In Vino Veritas - Über Wahrheit und Lüge Der Fachverband Ethik - Bundesverband führte seine diesjährige Tagung „Über Wahrheit und Lüge im moralischen und politischen Sinn” von 9. bis 11. Oktober 2015 diesmal in Würzburg durch, und zwar in den stimmungsvollen Räumen der Zehntscheune des Juliusspitals mit seiner historischmodernen Weinkellerei. Auch das herbstlich kühle Wetter mit freundlichem Sonnenschein trug zu dem angenehm-inspirierenden Rahmen bei. Und dieser konnte seine Wirkung gleich zu Beginn der Tagung in unerwarteter Weise entfalten und viele persönliche Gespräche beflügeln: Die BahnAnreise des ersten Referenten hatte sich nämlich wegen mehrerer Zwischenfälle um zwei Stunden verzögert. Der Jurist Roman Portack (Berlin) berichtete über die Grundsätze des Deutschen Presserats und stellte dabei heraus, dass es hier um die Einhaltung eines Regelwerkes gehe, das sich Journalisten und Verleger selbst gegeben hätten mit dem Ziel, ein befürchtetes Eingreifen des Gesetzgebers zu vermeiden. Zwar sind an den Verfahren des Presserats Juristen beteiligt, jedoch gehe es - anders als vor Gericht - nicht um das Herausfinden einer Wahrheit. Bernhard Pörksen (Tübingen) arbeitete aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht heraus, wie „Wahrheiten” als Ergebnisse von Kommunikationsprozessen zu verstehen seien, eine Art der Wahrheit, die sich abhebt von den Wahrheitsansprüchen mancher Philosophen. Der Publizist F. William Engdahl (USA) stellte anhand aktueller Dokumente viele Dinge infrage, die die Rolle der USA z. B. im Rahmen der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine betreffen; keineswegs gehe es dieser Weltmacht um eine Durchsetzung etwa von Menschenrechten, sondern um andere Interessen. „Wahrheit” sei zwar in den offiziellen Verlautbarungen auch enthalten, allgemein gehört werde aber ein ablenkendes Drumherum. Es bedürfe also eines eingehenden Studiums unterschiedlicher Quellen und eines genauen und kritischen Hinsehens und Hinterfragens. Peter Antes (Hannover) beleuchtete Lügenverbote aus religionswissenschaftlicher Perspektive. Er wies darauf hin, dass zunächst ein Verbot falscher Beschuldigungen vorhanden war, das erst im Laufe einer längeren Entwicklung in ein allgemeines Lügenverbot umgedeutet wurde. Alltägliches Äußern von Unwahrheiten oder Lügen strich Hanns Frericks (Stuttgart) als sozialaes Schmiermittel und als Mittel zur Unterhaltung heraus, wobei sowohl Lügner als auch Belogene genau wissen, was jeweils gespielt werde. Kants Lügenverbot steht hierzu in einem deutlichen Kontrast und erweist sich in seiner Gleichsetzung von sprachlicher Äußerung und eigentlichem Gedankeninhalt als ungeeignet zum Umgang mit Wahrheit oder Lüge in der wirklichen Welt. Abwechslungsreiche Workshops boten u. a. Unterrichtsreihen zum Thema „Lüge und Wahrhaftigkeit” für die 8. Jahrgangsstufe (Klaus Goergen, Weingarten) oder zu „Wahrhaftigkeit und Skepsis in der Grundschule” (Rita Jeanty, Luxembourg). In der Mitgliederversammlung wurde ein neuer Bundesvorstand des Fachverband Ethik gewählt: Als Vorsitzende wurde Gesine Fuß (München) bestätigt; ihr Stellvertreter ist nunmehr Achim Jung (Landstuhl/Pfalz); die Kasse führt Peter Kriesel (Brandenburg/H.). Den Beisitz bilden Carsten Held (Eisenhüttenstadt), Ole Kazich (Tübingen) und Michaela Scheffczyk (Stuttgart). Ein geselliger Abend mit einer Führung durch die moderne Kellerei und einer Weinprobe im historischen Weinkeller ermöglichte praktische Erfahrungen einer weiteren Dimension von Wahrheit. Und wahr ist auch, dass nach zwölf Jahren erstmals wieder eine Bundestagung des Fachverband Ethik in Bayern stattfand, diese Ortswahl aber zu einem zahlreichen Besuch hauptsächlich nicht-bayerischer KollegInnen führte. Bei anhaltend ruhigem Herbstwetter gelang den Teilnehmern eine weithin störungsfreie Heimreise. Und bei unserer häuslichen Arbeit denken wir neu nach über Wahrheit und Lüge, wenn wir beispielsweise Schülerarbeiten korrigieren ... Werner Fuß Oktober 2015
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