Glimpses 1/2016

01/2016
Vom Genuss keine Vorsätze zu haben
Vielleicht haben Sie dieses Jahr auf gute Vorsätze verzichtet, weil noch so viele aus der Vergangenheit offen sind
und Sie sich diesbezüglich in einem „Dauer-Unzufriedenheits-Zustand“ befinden. Hier einige Gedanken, die mir
dazu durch den Kopf gegangen sind. Als Moderator von
Workshops und Seminaren bin ich immer wieder fasziniert,
dass Führungskräfte die Qualität des Workshops in einer
Korrelation mit der Quantität der „to do“-Punkte auf der
finalen Excel-Liste bewerten. Dass der Wert eines Workshops vor allem in Gesprächen und den daraus entstandenen Verbindlichkeiten liegt – im Sinne von „sich mit jemandem verbunden fühlen“ – scheint zu wenig, zu flüchtig, zu
unverbindlich zu sein, ja trägt den Geruch einer Spassveranstaltung in sich. Verständlicherweise tun sich Führungskräfte damit schwer; sie sind schliesslich darauf getrimmt,
dass nur Resultate zählen. Alles andere ist als Misserfolg zu
werten. Nun weiss jede Führungskraft (und jeder Workshop-Teilnehmer) aus eigener Erfahrung, dass „to do“-Listen kaum je konsequent nachverfolgt werden. Das operative Geschäft, drückende Deadlines und die Hektik des Alltags lassen ein Nachhalten gar nicht zu. Die „to do“-Liste
ist oft ein Feigenblatt. Man ist sich dessen bewusst, bewahrt Stillschweigen und tut so, als ob alles bestens wäre.
Was von „to do“-Listen und Vorsätzen bleibt, ist ein
schlechtes Gewissen und das Gefühl, Erwartungen – eigene
oder solche Dritter – nicht erfüllt zu haben oder erfüllen zu
können. Sie könnten jetzt eine Persönlichkeits-Emanzipation einleiten und sich von diesen Spielchen verabschieden.
Was bliebe, wäre eine wieder entdeckte Freiheit und ein
gutes Stück Souveränität ganz im Sinne von: Du bist dein
eigener CEO! Es ist ebenso ein Schritt Richtung mehr Spass
im Alltag. Stellen Sie sich vor, Sie geniessen es keine „to
do“-Liste zu haben, Sie entwickeln eine Affinität für das
Nicht-Perfekte und beginnen Fehler als Entwicklungschance zu sehen. Entscheiden Sie selbst, was wichtig ist
und was erledigt werden muss und befreien Sie sich von
den Schuldgefühlen des Nichtgenügens. Anstatt Vorsätze
machen Sie die Dinge, die Sie gerne und damit auch gut
machen. Das ist der wirkliche Nutzen von „sich keine Vorsätze“ zu machen.
klimmen, desto grösser ist der Wunsch nach selbstbestimmter Zeit und die Enttäuschung jeweils gross, dass dem
nicht so ist. (Henry Mintzberg hat das in seinem Klassiker
„What manager really do“ beschrieben.)
Die Mail einer Führungskraft bei
Google an ihre Mitarbeiter (siehe
Link unten für den ganzen Artikel) birgt einen Lösungsansatz:
Führungskräfte haben, wie sie es
nennt, zwei Ansätze, wie sie ihre
Zeit planen können: Manager’s
time und maker’s time. Manager’s time ist in 30 Minuten Blöcke aufgeteilt, welche die operativen Alltagsaufgaben beinhalten: Besprechungen, Sitzungen,
Telkos, entscheiden, delegieren, das ganze Repertoire der
Dringlichkeiten des Managens; ausser den wichtigen Dingen, eben maker’s time, das Entwickeln, das Erneuern, das
Auf- und Ausbauen vom Geschäft. Das braucht „Zeit am
Stück ohne Unterbrechung“ und es braucht „Zeit zum
Nachdenken ohne Unterbrechung“ z. B. durch die Trivialitäten des Dringenden. Darum schlägt der Absender vor, die
beiden Zeiten zu kategorisieren und bittet seine Mitarbeitenden, ihn im Maker’s-Modus ungestört arbeiten zu lassen. Er versuche sich seinerseits daran zu halten, bietet er
an. Womit wir wiederum beim Eröffnungssatz dieser Anmerkungen wären.
http://www.fastcompany.com/3054571/work-smart/the-better-time-managementstrategy-this-googler-taught-his-coworkers?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_campaign=fast-company-weekly-newsletter&position=1&partner=newsletter&campaign_date=12182015
Glimpses
Artikel mit Titeln wie „how to be successful at everything
you do“ schaffen es selten, dass ich sie beachte. Wenn aber
der Untertitel „Wie die «to do»-Liste Sie von Ihrem Erfolg
abhält“ lautet, dann klicke ich auch mal drauf, umso mehr
als ich ein Freund von Listen bin.
Roland Schochs Anmerkungen
Die Kritik an der „to do“-Liste sind im Wesentlichen die folgenden drei Punkte:
In hierarchischen Organisationen bestimmt der Vorgesetzte, wie seine Mitarbeiter die Zeit nutzen und wie produktiv sie sein können. Nur wenige mögen diese Fremdbestimmung und je höher Menschen die Karriereleiter hoch-
1. Sie berücksichtigen den Zeitaufwand nicht.
2. Sie unterscheiden nicht zwischen dringend und wichtig.
3. Sie tragen zum gefühlten Stress bei, weil so viel unerledigt bleibt.
Anstatt „to do“-Listen zu führen empfiehlt der Autor, den
Kalender und folgende Techniken zu nutzen:
1. Blockieren Sie Zeit für die wichtigsten Dinge und akzeptieren Sie nicht jede Terminanfrage.
2. Denken und planen Sie eher in 15 Minuten Einheiten
anstatt in 30 Minuten Segmenten wie von vielen Kalendern vorgeschlagen. Ganz vieles lässt sich auch in 15
Minuten erledigen.
