„Frei und dankbar“, Teil 2 Schlafen und träumen

Gottesdienst Brüninghausen 05.07.2015
Sommerpredigtreihe „Frei und dankbar“, Teil 2
Schlafen und träumen dürfen
Bibeltexte: Ps. 4,9; Jes.26,4; Ps. 127,2
1. Gottes gute Schöpfungsordnung: eine gute Nacht
Vorige Woche haben wir ja zu Beginn eine Beobachtung am Alten
Testament gemacht, die sehr wohl tut und weise ist: Der erste
Lebenstag des Menschen in der biblischen Schöpfungserzählung war
der große Ruhe- und Genusstag Gottes. Wir sind also aus der
feierlichen Ruhe Gottes geboren.
Das ist heute noch einmal wichtig, denn da kommt ein zweiter Blick
für unser Thema heute hinzu. Immer wieder findet sich in der ersten
Seiten der Bibel die Formulierung: „Da ward aus Abend und Morgen
der erste, zweite, dritte…Tag.“ Anders als in unserem Zeitgefühl
beginnt der Tag nicht mit dem Morgen, sondern mit dem Abend des
„Vortages“. Der Sabbat beginnt also in Israel und bei den Juden am
Freitagabend. Für uns ist das komisch und gewöhnungsbedürftig.
Aber bei diesem biblisch-jüdischen Zeitempfinden verbirgt sich
wieder eine sehr soziale, menschenfreundliche Entdeckung: Unser
Tag beginnt mit der Ruhe der Nacht. Zuerst wird dem Menschen
wieder die Ruhe gegönnt, vor aller Leistung – nicht als Belohnung für
getane Arbeit, sondern als Geschenk zuvor. Auch in dieser Sicht wird
wieder klar: Wir haben schon einen Wert. Wir sind jemand – bevor
wir zu arbeiten beginnen.
Gott schenkt uns die Nacht, und er gönnt uns den Schlaf.
Jeder weiß, wie sehr der Tag geprägt ist, wenn die Nacht nicht gut
war. Gott will uns guten Schlaf ermöglichen.
Ich nenne mal zwei Erkenntnisse aus den Psalmen, die uns in Sachen
Schlaf weiterhelfen können:
Ps. 4,9: Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; denn allein du, Herr
hilfst mir, dass ich sicher wohne.
Ps. 127,2: Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange
sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er
es im Schlafe.
Also: die Nacht in diesem Sinne des Ausruhens und zu neuen KräftenKommens ist eine gute Gabe Gottes.
Von dieser Seite der Nacht singen manche unserer Abendlieder. Ich
empfehle Ihnen allen, dass sie mal mit den Abendliedern unseres
Gesangbuches umgehen. Sie sind eine Fundgrube für weises Leben
und für die richtigen Schwerpunkte.
In einem der ganz vertrauten singt Matthias Claudius: Wie ist die
Welt so stille und in der Dämmrung Hülle so traulich und so hold als
eine stille Kammer, wo ihr des Tages Jammer verschlafen und
vergessen sollt.
Wie fremd ist uns das geworden! Für uns riecht das eher nach
Romantik und Biedermeier, nach heiler Welt. Haben wir Gottes
Angebot eines guten, behüteten Nachtschlafes verloren?
Noch ein Vers aus einem anderen Abendlied von Gerhard
Tersteegen: Ich schließe mich aufs Neue in deine Vatertreue und
Schutz und Herze ein; der Finsternis Geschäfte und alle bösen Kräfte
vertreibe durch dein Nahesein.
Ein tolles Bild. Das Angebot, dass ich mich vor allen bösen Mächten
wegschließe, dass ich mich einschließe in die Vatertreue Gottes. Ich
liege also in einem abgesperrten Bezirk, sicher verwahrt. Kennen wir
das eigentlich noch? Dass wir uns in Gott einschließen. In
Tersteegens Lied ist später davon die Rede, dass Gott uns zu sich
hinein-ruft. Wie ist es damit? Hören wir diesen Ruf noch? Ist das
überhaupt noch ein Gedanke unseres Einschlafens, dass Gott mich in
seinen persönlichen Schutz hineinruft, wenn ich mich in den Schlaf
abgebe. Gott will uns zu ausgeschlafenen, wachen und aufgeweckten
Menschen werden lassen – auch durch einen barmherzigen Umgang
mit unseren Nächten.
2. Problem-Anzeigen: Warum ich vielleicht nicht der Richtige
bin…
In unserer Fernsehbeilage der Tageszeitung beobachte ich sehr oft
ganzseitige Anzeigen zu dem Thema: Schlaflosigkeit – Volkskrankheit
Nr. 1. Das lässt mich vermuten, dass die Sache mit der guten Nacht
und dem friedvollen Schlaf keineswegs selbstverständlich ist.
