IWF und Schuldenkrise AfD und Front National BBQ und Autorennen Alarmsignal: 108 Staaten sind weltweit in kritischer Lage. Seite 2 Die Rechtsaußen in der EU träumen vom europäischen Schulterschluss. Seite 3 Sandow Birk über sein Buch »American Qur’an« Seite 15 Abb.: Sandow Birk Freitag, 15. April 2016 STANDPUNKT Integration auf Hartz-IV-Niveau 71. Jahrgang/Nr. 88 Irgendwann knallt’s irgendwo Fingierte Prüfungen und Terrorverdacht erinnern an atomare Gefahr in Deutschland UNTEN LINKS Strom kommt aus der Steckdose, Nachrichten aus dem Radio und Schuhe aus dem Schuhladen. Jedenfalls musste man sie dort bis vor kurzem vollkommen altmodisch einkaufen oder noch viel, viel umständlicher: erst in diesem Internet bestellen und anschließend in irgendwelchen kilometerweit entfernten Geschäften abholen. Das ist zum Glück vorbei, innovative Latschen kommen künftig aus dem 3-D-Drucker. Die Sohle vom Latsch kann das heute schon. Sie besteht aus Elastomerpulver vom Typ Duraform Flex TPU, verstaut in Hunderten kleinen, offenen Zellen, die im »Selective-Laser-Sintering«-Verfahren hergestellt wurden. Inspiriert von der Silhouette des Fresh Foam Zante V2, mit Air-Mesh-Obermaterial und Bootie Construction. Was will man mehr? Jedenfalls reicht ein Knopfdruck und während der Mensch gemütlich auf der Chaiselongue liegt, quellen die neumodernen Sohlen aus dem Apparat. Zum Bezahlen einfach vier Hunderterscheine in den Druckerschlitz quetschen. ott ISSN 0323-3375 www.neues-deutschland.de Müller gewinnt Machtkampf in Berliner SPD Landeschef Stöß tritt nicht zur Vorstandswahl am 30. April an Fabian Lambeck entdeckt im Eckpunktepapier viele Parallelen zur Agenda 2010 Unaufrichtigkeit kann man der Kanzlerin in diesem Fall nicht vorwerfen. Mit Blick auf das geplante Integrationsgesetz der Großen Koalition sagte Merkel am Donnerstag, dahinter stecke die Idee des »Forderns und Förderns«. Schon einmal fußte eine große Reform auf jenem, für die Betroffenen oft verhängnisvollen Motto. Seitdem muss sich jeder Langzeitarbeitslose einem Regime beugen, das die Bedingungen dafür schuf, dass sich im ehemaligen Hochlohnland Deutschland eine Art Schattenarbeitsmarkt für Millionen Geringverdiener entwickelte. Das Integrationsgesetz atmet den Geist der Agenda 2010. Hier wird auf Zwang gesetzt und den Betroffenen per se Integrationsunwillen und Faulheit unterstellt. Das geplante Gesetz ist das Gegenteil eines Einwanderungsgesetzes, auf das viele Experten seit Jahren drängen. Statt Willkommenskultur schafft es eine Kultur des Zwangs. Inklusive Ein-EuroJobs, die das Potenzial haben, reguläre Beschäftigung zu verdrängen, wie nicht nur der DGB kritisiert. Und dass die Leiharbeit, die Gewerkschafter eigentlich zurückdrängen wollen, nun auch für die Geflüchteten freigegeben werden soll, ist sicher kein Beitrag zum sozialen Frieden. Die Überbetonung des Zwangs bei der Integration bestätigt zudem die »besorgten Bürger« in ihren Vorurteilen. Wer die Geflüchteten gleichzeitig zu potenziellen Lohndrückern machen will, sorgt dafür, dass sich das Misstrauen gegen die Neuankömmlinge so schnell nicht legen wird. Bundesausgabe 1,70 € Berlin. Der Machtkampf um den Landesvorsitzenden-Posten in der Berliner SPD ist entschieden. Amtsinhaber Jan Stöß erklärte am Donnerstag, dass er beim Landesparteitag am 30. April nicht gegen den Regierenden Bürgermeister Michael Müller antreten werde. »Keinesfalls will ich nämlich unseren Landesverband in eine Zerreißprobe führen, die den Erfolg der SPD bei den Wahlen im September aufs Spiel setzen würde«, begründete Stöß seinen Verzicht. Der 51-jährige Müller hatte am Mittwoch überraschend angekündigt, erneut Landesvorsitzender der Sozialdemokraten werden zu wollen. Die Parteiführung hatte er bereits in den Jahren 2004 