Schule: Bundesrealgymnasium Ried im Innkreis Betreuenden Lehrerin: Mag. Renate Putscher Schüler: Daniel Pretzer Thema: Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen „Dies gehört mir“ und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört“. Jean-Jacques Rousseau: Diskurs über die Ungleichheit (Ed. Meier). UTB, 2008, S.173 Um dieses Zitat zu analysieren und reflektieren, muss man sich ein Bild von Jean-Jacques Rousseau machen. Als Ideal des Menschen sieht der Philosoph den Ur- oder Naturmenschen, der seines Erachtens nach frei geboren wird, ohne jeglichen Vorteil gegenüber anderen. Er lebte zu einer Zeit in der ein Umschwung von gottgewollter Ordnung, auf der das Mittelalter beruhte, zu einer neuen gesellschaftlichen Lebensform stattfand. Aber wie kann man diese neue Gesellschaft, die kein essentielles, unbedingtes Fundament mehr gehabt hat begründen? Mithilfe des von ihm entworfenen Gesellschaftsvertrags versuchte er eine neue Form, entgegengesetzt dem Feudalismus, des Zusammenlebens zu entwickeln, in der jedem Menschen ein friedvolles Leben garantiert ist. In seinem „Contrat Social“ beschreibt Rousseau zuerst einen Naturzustand, während diesem alle Menschen in Frieden, ohne Eigentum und selbstgenügsam existieren, welcher für ihn das Paradies widerspiegelt. Ein paradiesischer Naturzustand. Jedoch weilt dieser nicht lange, denn darauf folgt der durch Ackerbau und Viehzucht florierende Feudalismus, welcher wiederum in Neid und Konkurrenz, im Egoismus der Individuen, einfacher, in der Zerstörung des Naturzustandes mündet. Um wieder ein menschenwürdiges Zusammenleben zu gewähren, müssen alle Menschen einen Vertrag abschließen, in welchem alle Rechte der Individuen an das Gemeinwesen als Ganzes gehen, wobei es keine Sonderrechte gibt. Anschließend daran wird ein gemeinsamer Souverän des Staates gewählt. Der Bürger hat in diesem Gebilde eine doppelte Aufgabe, er muss sowohl dem Souverän gehorsam leisten, als auch als Teil des Souveräns fungieren. Dies veranschaulicht wunderbar Rousseaus Menschenbild, den er als moralisch und tugendhaft ansieht. Wenn man sich über diese Anschauungsweisen von Rousseau bewusst ist, kommen mir einige Fragen auf. Wenn der Mensch von Grund auf gut sei, woher entspringt dann der Gedanke, sich Land anzueignen, welches einem nicht gehört? Und falls dieser „Betrüger“ anschließend behauptet, es wäre sein Land, wieso schenken ihm die anderen Menschen Glauben, wenn doch sie es sind, die sich eines friedlichen und gesitteten Zusammenlebens bewusst sind und den Verstand der für eine zivilisierte Gesellschaft notwendig ist besitzen? Deshalb bin ich der Ansicht, Rousseau irrt sich, mit der Annahme, der Mensch sei von Grund auf gut. „Homo homini lupus“, der Mensch ist des Menschen Wolf. In erster Linie dominiert jedes Individuum der Gedanke des eigenen Überlebens, dies soll keineswegs eine abwertende Behauptung über die Spezies Mensch sein, sondern lediglich eine nüchterne Betrachtung unserer selbst. Und aus dieser Erkenntnis lässt sich das Verhalten des Betrügers in Rousseaus Zitat schließen, dieser möchte sich selbst über die Masse stellen und somit über mehr Macht, beziehungsweise mehr Ansehen verfügen. Diese Macht gewährleistet dem Betrüger Sicherheit, da er das Land als finanzielle Rücklage aber auch wirtschaftliche Anbaumöglichkeit nutzen kann. Jedoch wäre dies nicht möglich, ohne die Einfältigkeit der anderen Bürger. Denn wer würde diesem Menschen Glauben schenken? Ein guter Mensch? Ein böser Mensch? Weder noch sage ich, ich behaupte in diesem Fall, es gibt keine bösen Menschen, es gibt nur dumme Menschen. Nur ein dummer Mensch würde die Worte eines Betrügers für bare Münzen nehmen, ohne zu hinterfragen oder die Richtigkeit der Aussage anzuzweifeln. Der Lügner selbst mag gewieft sein, jedoch wird er bei keinem gebildeten Wesen auf Anklang stoßen, somit profitiert er von der Einfältigkeit und Torheit der Menschen, die ihm Glauben schenken. Die Aufteilung der Menschen in potentiell „Gut“ oder „Böse“ ist meines Erachtens nach eine subjektive Behauptung, die weder begründet, noch bewiesen werden kann. Bildung und Aufklärung, rationales Denken, Unvoreingenommenheit und die Hinwendung zu den Naturwissenschaften sind erstrebenswert und essentiell zum Gewinn von Erkenntnissen und Bildung einer eigenen Perspektive, welche wiederum zu neuen Erkenntnissen führen kann. Wenn man das Zitat auf die heutige Zeit reflektiert, unter der Berücksichtigung der materialistisch geprägten Gesellschaft in welcher wir weilen, lässt sich nichts anderes machen als Rousseau beizupflichten. Es hängt nur mehr davon ab wie viel von was wer hat, ein ständiges Wechselspiel der Konkurrenzkämpfe, ein Wettstreit um die Spitze des Classements. Und wie viele Kriege wurden schon geführt um die materiellen Dinge, ob Öl oder Land, ganz egal. Wie viele Tode müssen wir beklagen aufgrund reiner Dummheit des Menschen, nicht verstehend, nichts wissend wie egoistisch und eigennützig die Taten auch sind. Es läuft etwas