Und hierher gehört auch ein persönliches Geständnis: Ich selbst weiß
eine ganze Menge von gestörtem Schlaf. Ich gehöre zu der großen
Zahl derer, die eben nicht gut schlafen. Ich kenne es gut, dass ich
nicht in den Schlaf finde, früh aufwache und mir alles Mögliche durch
den Kopf geht. Also, vielleicht bin ich gar nicht der Richtige für dieses
Thema, oder auch gerade doch.
Also, ich weiß, wie es ist, wenn man nicht schlafen kann. Ich weiß,
dass Stress und Sorgen uns wach halten. Ich weiß, dass all die Lasten
nachts noch größer und mächtiger werden. Ich weiß, dass ich das
alles auch nur bedingt beeinflussen kann. Ich kann da nicht so ohne
Weiteres aus meiner Haut.
Und dann kommt auch hinzu, dass Menschen ja oft die Nacht zum
Tage machen und bis spät in den Abend hinein angespannt sind.
Wir sind einer Flut von Nachrichten und Infos ausgesetzt, die uns
gerade abends erreichen. Die Hauptnachrichtensendungen werden
abends angeboten und werben um unsere Aufmerksamkeit. Uferlos
und rund um die Uhr beliefern uns unsere Medien. Es ist laut und
grell und auch aufregend um uns und dann auch in uns.
Und manche Last drückt auch im persönlichen Bereich. Und nachts
simulieren wir dann mögliche Entwicklungen und oft auch die
denkbar schlechten Varianten.
Und dann erleben wir auch die bedrohliche Seite der Nacht und des
Dunkels. Die gibt es ja auch. Und da füllt sich eine Liedzeile aus einem
weiteren Abendlied ganz neu: Wo bist du, Sonne, blieben? Die Nacht
hat dich vertrieben, die Nacht des Tages Feind.
Nachts vergeht uns sie Sonne und das Helle in unserem Leben. Das
Dunkel ficht uns an und belastet uns.
Das ist auch eine Seite der Nacht. Und gilt dann noch: Gott gewährt
uns das Geschenk der Nacht, den Schlaf?
Was machen wir nun mit dieser Seite der Medaille?
3. Gedankensplitter zur Zuversicht in der Nacht
Dass wir die Gabe der Nacht neu entdecken, hat ja auch damit zu tun,
dass wir lernen, loszulassen. Ich vermute, dass uns Gott als der Herr
unseres Lebens und als der, der uns führt, unter der Hand zu weit
abhandengekommen ist. Und deshalb fühlen wir selbst uns
zunehmend für alles selbst verantwortlich. Wir müssen allein die
Probleme lösen, wir müssen die Dinge im Griff behalten. Wer sonst?
Die Kunst, loszulassen, ist eben genau das – eine Kunst. Wir halten so
vieles verbissen und krampfhaft fest. Unsere Hände sind dabei mehr
zu Klauen geworden.
Loslassen üben – wie kann das gehen? Wie kann ich Gott mehr Raum
geben, damit ich freier werde. Was kann ich tun, wenn ich nicht
schlafen kann?
Nur ein paar kleine Hinweise – wie schon gesagt von einem, der es
eben auch nicht im Griff hat.
Vom Glauben her gilt: Jesus geht mit in unsere Nächte, auch wenn
wir das nicht glauben können und gerade nicht spüren. In einem Lied
aus dem 19. Jahrhundert hat die Dichterin inmitten einer sehr
schweren persönlichen Lebensführung in ihrem Herzen folgendes
gespürt: Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du
führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht. Das gilt erst einmal
über unseren dramatischen Nächten und auch jenseits von unseren
Erfahrungen. Jesus ist da. Und er kennt sich im Dunkel aus.
Auf einer etwas leichteren Ebene können wir aber kleine Dinge
einüben:
Vielleicht hilft es Ihnen, in Ihrem Schlafzimmer ein Kruzifix
aufzustellen oder an die Wand zu hängen. Wenn Sie nicht schlafen
können, machen Sie das Licht an und sehen Sie sich den Mann am
Kreuz an, der als der gute Hirte bei Ihnen ist.
Schon gesagt ist, dass Sie die Schätze unseres Gesangbuches heben
können. Entdecken Sie den Reichtum der Abendlieder. Der erschließt
sich im Übrigen in aller Regel nicht beim ersten und einmaligen
Lesen. Man muss damit umgehen. Man muss ihnen die Chance
geben, das eigene Herz zu erreichen. Und dann leben sie mal für eine
Zeit mit einem solchen Abendlied. Wiederholen Sie es. Sagen Sie es
laut auf oder singen Sie es laut. Und machen Sie die Texte zu Ihren
eigenen Gebeten – eben z.B. den, den Sie schon gehört haben: Ich
schließe mich aufs Neue in deine Vatertreue und Schutz und Herze
ein; der Finsternis Geschäfte und alle bösen Kräfte vertreibe durch
dein Nahesein.
