Ein Abend voll romantischen Schweifzügen der Fantasie und surrealer Spracherotik. Und voller Überraschungen: Der Marquis de Sade sendet aus dem Kerker Zarte Liebesgrüsse an seine Frau, umsäuselt seinen "siebzehnten Planet der Venus" als "Wonne Mohameds". Dafür lauert der reine Rousseau als Exhibitionist in einem dunklen Busch Frauen auf, bevor er sich an den Sexualorganen der Blumenkelche und Staubfäden entzückt und mitten in der Waldeseinsamkeit eine Strumpffabrik entdeckt. Rousseau – Sade. Der gute Mensch gegen den bösen Menschen. Jenseits dieser billigen Schematik, tauchen wir mit Sade in die märchenhaft monströse Welt des Menschenfressers Minski, bevor wir mit Rousseau über den Wellen des Bielersees in sanfte Ekstasen entschweben. Die Verzuckungsspitze von Rousseaus Werk! So verfolgen wir die Frühgeburt des Surrealismus aus dem Geist der Romantik. Und landen mitten im jetzt: Ein weichgespülter und enthirnter Sade geistert durch die 50 Shades unserer Gegenwart. Der harmlose konsumrausch im Pain Room wäre aber eher etwas für Rousseau gewesen, der sich gern von seiner "Maman" den hintern versohlen ließ. Statt Sade mit Sacher-Masoch zu S/M zu verketten, sollte man vielleicht besser von S/R reden. Stefan Zweifel hat Sade (mit Michael Pfister) und Rousseau neu übersetzt. Am Literaturfestival Leukerbad war sein Auftritt mit Thomas Sarbacher zu diesem kongenitalen Duo ein vielgelobter Höhepunkt. Jetzt werden sie noch umtrommelt von Julian Sartorius. So wie schon Rimbaud und Artaud: https://www.youtube.com/watch?v=hi4StjggdCs&feature=youtu.be Sade und seine Frau mussten ihre Liebesgeheimnisse mit Geheimtinte vor den Gefängniszensoren verbergen. Der Text erschien erst, wenn sie den Brief über Kerzen hielten. Brandbomben der Phantasie erscheinen zwischen Brandlochern der Liebe. Sades Schädel des Bösen wird von den Jasskarten umflattert, auf die Rousseau bei Spaziergängen seine Träumereien notierte. So fügt sich das 17. Jahrhundert zu einer Collage der Gegenwart wie auf dem Bild von Blumenfeld, das zur Zeit in der Dada Ausstellung im Landesmuseum zu sehen ist.
© Copyright 2024 ExpyDoc