falsch in der Gesellschaft, das steht fest. Man nehme nur die aktuelle Oxfam-Studie laut welcher 62 der reichsten Menschen, die Hälfte des Weltvermögens besitzen. Dies bestätigt wiederum die lateinische Sentenz „homo homini lupus“, jeder Mensch handelt dem eigenen Wohle zugute. Jedoch, wobei es früher noch ums reine Überleben ging, steckt heute weit mehr als nur das lose Dahinvegetieren hinter dem Sprichwort, sondern eher das, wie weit ich mich von der Masse abheben kann, ohne meine Mitbürger (alle Menschen der Welt sind eines/-r jeden Mitbürger) zu berücksichtigen und die potentiellen Schäden die ich durch mein Handeln verursache zu bereuen. Somit hatte der Römer Plautus damals schon Recht, der Mensch ist wahrlich ein Wolf. Ebenso wie die moderne Gesellschaft, lassen sich auch die Religionen mit diesem Zitat in Verbindung bringen. Menschen die, damals wie heute, einfältig genug waren einem, wenn man so will, „Propheten“ Glauben zu schenken, verbreiteten so diesen Glauben und schafften damit die Religionen. Natürlich wäre dies kein Problem, wenn jeder Mensch andere Religionen und Glaubensrichtungen akzeptieren und respektieren könnte. Auch wäre es notwendig, den Religionen weder einer politischen noch wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Rolle teilhaben zu lassen, sie sollten einfach ein Konzept des Glaubens sein und unabhängig von materiellen Dingen wie Geld (z.B.: Kirchensteuer) oder einer Baulichkeit (Kirche, Moschee, ...). Um an etwas zu glauben brauche ich weder eine Kirche, noch Gott, nur meinen Verstand. Jedoch ist dies alles nicht der Fall. Glaubenskrieger gibt es seit je her, die andersgläubige Menschen töten und misshandeln, aufgrund einer anderen Auslebung einer Religion oder einer ungleichartigen Glaubensrichtung. Ich würde sogar so weit gehen, das Zitat an dieser Stelle nur minimal umzuändern, die Richtigkeit beibehaltend, um die starke Verbundenheit zum Religionsglauben zu veranschaulichen. Der erste, der behauptete es gäbe einen Gott, welcher der einzig wahre war und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der religiösen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Aussagen widerlegt und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: „Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass es auf eure Individualität, eure geistige Intelligenz und nicht die leeren Worten und Erfindungen anderer ankommt.“ Für mich besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Glauben und einer Religion, wobei ich mich beim Glauben auf eine transzendentale Ebene beziehe. Eine Religion macht das Glauben zum Zwang, sie bindet den Verstand an einen Pfahl der Konfession ohne Spielraum für eigene Meinungen oder Freiraum für andere Kulturen. Das Vertrauen auf eine metaphysische Gestalt gibt Menschen Hoffnung und oft einen Lichtblick in schweren Zeiten und scheinbar ausweglosen Situationen, jedoch ist für solch eine Verbundenheit keine reelle Gemeinschaft notwendig. Die Menschen sollten öfter Gebrauch von ihrem, von Natur aus gegebenem, Verstand machen und wieder mit Logik hantieren anstatt sich mithilfe göttlicher, allwissender Weltenschöpfer für ihr humanes Tun zu rechtfertigen. Zusammenfassend würde ich meinen, die Menschheit sollte sich wieder den idealistischen Zügen des Lebens zuwenden und den Materialismus ruhen lassen. Das Hauptaugenmerk sollte auf Bildung, auf Aufklärung beruhen, um eine denkende, intelligente Masse an Menschen zu erzeugen und somit eine Welt, für die es sich lohnt zu leben. Aber auch die transzendentale Essenzen des Lebens, wie die Liebe, Poesie oder Romantik, welche das Leben lebenswert machen, sollten mehr Aufmerksamkeit erfahren. „Ich ging in die Wälder, weil ich bewusst leben wollte. Ich wollte das Dasein auskosten. Ich wollte das Mark des Lebens einsaugen! Und alles fortwerfen, das kein Leben barg, um nicht an meinem Todestag Innezuwerden, daß ich nie gelebt hatte.“ Henry David Thoreau über seinen Ausstieg auf Zeit von der Gesellschaft. Es bedarf einer eskapistischen Handlung, sich erneut der romantischen und poetischen Nuancen des Lebens zu erinnern und somit das Bürgertum auf unbeschränkte Zeit auf Abstand zu halten, wie Thoreau 1845 eindrucksvoll veranschaulichte. Auch der amerikanische, vom Pantheismus angehauchte, Lyriker Walt Whitman ermutigte die Menschen zu mehr Eigeninitiative, mehr eigenem Denken und drängte zum Individualismus. Jede/-r ist anders, jede/-r denkt anders. Um Fortschritte zu machen und neue Erkenntnisse zu sammeln braucht man eine Varietät an Perspektiven, an Blickwinkeln, welche alle eine neue Sicht auf das zu Betrachtende geben. „... Wozu bin ich? Wozu nutzt dieses Leben? Die Antwort: Damit du hier bist. Damit das Leben nicht zu Ende geht, deine Individualität. Damit das Spiel der Mächte weiterbesteht und du deinen Vers dazu beitragen kannst.“ Ein Auszug aus Walt Whitmans 166. Gedicht seines Hauptwerks „Leaves of Grass“. Welcher wird Ihr Vers sein?
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