1. grundbegriffe: Politik, macht, staat, Legitimität

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L egitimi tät und Herrs ch a f t
1.Grundbegriffe: Politik, Macht, Staat, Legitimität
Für das folgende Kapitel sollen noch einmal die Definitionen der Begriffe Politik, Macht, Staat
und Legitimität geschärft werden, da ohne ihre präzise Bestimmung jede weitere sowohl theoretische als auch praktische Auseinandersetzung auf „tönernen Füßen“ steht.
INfo
Werner J. Patzelt
lehrt seit 1991 als
ordentlicher Professor
Politikwissenschaft an
der TU Dresden (Politische Systeme und
Systemvergleich).
Politik
Die Herangehensweisen an das Phänomen des Politischen sind zahlreich und vielfältig. Manche
legen ihren Fokus auf den noch zu bestimmenden Begriff Macht, andere auf die Gemeinschaft
oder auf eine gute Ordnung (z. B. mittels Recht und Gerechtigkeit). Die moderne Politikwissenschaft warnt allerdings davor, den Politikbegriff zu eng zufassen und ihn mit allerlei modernen
Voraussetzungen zu belasten: So braucht es für Politik keinen Staat, sie trat auch schon bei
Nomaden und einfachen Stammesgesellschaften vor Tausenden von Jahren auf.
Allen Definitionen ist, wenn auch stillschweigend, gemeinsam, dass Politik etwas Menschliches ist und nur in menschlichen Gemeinwesen auftritt. Des Weiteren geht es darum (auf welchem Wege auch immer), Entscheidungen zu treffen und diese dann für das gesamte Gemeinwesen durchzusetzen. Zu entscheiden gibt es immer dann etwas, wenn etwas in der Gemeinschaft
zu verteilen ist, was aber nicht alle gleichermaßen bekommen können (bspw. Nahrung und Wasser, medizinische Versorgung, Rechte und Pflichten, Land, Geld). Eine der breitesten und präzisesten Definitionen ist jene von Prof. Dr. Werner J. Patzelt, welcher wir für diesen Band folgen
wollen:
„Politik ist menschliches Handeln in und zwischen Gruppen von Menschen, das auf die Herstellung
und Durchsetzung allgemeiner Verbindlichkeit, d. h. allgemeingültiger Regeln und/oder Entscheidungen, abzielt.“
Die Wissenschaft unterscheidet drei Dimensionen von Politik:
Dimension
Erscheinungsform
Merkmale
Bezeichnung
Form
Verfassung
Normen
Institutionen
Organisation
Verfahrensregelungen
Ordnung
policy
Inhalt
Aufgaben und Ziele politischer
Programme
Problemlösung
Aufgabenerfüllung
Wert- und Zielorientierung
Gestaltung
policy
Prozess
Interessen
Konflikte
Kampf
Macht
Konsens
Durchsetzung
politics
Macht
Wesentlich kompakter verhält es sich mit dem Machtbegriff. Das vorliegende Kapitel folgt Max
Webers klassischer Definition:
„Macht ist die Chance, in einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben
durchzusetzen, egal worauf diese Chance beruht.“
Die Gestalt und Ausübung von Macht kann sehr vielfältig sein. Man unterscheidet drei Gesichter
der Macht und drei Ausübungsformen der Macht:
Grundbegriffe: Politik, Macht, Staat, Legitimität
Gesichter der Macht
Ausübungsformen der Macht
Durchsetzungsmacht:
die Fähigkeit, eine Entscheidung durchzusetzen, z. B.
eine Fernstraße so und nicht anders bauen zulassen
offen angewendete Macht:
konkrete Machtanwendung im Einzelfall, z. B. mit
Polizei eine Demonstration auflösen
Verhinderungsmacht:
die Fähigkeit, die Durchführung einer Entscheidung zu
verhindern, z. B. durch das Einlegen des Vetos im
Welt­sicherheitsrat
vorauswirkende Macht:
die Androhung des Einsatzes von Machtmitteln und
die damit verbundene Vorauswirkung führt das
gewünschte Verhalten herbei, z. B. durch bloßes
Vorzeigen der Folterinstrumente
kommunikative Macht:
jene Begriffe prägen, anhand welcher erörtert wird,
was durchgesetzt oder verhindert werden soll, z. B.
indem man „Stabilisierungseinsatz einer taktischen
Reserve“ statt „Kampfeinsatz“ sagt
strukturelle Macht:
Konstruktion der staatlichen und sozialen Strukturen
in einer solchen Weise, dass einige stets bessere
Chancen haben als andere, ihren Willen durch­
zusetzen, z. B. Preußisches Dreiklassenwahlrecht
Staat
Die Ursprünge der Staatlichkeit reichen bis zur beginnenden Sesshaftwerdung der Menschheit
vor etwa 10 000 Jahren zurück. Jedoch sollten sich Menschen der Gegenwart bewusst machen,
dass der moderne Verfassungsstaat mit seinen Funktionen und Leistungen eine verhältnismäßig
junge Erfindung ist und als europäischer „Exportschlager“ im Zusammenhang mit der Kolonialzeit und des Imperialismus gelten darf.
Zunächst einmal fallen im Begriff des Staates drei Definitionskriterien zusammen: das Staatsgebiet, das Staatsvolk, die Staatsmacht. So kann definiert werden:
Ein Staat ist ein politisches System, welches über Machtmonopolisierung die Gewalt über eine
begrenzte Bevölkerung auf einem begrenzten Gebiet ausübt.
INfo
Max Weber
(1864 – 1920), gilt als
Begründer der Soziologie in Deutschland
und lehrte u. a. in
Heidelberg, Freiburg
und München. Seine
Machtdefinition findet
sich in dem nachgelassenen Werk „Wirtschaft und Gesellschaft“ (Erstauflage:
1922).
INfo
Funktionen des Staates
■■ Die historisch bedeutsamste Hauptfunktion des Staates ist dabei, die Ordnung im inneren
herzustellen und Sicherheit nach außen zu gewährleisten.
■■ Bei modernen Staaten kommt die Legitimations- und Rechtsstaatsfunktion hinzu, also das
genaue Abstecken der Rechte der Bürger untereinander und gegenüber dem Staat.
■■ In unterschiedlichen Ausprägungen kommen Staaten oft auch einer Wohlfahrtsfunktion nach,
indem sie für die Grundlagen wirtschaftlicher Entwicklung sorgen und ggf. auch sozialen Ausgleich herbeiführen.
Typologie der Staatsformen
Schon zeitig hat man sich politikwissenschaftlich mit Staatsformen auseinandergesetzt und so kam das berühmte aristotelische Sechserschema zustande. Er
unterteilte die Staatsformen zum einen
nach der Anzahl der Herrschenden (einer,
wenige, viele) und zum anderen in gute
und entartete staatliche Formen, also danach, ob die staatliche Ordnung den Regierten oder den Regierenden nützte.
1 Finden Sie eigene Beispiele für die Gesichter und die Ausübungsformen der Macht und
diskutieren Sie diese.
2 Erläutern und diskutieren Sie am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, ob und wie
sie die drei Funktionen des Staates erfüllt.
Aristoteles
(384 – 322 v. Chr.)
griechischer Philosoph, begründete in
Abgrenzung von seinem Lehrer Plato mit
den Werken „Nikomachische Ethik“ sowie
„Politik“ eine zentrale
Denkschule.
Glossar
Demokratie
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