

Mach Dir (k)ein Bild!
Vom rechten Umgang mit Bildern
von: Dr. Myriam-Sonja Hantke
„Mach Dir erst einmal ein Bild!“
Dies sagen wir, wenn wir jemanden darauf aufmerksam machen wollen, dass er oder
sie nicht vorschnell seine bzw. ihre Meinung bilden, sondern sich erst einmal selbst ein Bild
von dem Menschen oder der Situation machen soll. Doch, kann, soll oder darf man sich von
allem ein Bild machen?
Wir sind jeden Tag mit Bildern konfrontiert, in Zeitungen, in Zeitschriften, in
Büchern, im Fernsehen und im Internet. Es sind dort zum einen schöne und erfreuliche Bilder,
aber auch schlimme Bilder, beispielsweise wenn wir Bilder aus Kriegsgebieten oder
hungernde Kinder aus der Dritten Welt sehen. Doch, kann, soll oder darf man sich von allem
ein Bild machen?
Im Dekalog, das heißt in den Zehn Geboten der Bibel steht geschrieben:
„Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was
oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser
unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht!“ (Ex 20,4-5)
Waren die Kirchen in der Spätgotik bzw. im Barock aufwendige Kirchenbauten, reich
geschmückt mit Bildnissen, Malereien, Madonnen- und Heiligenstatuen, die durch Stiftungen
und Ablässe finanziert wurden, so wurde dies von den Reformatoren abgelehnt und als Sünde
verstanden. Nicht durch gute Werke, wie das Stiften von Bildnissen oder Statuen sollte man
der Sündenstrafe im Fegefeuer entgehen, sondern allein durch die Gnade Gottes sollte der
Mensch gerechtfertigt werden. Darum beriefen sich Martin Luther (1483-1546), Huldrych
Zwingli (1484-1531) und Johannes Calvin (1509-1564) auf das Alte Testament und das
Bilderverbot, jedoch haben sie Bilder auch nicht grundsätzlich verboten.
Martin Luther schreibt 1528: „Bilder, glocken, Messegewand, kirchenschmück, allter
liecht und der gleichen halt ich frey, Wer da will, der mags lassen, Wie wol bilder aus der
schrifft und von guten Historien ich fast [i.e. sehr] nützlich, doch frey und wilkörig halte.
Denn ichs mit den bildestürmen nicht halte.“ (WA 26; 509, 9-12) Alles, was zur kirchlichen
Ausstattung gehört, wie Bilder, Glocken, Messgewand und Kirchenschmuck und Licht, ist
nach Luther nicht verboten. Der Christenmensch ist darin frei. Die Bilder aus der Schrift und
den Historien beurteilt Luther aus didaktischen Gründen als nützlich, jedoch auch als frei und
willkürlich, wohingegen Heiligen- und Madonnenstatuen, Kruzifixe, Darstellungen von Jesu
Christi und Gott von Luther strikt verboten werden.
Daran knüpft Huldrych Zwingli an, wenn er die Bilder als Götzenverehrung in den
Kirchen versteht. Zwingli schreibt in einem Brief an Valentin Compar am 27. April 1525: „So
aber die bilder und sichtbarending by uns für und für zuonemend und ye grösser und grösser
werdend, biß daß man zuoletst sy für heilig hatt und by inen anhebt suochen, das man allein
by dem waren gott suochen sol, so hatt er die bildnussen gottes verbotten.“ (SW 4, 92, 17-21)
Zwingli sieht die Gefahr der Bildnisse in den Kirchen darin, dass sie eine immere stärkere
Macht auf die Menschen entwickeln, so dass sie von den Menschen selbst als heilig ge- und
verehrt werden. Dabei suchen die Menschen in den Bildnissen das, was sie bei dem einigen
Gott eigentlich suchen sollen. Darum soll allein das Wort Gottes (sola scriptura) den
Menschen gepredigt werden.
