Die Reform ist sicher: Was uns bei der Rente erwartet – Fragen des Tages, Seite 2 Statement gegen das Weggucken: Die britische Musikerin PJ Harvey und ihr neues Album – Seite 21 BERLIN, DONNERSTAG, 14. APRIL 2016 / 72. JAHRGANG / NR. 22 728 Champions League: Bayern nach 2:2 im Halbfinale – Seite 19 WWW.TAGESSPIEGEL.DE Heu mit T te Alle F icket: il diese mstar ts r Woc he Konto wechseln? Web-Dienste und Apps helfen – Seite 16 BERLIN / BRANDENBURG 1,50 €, AUSWÄRTS 2,00 €, AUSLAND 2,20 € Einheitsdenkmal Mahnmal des Missmuts Foto: Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15. Mai 1871, Verlag Deichert, Erlangen, 1876/Quelle: Google Books Das Recht von 1871 Ein Klassiker der strafenden Macht, die Majestätsbeleidigung, namentlich die des fremden Fürsten, wie sie sich bereits im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich von 1871 findet. Es geht um Ehre und Diplomatie. Jetzt soll ein Satiriker die Tat begangen haben. Gekränkte Herrscher, die nach dem Staatsanwalt rufen, es gibt sie öfter. Etwa Klaus Wowereit – Seite 3 Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat Anklage gegen den Ex-Drogeriemarktkönig Anton Schlecker wegen vorsätzlichen Bankrotts erhoben. Der 71 Jahre alte Schlecker und weitere Familienmitglieder sollen kurz vor der SchleckerPleite Millionen beiseitegeschafft haben. Europas ehemals größte Drogeriekette Schlecker hatte im Januar 2012 Insolvenz angemeldet. Etwa 25 000 Menschen verloren ihren Arbeitsplatz. Die Gläubiger forderten rund eine Milliarde Euro. Das Unternehmen aus Baden-Württemberg hatte zu seinen Bestzeiten rund 9000 Märkte im In- und Ausland. Nach einem Streit um übertragenes Vermögen zahlte die Familie Schlecker dem Insolvenzverwalter gut ein Jahr nach der Pleite 10,1 Millionen Euro. dpa — Seite 17 Razzia in größtem Bordell Berlins Berlin - Rund 900 Beamte von Polizei, Staatsanwaltschaft, Zoll und Steuerfahndung waren am Mittwochabend an einer Großrazzia im größten Berliner Bordell „Artemis“ beteiligt. Laut Staatsanwaltschaft ging es unter anderem um schweren Menschenhandel. Sechs Haftbefehle gegen Verantwortliche des Bordells – „Betreiber und Hausdamen“ – wurden vollstreckt und Wohnungen durchsucht. „Es gibt auch Bezüge zum Rockermilieu“, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Er bestätigte auch Ermittlungen wegen des Betrugs bei Sozialabgaben sowie Steuerhinterziehung in Höhe von insgesamt rund 23 Millionen Euro. „Die Ermittlungen laufen seit 2015 unter hoher Geheimhaltung“, sagte Polizeisprecher Stefan Redlich. Tsp E Müller stellt die Machtfrage Der Regierende Bürgermeister will wieder an die SPD-Spitze – Kampfkandidatur gegen Stöß? Von Ulrich Zawatka-Gerlach Berlin - Wenige Monate vor der Abgeordnetenhauswahl ist in der Berliner SPD ein offener Machtkampf ausgebrochen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller bestätigte am Mittwoch am Rande einer Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten, dass er wieder als SPDChef kandidieren will. Der turnusmäßige Wahlparteitag der Sozialdemokraten findet am 30. April statt. Müller war bereits von 2004 bis 2012 Vorsitzender. Bisher war geplant, dass der amtierende Vorstand mit dem SPD-Landeschef Jan Stöß an der Spitze im Amt bestätigt wird. Allerdings hatte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel, ein enger Vertrauter Müllers, schon am Montag seine Kandidatur als Vize-Landeschef angekündigt. Und jetzt will Berlins Regierungschef die Parteiführung übernehmen. „Ich glaube, dass es richtig ist, die Führungs- N atürlich ist Shakespeare unsterblich, deswegen wird ja zum 400. Todestag rund um die Welt Shakespeare gespielt. Shakespeare kennt keinen Schmerz, der Typ hält alles aus. Es hat noch nie einen Regisseur oder einen Schauspieler gegeben, der Shakespeare totgekriegt hätte. Sein oder Nichtsein, das ist gar nicht die Frage. Wie bei Festivitäten dieser Größenordnung üblich, zieht sich das übers ganze Jahr hin, lange vor dem eigentlichen Sterbedatum, dem 23. April, und lange danach noch. „Shakespeare lives“ heißt das Motto in der englischsprachigen