bis 2012 inne, bis er auf einem Parteitag gegen Stöß den Kürzeren zog. Seine Kandidatur für den Vorsitz hatte Müller mit Blick auf die kommende Wahl damit begründet, dass es eine Struktur brauche, die Kräfte bündelt. mkr Seiten 4 und 11 Neue Regierung für die Ukraine Antikrisenprogramm angekündigt Foto: fotolia/Argus Berlin. Altersschwäche, Schlamperei, Terrorismus: Es ist nur die Frage wann und wo, nicht ob die nächste atomare Katastrophe passiert. Womöglich geschieht es in Deutschland. Denn obwohl man sich hierzulande für einen Ausstieg aus der Kernenergie entschieden hat, gehen bis zum endgültigen Ende der Nutzung der strahlenden Technologie weiter unkalkulierbare Gefahren von ihr aus. Diese lauern außerhalb (Terrorismus) wie innerhalb des Systems. Neuestes Beispiel: AKW Philippsburg. Ein Mitarbeiter des Energiekonzerns EnBW hat dort Kontrollen an Messeinrichtungen für Strahlenschutz nur vorgetäuscht. Deshalb will das baden-württembergische Umweltministerium den Betrieb der derzeit wegen einer turnusmäßigen Revision stillstehenden Anlage bis auf Weiteres untersagen. Laut dem zuständigen Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hätten nach derzeitigem Kenntnisstand die vorgetäuschten Prüfungen keine sicherheitsrelevanten Auswirkungen gehabt, auch die Emissionsüberwachung sei gewährleistet gewesen. Der Gefahr von außen schließlich verlieh am Donnerstag der mutmaßlich an den Pariser Anschlägen beteiligte Islamist Salah Ab- deslam sein Gesicht. Einem Zeitungsbericht zufolge soll er Unterlagen zum nordrheinwestfälischen Atomforschungszentrum Jülich in seiner Wohnung aufbewahrt haben. Neben ausgedruckten Internet-Artikeln zu der Kernforschungsanlage seien auch Fotos von deren Vorstandschef Wolfgang Marquardt gefunden worden, berichten die Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland unter Berufung auf Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und auch Mitglieder des Kontrollgremiums dementierten umgehend den Bericht. nd Seite 5 Geflüchtete unter Sanktionsdruck Bundesregierung bringt Integrationsgesetz auf den Weg / Papier für ein solidarisches Europa vorgelegt Ein Integrationsgesetz soll Rahmenbedingungen für Geflüchtete abstecken, wer unter welchen Bedingungen in Deutschland bleiben darf. Kritik an dem Vorhaben kam prompt auf. Von Christian Klemm Sechs Stunden saßen die Spitzen der Großen Koalition zusammen bis am frühen Donnerstagmorgen weißer Rauch aus dem Berliner Kanzleramt aufstieg. Laut Thomas Oppermann hat man Historisches vollbracht: »50 Jahre nach dem Beginn der Einwanderung bekommt Deutschland jetzt ein Integrationsgesetz«, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende nach der nächtlichen Sitzung. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel fand große Worte: Er nannte die Einigung »einen wirklich historischen Schritt«. Wie bereits bei der Arbeitsmarkreform vor fast 15 Jahren will sich die Bundesregierung bei der Integration am Grundsatz des »Förderns und Forderns« orientieren. Zum einen soll es 100 000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten – sogenannte Ein-Euro-Jobs –, Erleichterungen bei der Ausbildungsförderung und eine Verkürzung der Wartezeit auf einen Integrationskurs geben. Zum anderen will Schwarz-Rot sogenannte Mitwirkungspflichten für Schutzsuchende festlegen. So soll das Ablehnen oder der Abbruch von Integrationsmaßnahmen – ganz in der Tradition von Hartz IV – zu Kürzungen von Leistungen führen. Geplant ist außerdem, ein Daueraufenthaltsrecht nur anerkannten Flüchtlingen zu geben, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen – unter anderem bei Sprache, Ausbildung und Arbeit. Kritik ließ indes nicht lange auf sich warten. Das Vorhaben laufe auf ein »Desintegrationsgesetz« hinaus, erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. »Es gibt ein Angebotsdefizit der Bundesregierung, nicht einen Integrationsunwillen der Flüchtlinge.