„Der Charakter des Mannes … und die Tugend der Frau“ Zwei Vorträge der Lesereihe „Altes neu entdeckt! Historische Literatur moderne Themen 2016“ ( am 20.4. und 18.5. jeweils um 18.00 Uhr im Foyer des Hauses Martfeld ) beschäftigen sich mit dieser Thematik. Anhand des Buches von Friedrich Ehrenberg „Der Charakter und die Bestimmung des Mannes“, Elberfeld 1822, wird der Charakter des Mannes aus der damaligen Sicht beleuchtet und dagegen – im Zuge der Gleichberechtigung – eine Stimme der Zeit zur Rolle der Frau zu Gehör gebracht. „Die Bestimmung der Frau und ihr einziger Ruhm liegt darin, das Herz der Männer schlagen zu lassen.“ (Honoré de Balzac, Physiologie du mariage, 1829). „Das Wort Frau braucht man erstlich als einen Ehrennamen, da es so viel heißet, als eine Gebietherinn. … 2) Zweitens, bedeutet das Wort Frau, eine Gebietherinn im Hause,… 3) Drittens bedeutet es Ehefrau.“ (Samuel Ernst Stosch, Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache, Frankfurt/Oder, 1777) Diese beiden Zitate zum Begriff „Frau“ aus der Zeit gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts deuten die Bandbreite an, die in jener Zeit mit diesem Wort verbunden war. Sie zeigen auch die in der Zeit der Aufklärung sich entwickelnde Festlegung der Rollen von Frau und Mann: So fiel dem Mann in erster Linie die Rolle des Ernährers der Familie zu, während man der Frau die Rolle der sorgenden Hausfrau und Mutter zuschrieb. Während bis zur Zeit der Romantik in allen Schichten der Bevölkerung die Ehe überwiegend als Zweckgemeinschaft angesehen wurde, entwickelte sich seitdem die Idee der Liebesheirat zum Ideal des Bürgertums. Diese Rollenmuster brachen erst im 20. Jahrhundert nach und nach auf; mehrmals wurden die Gesetze der geänderten gesellschaftlichen Situation angepasst. Allerdings konnte z. B. der Ehemann noch bis 1958 den Anstellungsvertrag seiner Ehefrau ohne deren Zustimmung fristlos kündigen. Auch hatte er das alleinige Bestimmungsrecht über Ehefrau und Kinder inne und verwaltete den Lohn seiner Gattin. Bezeichnend für das Frauenbild in den 1950-er Jahren ist auch diese Stimme: „Halten Sie das Abendessen bereit. Planen Sie vorausschauend, eventuell schon am Vorabend, damit die köstliche Mahlzeit rechtzeitig fertig ist, wenn er nach Hause kommt. So zeigen Sie ihm, dass Sie an ihn gedacht haben und dass Ihnen seine Bedürfnisse am Herzen liegen…“. „Hören Sie ihm zu. Sie mögen ein Dutzend wichtiger Dinge auf dem Herzen haben, aber wenn er heimkommt, ist nicht der geeignete Augenblick, darüber zu sprechen. Lassen Sie ihn zuerst erzählen und vergessen Sie nicht, dass seine Gesprächsthemen wichtiger sind als Ihre. Der Abend gehört ihm…“. „Machen Sie sich schick. Gönnen Sie sich 15 Minuten Pause, so dass Sie erfrischt sind, wenn er ankommt. Legen Sie Make-up nach, knüpfen Sie ein Band ins Haar, so dass Sie adrett aussehen...“. (aus: Das Handbuch für die gute Ehefrau; Houskeeping Monthly, 13. Mai 1955) Die beiden Referenten wollen versuchen, die Meinung eines Autors des frühen 19. Jahrhunderts - auch in der Diskussion mit dem Publikum - heutigen Ansichten gegenüberzustellen, wobei das vergnügliche Augenzwinkern nicht zu kurz kommen soll.
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