Auch Johannes Calvin lehnt die Darstellungen Gottes und Jesus Christus im Verweis
auf den Dekalog strikt ab. In der ‚Institutio Christianae Religionis (Unterricht in der
christlichen Religion)‘ (1526-1558/59) schreibt Calvin im 11. Kapitel: „‘Du sollst dir kein
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Bildnis noch irgendein Gleichnis machen…‘ (Ex 20,4). Damit hält er unsere Frechheit im
Zaum und verbietet uns jeden Versuch, ihn in irgendeinem sichtbaren Bilde darzustellen.“
(Inst. I, 11, 1, 35) Nach Calvin, wie auch für Luther und Zwingli, ist es streng verboten ein
Bildnis von Gott anzufertigen. Wer dies tut, der fällt von Gott ab und schändet die Majestät
Gottes. Denn durch die Verbildlichung wird Gottes Unbegreiflichkeit und Leben zu einem
toten Gegenstand. Jedoch hat man Calvin missverstanden, wenn man meint, dass er Bilder
grundsätzlich verbiete. Er schreibt: „Gewiß will ich nicht etwa in abergläubischer Scheu
behaupten, man dürfe überhaupt keine Bilder haben. Aber weil Bildhauerkunst und Malerei
Gottes Geschenke sind, so fordere ich reinen und rechtmäßigen Gebrauch dieser Künste,
damit nicht, was uns Gott zu seiner Ehre und unserem Nutzen zuteil werden ließ, durch
verkehrten Gebrauch befleckt werde oder gar zu unserem Verderben führe.“ (Inst I, 11, 12,
59) Calvin lehnt somit Bildner nicht grundsätzlich ab, da er in der künstlerischen Begabung
ein Geschenk Gottes selbst erblickt. Darum fordert er den rechten Umgang mit diesem
Geschenk Gottes von den Menschen. Deshalb soll nur das von den Menschen gemalt oder
gebildet werden, was der Mensch mit seinen Augen sehen kann. Da Gottes Majestät aber alles
übertrifft, so verbietet sich alle Darstellung Gottes.
Doch, um noch einmal auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Kann, soll oder darf
man sich von allem ein Bild machen? Heute sind wir je denn mehr dazu aufgefordert, einen
rechten Umgang mit Bildern zu finden. Gibt es nicht auch in unserem Leben so manche
Situationen und Geschehnisse, die nicht in Bildern dargestellt werden sollten? Leben wir nicht
heutzutage in einer Bilderflut, die unser tägliches Leben mit ständig neuen Bildern
überschwemmt? Werden wir nicht ständig gefragt: „Hast Du dies hier schon gesehen oder das
hier…?“ Führt diese Bilderflut nicht gerade von dem Eigentlichen, das heißt von Gott, weg,
auf den wir uns eigentlich besinnen sollten? Umgekehrt zeigt sich in der künstlerischen
Begabung auch ein Geschenk Gottes, worin sich uns Gott in seiner Herrlichkeit und Gnade
offenbart.
Die Aufgabe, die sich dem Menschen somit stellt, ist es gerade diese Grenze zwischen
Bild und Bilderverbot, Darstellbarem und Nichtdarstellbarem zu finden und anzuerkennen.
Frau Dr. Myriam-Sonja Hantke studierte die Fächer Philosophie, Germanistik,
Politikwissenschaften und Grundzüge der Japanologie, promovierte im Fach Philosophie und
studiert neben der Habilitation im Fach Philosophie im Zweitstudium Ev. Theologie
(Magister Theologiae).
Literatur:
Martin Luther, „Vom Abendmahl Christi, Bekenntnis 1528“, in: WA 26, Weimar 1909, S.
241-509
Huldreich Zwingli, „Eine Antwort, Valentin Compar gegeben (27. April 1525), in: Sämtliche
Werke Bd. 4, Leipzig 1927 [Corpus Reformatorum 91], S. 35-159
Johannes Calvin, Unterricht in der christlichen Religion/Institutio Christianae Religionis, hg.
v. Matthias Freudenberg, Neukirchen-Vluyn 22009
Sergiusz Michalski, The Reformation and the visual arts. The protestant image question in
Western and Eastern Europe, London/New York 1993
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