« Ein Integrationsgesetz, das Sanktionen vorsehe, fördere das Vorurteil, dass Schutzsuchende sich nicht integrieren wollten. Dieser Meinung schloss sich Katrin Göring-Eckardt an. »Wer heute immer noch nicht in der Lage ist, genügend Integrationskurse anzubieten, der sollte nicht über Sanktionen reden«, kritisierte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag. Thema des Spitzentreffens war auch der Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen. Die Koalition verständigte sich darauf, die »Ressortabstimmung« einzuleiten und damit in das Gesetzgebungsverfahren einzusteigen. Unterdessen rufen Intellektuelle, Gewerkschafter und Politiker aus SPD, Linkspartei und Grünen zu einem »radikalen« Kurswechsel hin zu einem solidarischen, demokratischen und sozialen Europa auf. »Aus dem Flücht- lingsdrama ist eine politische Zerreißprobe geworden«, heißt es in einem Papier. Es warnt davor, dass Europa »zwischen nationalistischen Egoismen und menschenfeindlicher Abschottungspolitik zerrieben« wird. Zu den Erstunterzeichnern des Appells zählen unter anderem Annelie Buntenbach, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands und der Sozialwissenschaftler Elmar Altvater. Seite 6 } Lesen Sie morgen im wochen-nd Beschrifteter Mensch: 30 Jahre Markenwahn Ausgemalte Bücher: Im Slow-Life-Café Ausgeschaltete Kritik: Medien unter Erdogan Kiew. Das ukrainische Parlament hat den 38jährigen Wolodimir Groisman zum neuen Ministerpräsidenten gewählt und damit am Donnerstag versucht, die monatelange Regierungskrise zu beenden. Der bisherige Parlamentsvorsitzende ist auch Wunschkandidat von Präsident Petro Poroschenko. Schon mit 28 Jahren war der gelernte Schlosser Bürgermeister der westukrainischen Stadt Winnyzja, dem Sitz von Poroschenkos Süßwarenkonzern Roshen. In der Obersten Rada in Kiew stimmten 257 Abgeordnete für Groisman. Mit dem selben Votum bestätigten sie den Rücktritt von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk, der die Regierung seit 2014 geführt hat. »Die Menschen möchten eine Perspektive haben«, sagte Groisman. Binnen eines Monats wolle er ein Antikrisenprogramm vorlegen. Verteidigungsminister Stepan Poltorak, Innenminister Arsen Awakow und Außenminister Pawel Klimkin blieben im Kabinett, die aus den USA und Litauen geholten Minister Natalia Jaresko (Finanzen) und Aivaras Abromavicius (Wirtschaft) schieden aus. dpa/nd Seiten 4 und 7 Advent bleibt für Amazon tabu Verwaltungsgericht untersagt Sonntagsarbeit vor Weihnachten Augsburg. Der Internet-Versandhändler Amazon darf auch im Weihnachtsgeschäft keine Sonntagsarbeit anordnen. Es handele sich um ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis, auf das sich das Unternehmen rechtzeitig einstellen könne, entschied das Verwaltungsgericht Augsburg am Donnerstag. Es lägen somit keine Gründe vor, die Ausnahmen vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonntagen rechtfertigen könnten. Amazon hatte in seinem Logistikzentrum in Graben bei Augsburg an den beiden Sonntagen vor dem Weihnachtsfest 2015 zusätzlich 300 Mitarbeiter einsetzen wollen. Die Gewerbeaufsicht bei der Bezirksregierung von Schwaben hatte das Vorhaben genehmigt. Dagegen erhob die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Klage. Im Eilverfahren untersagte das Augsburger Verwaltungsgericht im Dezember die geplante Sonntagsarbeit, im sogenannten Hauptsacheverfahren wurde diese Entscheidung nun bestätigt. Die Gewerkschaft sei in ihren spezifischen gewerkschaftlichen Rechten betroffen und somit klagebefugt, hieß es weiter im Urteil. dpa/nd
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