Rede zur Trauerfeier zu Ehren von Dr. h.c. Tom Mutters. Liebe Frau Mutters, liebe Familie, sehr geehrte Trauergemeinde, der Tod von Herrn Mutters hat bei Ihnen und bei uns allen große Betroffenheit ausgelöst. Aber auch im Ausland wird über den Verlust dieser großen Persönlichkeit der Behindertenhilfe getrauert. Ich möchte Ihnen im Namen des Vorstandes von Inclusion International mein herzliches Beileid aussprechen! Diane Richler, die langjährige Präsidentin von Inclusion International, Kanada, hat es in die Worte gefasst: „Eine Ära ist zu Ende gegangen; die Ära der großen Gründungsmänner und Gründungsfrauen, die nach der Verkündung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Vereinten Nationen im Jahr 1948 die Behindertenhilfe aufgebaut und die Anerkennung von Menschen mit einer geistigen Behinderung und ihren Familien als gleichberechtigte Bürger ihres Landes eingefordert haben.“ Als Tom Mutters noch in seiner Eigenschaft als Offizier der Vereinten Nationen eines der Mädchen mit geistiger Behinderung, die 1945 das furchtbare Elend in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten überlebt hatten und von ihm als sog. displaced persons in Goddelau betreut wurden, endlich zu seiner in die Vereinigten Staaten ausgewanderten leiblichen Mutter bringen konnte, lernte er das Ehepaar Rosemary und Gunnar Dybward kennen, zwei große Kämpfernaturen, die wenige Jahre zuvor die US – amerikanische Elternvereinigung THE ARC gegründet hatten. Sie vermittelten ihm die Botschaft: „Hilfen für Menschen mit einer geistigen Behinderung können nur dauerhaft erwachsen, wenn Eltern und Angehörige die Initiative ergreifen und die erforderlichen Dinge selbst in die Hand nehmen.“„Hilfe zur Selbsthilfe“durch die Gründung lokaler Elternvereine, das war die Lösung! Tom Mutters hat sie aufgegriffen und auf meisterhafte Weise verwirklicht, denn er hat nicht nur die Lebenshilfe, sondern im Jahr 1960 gemeinsam mit Rosemary und Gunnar Dybward, Yvonne Pasternak, Schweiz, George Lee, Großbritannien und Donald Beasley, Neuseeland, die Internationale Liga für Menschen mit geistiger Behinderung– ILSMH gegründet, den Weltverband, der heute den Namen Inclusion International trägt und etwa 200 Mitgliedsorganisationen in 115 Staaten umfasst. Zeit seines Lebens war Tom Mutters international ausgerichtet. Er wirkte in Deutschland, aber er war und blieb holländischer Staatsbürger, immer aufgeschlossen für wichtige Impulse aus aller Welt. Z.B. offen für das Normalisierungsprinzip, das vor allem in Skandinavien entwickelt worden ist und den Gedanken der Inklusion und Teilhabe, der unsere heutige Arbeit prägt, bereits vorweggenommen hat. Er hat die Höhenflüge der Lebenshilfe, die in den 1970er Jahren einsetzten, auch dazu genutzt, Menschen und Selbsthilfegruppen aus den ärmeren Ländern dieser Welt zu unterstützen. Er hat dafür gesorgt, dass wir hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Tellerrand unserer Aufgabenfelder hinausblicken konnten. Unvergessen ist mir eine von ihm organisierte Reise für die Fachabteilungen der Bundesvereinigung Lebenshilfe Anfang der 1980er Jahre nach Dänemark und Schweden, um uns das bereits erwähnte Normalisierungsprinzip und seine Umsetzung in Gesetzgebung und Praxis nahezubringen. Unvergessen auch sein Einsatz zur Durchführung des ersten europäischen Kongresses für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien im Jahr 1984 in Hamburg, als es ihm gelang, Prof. Wolf Wolfensberger als Hauptredner zu gewinnen und einzuladen. Wolfensberger, den großen Vorkämpfer für den Gedanken der Selbstvertretung – Self Advocacy –von Menschen mit geistiger Behinderung, der 1938 vor den Nazis in die USA fliehen musste und eigentlich nie wieder deutschen Boden betreten wollte. Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, dass auch ich, auch ich ganz persönlich, Tom Mutters viel zu verdanken habe. Ohne ihn, ohne seine Anstöße wäre ich heute nicht Präsident von Inclusion International. Er hat es mir ermöglicht, bereits im Jahr 1986 in den Vorstand der Internationalen Liga gewählt zu werden und internationale Kontakte zu knüpfen. Tom Mutters war ein Kosmopolit, er war mit seinen Gedanken, und Plänen seiner Zeit immer ein Stück voraus. 1989, als die Mauer fiel und die deutsche Teilung beendet wurde, war er sofort zur Stelle. Er war es, der nicht nur mit vollem Einsatz half, die Lebenshilfe DDR zu gründen, nein, er dachte gleich weiter: Er nutzte seine internationalen Verbindungen, um in Russland, in der Ukraine, in den baltischen Ländern den Gedanken der Selbsthilfe zu verkünden. Nicht nur wir, sondern auch viele Menschen im Ausland verdanken ihm viel, sehr viel. Ich verbeuge mich vor ihm und seiner Lebensleistung und ich verbeuge mich vor Ihnen, liebe Frau Mutters. Sie haben immer an seiner Seite gestanden und es ihm ermöglicht, unermüdlich für seine Vision einer humanen und toleranten Gesellschaft zu kämpfen, die Menschen mit einer geistigen Behinderung ein würdevolles Leben ermöglicht. Marburg, 16. Februar 2016 Klaus Lachwitz Präsident Inclusion International London, United Kingdom
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