Übrigens, in den Abendliedern findet sich auch die Erinnerung daran,
dass der Schlaf ein Bruder des Todes ist, und diese Gedichte laden
uns auch ein, unser Ende zu bedenken. Das ist ja auch durchaus
weise. Denn im Tod geht es um das letzte Loslassen und um die
richtigen Prioritäten: Ein Tag, der sagt dem andern, mein Leben sei
ein Wandern zur großen Ewigkeit. O Ewigkeit, so schöne, mein Herz
an dich gewöhne, mein Heim ist nicht in dieser Zeit.
Im Angesicht dieser Ziellinie verliert vieles an Bedeutung und die
Kunst des Loslassens gelingt besser.
Entdecken Sie unser Gesangbuch auch als Gebetbuch. Im hinteren
Teil ab der Nummer 860 geht es da ums Gebet und von Nr. 894 – 901
finden Sie Abendgebete. Leihen Sie sich Worte anderer zum Beten.
Sie können das Jesus-Gebet entdecken, wenn Sie nicht schlafen
können. Das geht so: Achten Sie auf Ihren Atem, wie er kommt und
wie er geht. Und dann denken Sie beim Einatmen: Herr Jesus, Sohn
Gottes.. – und beim Ausatmen: erbarme dich mein. Vielleicht
machen Sie das mal für eine Weile und erleben, dass Ihre
Grundausrichtung sich verändert.
Nehmen Sie sich ein Bibelwort, das Sie für eine Weile begleitet, das
Ihnen wohl tut und Sie an Gottes Macht und Liebe erinnert – und
sprechen oder denken Sie es vor Gott.
Stellen Sie einen CD-Spieler auf und hören Sie Musik, die Sie beruhigt
und Ihnen gut tut. Da kommen Gottes gute Gaben in der Musik als
Macht des Trostes zu Ihnen.
Wenn Sie merken, dass Ihnen bestimmte Sendungen am Fernsehen
vor dem Einschlafen nicht gut tun, dann denken Sie daran: Der
vielleicht wichtigste Knopf der Fernbedienung ist der kleine – zumeist
rote – mit dem Sie das Gerät ausschalten.
Kann sein, dass die Nachrichtenlage dieser Welt Sie beunruhigt und
nicht in den Schlaf finden lässt. Dann lassen Sie doch das „heute
journal“ oder die „tagesthemen“ einfach weg. Mir geht es nicht
darum, die Welt zu verneinen und den Kopf in den Sand zu stecken.
Aber ich finde es immer wichtiger, in der Flut der Informationen auch
gelegentlich mal für einen Tag in der Woche z.B. zu fasten, was
Zeitung und Nachrichtensendungen angeht. Das hat ja auch mit
loslassen zu tun. Gewöhnen Sie sich da an, was Ihnen gut tut.
In Eph.4,26 gibt es noch einen weisen Rat für die Nacht: Lasst die
Sonne nicht über eurem Zorn untergehen. Geben Sie ab, was Sie
ärgert. Nehmen Sie den Zorn nicht mit. Versöhnen Sie sich mit Ihrem
Ehepartner, der neben Ihnen im Bett liegt.
Kleine Tipps, die uns helfen können, um die Gabe einer friedlichen
Nacht wieder zu entdecken. Das ist ein Geschenk Gottes, das wir als
Geschöpfe brauchen. Wir dürfen dankbar sein, dass wir ein Bett
haben, ein Dach über dem Kopf, dass wir in Frieden leben, dass wir
um Jesus wissen dürfen….
Vielleicht wäre das ja manchmal auch ein Tipp für unsere Nächte:
Dass wir uns mal bewusst machen, wofür wir danken können. Auch
das kann uns zu guten Gedanken führen und zum getrosten
Einschlafen bringen.
Ein Gedicht von Rudolf Alexander Schröder aus dem Jahre 1942 (!)
zum Schluss:
Abend ward, bald kommt die Nacht, schlafen geht die Welt, denn sie
weiß, es ist die Wacht über ihr bestellt.
Einer wacht und trägt allein ihre Müh und Plag, der lässt keinen
einsam sein, weder Nacht noch Tag.
Jesu Christ, mein Hort und Halt, dein gedenk ich nun, tu mit Bitten dir
Gewalt: Bleib bei meinem Ruhn.
Wenn dein Aug ob meinem wacht, wenn dein Trost mir frommt, weiß
ich, dass auf gute Nacht guter Morgen kommt.
Nächste Woche: Jahreszeiten des Lebens