Welt, Norditalien feiert „Shakespeare in Veneto“. Tot und lebendig in Venedig: Dort gibt es dieses Jahr in diversen Palazzi „Othello“ und den „Kaufmann von Venedig“, na klar. Padua zeigt „Der Widerspenstigen Zähmung“, Verona führt die beiden gleichnamigen Gentlemen auf – und „Romeo und Julia“. Wobei die fatale Liebesgeschichte zwischen tödlich verfeindeten Clans ihren historischen Kern eigentlich in Vicenza hat. Shakespeares Geografie ist pure Fantasie. Orson Welles drehte seinen „Othello“ in Marokko, so wie die frage eindeutig zu klären“, begründete Müller seinen Schritt. Es sei ein übliches Modell, dass der Ministerpräsident auch der Vorsitzende der Regierungspartei sei. Nicht nur für die Zeit des Wahlkampfs, sondern auch danach sei es gut, „Eindeutigkeit zu haben“. Müller sagte, er habe den derzeitigen SPD-Chef Jan Stöß über seine Kandidatur informiert. Offen bleibt vorerst, ob es auf dem Parteitag zu einer Kampfkandidatur kommt. Stöß müsse sehen, „wie er damit umgeht“, sagte Müller. Der amtierende Landeschef erklärte, Berlins SPD sei jetzt „in Genosse Kontrahent. Jan Stöß (links) und Michael Müller. Anhalter Bahnhof Schlag den Shakespeare Italowestern in Spanien entstanden. Das ist das Shakespeare-Prinzip, egalglobal. Sein letztes Stück, „Der Sturm“, hat eine einsame Insel in der Karibik zum Schauplatz. Die hat Shakespeare so wenig gesehen wie Italien, Böhmen (das liegt bei ihm bekanntlich am Meer) oder Zypern, wo Othello hinsegelt, um die Türken zu schlagen. — Seite 7 und Meinungsseite Foto: imago/IPON Auch wenn es bei Shakespeare reine Fiktion ist, ein Spiel der Gedanken und Gefühle: Die Aura des Authentischen verbreitet Zauber. In Leipzig lockt Auerbachs Keller, da fühlt man sich dem Studenten Goethe nahe, der später Autobiografisches hineinwob in den „Faust“. Und Berlin? Hat den „Hauptmann von Köpenick“ und den Gerhart Hauptmann in Erkner, die Preußen- und Germania-Dramen von Heiner Müller und das West-Berlin eines Botho Strauß, das sich auch bei Tschechow gut aufgehoben fühlte. Brechts „Dreigroschenoper“ spielt nominell in London, doch eigentlich überall auf der Welt – wie die „Linie 1“ vom Grips-Theater, die Ende April ihren 30. Geburtstag feiert. Shakespeare in Berlin 2016: Das ist Lars Eidingers „Richard III“- Spuk an der Schaubühne, das ist der wüste „Othello“ am Gorki-Theater, das sind auch die queeren „Meteoriten“ der Sasha Marianna Salzmann, die am Freitag dort uraufgeführt werden. Wenn Shakespeare zündet, dann liegt der Originalschauplatz genau dort, wo ein Theater sich neu oder jeden Abend aufs Neue erfindet. Ein Wintermärchen, ein Sommernachtstraum. Rüdiger Schaper — Seite 10 keiner einfachen Situation“. Ihm gehe es um den Erfolg der Partei „und darum, wie wir diesen Erfolg gemeinsam erreichen können“, teilte Stöß mit. Dazu wolle er weiter seinen Beitrag leisten. „Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich mich über den weiteren Weg mit Familie und Freunden beraten möchte.“ Am Donnerstag will Stöß eine Erklärung abgeben. Mehrere SPD-Kreisvorsitzende signalisierten bereits ihre Unterstützung für Müller. Noch in dieser Woche wollen sich die zwölf Kreischefs treffen und die Lage beraten. Müller kann wohl mit einer breiten Zustimmung für seine Kandidatur rechnen. Auch der SPD-Fraktionschef Raed Saleh stellte sich am Mittwoch hinter Müller. „Wir sind uns auch einig, dass die Berliner SPD ihren Kurs als linke Volkspartei mit sozialem Profil fortsetzt“, sagte Saleh. C INDEX D WIRTSCHAFT & BÖRSEN . . . . . . . . . 15–17 China exportiert mehr. Dax Das macht Anlegern Mut und trieb den Dax um 2,7 Prozent auf 10 026 Punkte. WETTER ............................................ 2 Erst regnet es, dann reißen die Wolken auf, zum Abend wird es sonnig. April eben. 11 /4 Auch in den nächsten Tagen gibt es von allem etwas. Dabei wird es am Wochenende noch etwas wärmer. SPORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 + 20 TAGESTIPPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 MEDIEN/TV-PROGRAMM . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 IMPRESSUM & ADRESSEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 [email protected] TEL. REDAKTION . . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 0 TEL. ABO-SERVICE . . . . . . . (030) 29021 - 500 TEL. SHOP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 520 TEL. TICKETS . . . . . . . . . . . . . (030) 29021 - 521 ISSN 1865-2263 40015 4 190662 202006 Foto: Ben Stansall/AFP Anklage gegen Schlecker Von Bernhard Schulz s ist ein Leichtes, das ruhmlose Ende des Projekts Einheits- und Freiheitsdenkmal kalauernd zu begleiten. Erst hat es sich auf- und nun ausgeschaukelt. Dabei ist das Ganze ein Trauerspiel, doch kaum eine echte Tragödie. Zu der gehört die Unentrinnbarkeit, das schuldlose Schuldigwerden. Das Begräbnis zweiter Klasse, das der Einheitswippe vordergründig aufgrund davoneilender Kosten zuteil wird, ist indessen sehr prosaisch. Unentrinnbar war das Ende nicht. Das waren auch die Auflagen aus Umwelt- und Denkmalbehörden nicht, die neben der Umsiedlung von Fledermäusen die Restaurierung unzugänglicher Kellergewölbe forderten. Unentrinnbar waren sie höchstens nach dem Maßstab Berliner Verwaltungshandelns, das sich noch stets in einer Weise zu verknoten vermag, dass der antike Laokoon dagegen mit Papierschlangen zu ringen hatte. Die Ursache liegt tiefer. Ein Denkmal, das an die Erringung der deutschen Einheit in Freiheit erinnern soll, an die wundersame Geschichte von Mauerfall und Wiedervereinigung, fand weder in der Politik noch gar in der Öffentlichkeit die nötige kraftvolle Unterstützung, da verfing auch Wolfgang Thierses frühe Hoffnung auf ein „Mahnmal des historischen Glücks“ nicht. Der deutsche Selbsthass, der jeden auch nur halbwegs hellen Befund am zweifellos stockdüsteren Geschichtsgemälde des 20. Jahrhunderts unter den Generalverdacht übelsten Nationalismus stellt, erlaubt keine sichtbare Freude über die Geschehnisse vom 9. November 1989 bis zum 3. Oktober 1990. Fähnchenschwenken zu Fußballereignissen, das mag angehen, es währt ja auch nicht ewig; aber ein Denkmal, seiner Natur nach auf Dauer und Sichtbarkeit angelegt, darf wohl nicht sein. Dass die Künstler zum ausgelobten Wettbewerb Ideen lieferten, als deren Gipfelpunkt das Auf- und Abgewippe auf goldgrundierter Schale zum Sieger gekürt wurde, konnte kaum verwundern. Die zeitgenössische Kunst hat keine Formen mehr, die einem geglückten Moment der Geschichte Ausdruck zu geben vermöchten. Den furchtbaren Momenten im Übrigen ebenso wenig, deswegen haben sich Denkmäler mit bloßer Aufreihung von Opfernamen als Standard weltweit durchgesetzt. Schämen wir uns der Freude, die nach dem 9. November ein ganzes Land, pardon: eine ganze Nation, erfasst hatte? Der Freude, wenigstens dieses eine Mal ohne Gewalt und Chaos vor der Geschichte bestanden zu haben, unverdient, ungeplant – aber geadelt durch die Umsicht, mit der der Einigungsprozess ins Werk gesetzt wurde. Dieser Freude ohne Auftrumpfen gegenüber Nachbarländern Ausdruck zu geben – vor der Aufgabe haben von Kunst bis Politik alle versagt. Dass die Haushälter des Bundestages kein weiteres Kostenabenteuer eingehen wollen, ist verdienstvoll, aber lächerlich angesichts der Milliarden, die anderenorts versenkt werden. Wollen wir nun ein Denkmal deutscher Spartugend errichten? Der französische Historiker Ernest Renan nannte in seinem berühmten Vortrag von 1882 die Nation „ein tägliches Plebiszit“, nichts Statisches, sondern eine beständige Abstimmung, eine Selbstvergewisserung. Die glücklich gefügte deutsche Einheit hat es offenbar nicht zu jener Selbstverständlichkeit gebracht, die ein Denkmal als sichtbares Zeichen ermöglicht. Das ist der Befund, der vom Beschluss des Bundestags aus zu erstellen ist. Ein Trauerspiel. ANZEIGE x Sie bauen oder renovieren? Wir haben die passende Küche. Mit der Erfahrung von über 40 Jahren begleiten wir Sie auf dem Weg von der ersten Idee, über die Planung bis zu Ihrer fertigen Traumküche. Brock & Stephan Einbauküchen GmbH Bundesallee 155 | Tel. 030 · 8538055 www.brock-stephan.com
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