3. Terminieren Sie alles. Anstatt Ihre Mails jedes Mal zu lesen wenn es klingelt, können Sie drei feste Zeitfenster
dafür einrichten. Anstatt „Schwester anrufen“ in die „to
do-Liste“ zu nehmen blockieren Sie eine Zeit in Ihrem
Tagesverlauf, den Sie für Rückrufe nutzen.
All das kennen Sie schon und Sie können die Finger trotzdem nicht vom Handy lassen? Dann ist die Alternative, dass
Sie sich von den Erwartungen verabschieden, die Sie und
Ihr Umfeld an Sie haben. Mit einem soliden Mass Selbstbewusstsein könnten Sie dem Perfektionismus und den
Höchstleistungsphantasien entgegenwirken, aber auch
dem schlechten Gewissen und der Unzufriedenheit, die Unerledigtes und Enttäuschungen mit sich bringen.
http://www.fastcompany.com/3056852/how-to-be-a-success-at-everything/whycreating-a-to-do-list-is-derailing-your-success?utm_source=mailchimp&utm_medium=email&utm_campaign=fast-company-weekly-newsletter&position=2&partner=newsletter&campaign_date=02262016
Leadership
Mitarbeiter-Bindung ist ein mittlerweile ziemlich ausgelutschter Begriff. Irgendwie ist dazu doch alles gesagt und
geschrieben und doch haben Unternehmen und ihre Führungskräfte bis heute kuriose Ansichten zu diesem Thema.
Die harmloseren Ideen sind von Dienstwagen über Seminarbesuche und Teilnahme an Weiterbildungsaktivitäten aller Art bis hin zu den extravaganteren Beispielen wie firmeneigenes Fitnessstudio mit Personal-Trainern oder Bonuszahlungen, die das Jahresgehalt verdoppeln.
Keine dieser Leistungen wird Mitarbeitende langfristig an
ein Unternehmen binden. Materielle Zuwendungen haben
ein sehr hohes Eskalations- und Enttäuschungspotenzial.
Mitarbeitende gewöhnen sich schnell an das „Mehr“ und
neigen dazu, es als selbstverständlich zu betrachten. Fällt
der materielle Segen dann weg oder wird gekürzt, ist die
Frustration dementsprechend hoch.
Dabei hat Bindung mit Verbundenheit zu tun. Sich einem
Unternehmen verbunden zu fühlen – ob als Kunde oder als
Mitarbeitende – ist eine emotionale Angelegenheit.
Als Verbundenheit wird in der Kommunikations-Psychologie das Gefühl bezeichnet, sich einer anderen Person oder
einer Personengruppe zugehörig zu fühlen und in einer gegenseitig vertrauensvollen Beziehung zu stehen.
Nach Friedemann Schulz von Thun ist die Verbundenheit
eines der vier seelischen Grundbedürfnisse – neben dem
Empfinden von Eigenwert, einem ausreichenden Grad an
Freiheit und dem Bedürfnis, geliebt zu werden.
Wenn Sie „Warum Mitarbeiter kündigen“ in die Suchzeile
von Google eingeben, erhalten Sie zum Beispiel die folgenden drei Links:
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http://www.experteer-blog.de/magazin/warum-kuendigen-gute-mitarbeiter/
http://www.huffingtonpost.de/2016/02/28/gute-mitarbeiter-kuendigen_n_9341370.html?1456672536
http://www.focus.de/finanzen/videos/wenn-mitarbeiter-ihren-chef-verlassen7-dinge-die-gute-angestellte-in-die-kuendigung-treiben_id_5188945.html
Die wahren Gründe, warum gute Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, sind nicht materieller, sondern emotionaler Art. Mitarbeiter kündigen nicht den Job, sondern ihrem Chef, schreibt die Huffingtonpost.
Als Führungskraft können Sie Ihre Mitarbeitenden fragen,
was sie in ihrem Job hält – eine einfache und eher banale
Sache, aber selten gemacht. Sie wüssten es dann allerdings
aus erster Hand und können genau das Richtige tun, um
ihr Team zusammenzuhalten.
Mit Blick auf Friedemann Schulz von Thun gibt es ganz viele
Anregungen, die in ihrer Umsetzung so einfach und kostenneutral sind, dass ich mich frage: Warum tun es Führungskräfte nicht öfter?
Ein Anfang wäre, wenn das Team gemeinsam Kaffee trinkt.
Vieles kann in einer Viertelstunde besprochen werden, das
sonst unter den Tisch fällt, sei es, weil es sich nicht lohnt,
dafür eine Besprechung anzuberaumen, sei es, weil die
Themen zu privat sind oder einfach kein Gefäss dafür im
Alltag zur Verfügung steht. Ein Kunde hat daraus eine sehr
effiziente und effektive Kommunikationsplattform gemacht. Einmal pro Woche nutzt die Geschäftsleitung die
Kaffeepause um zu informieren und Feedbacks einzuholen.
Was sonst wertvolle Arbeitszeit verbraucht oder Sitzungen
in die Länge zieht, geschieht einmal pro Woche in 15 bis
20 Minuten.
Kontakt
Vielen Dank, wenn Sie diese Email an Vorgesetzte, Führungskräfte, Kollegen/innen, Mitarbeiter/innen und an all
jene Personen weiterleiten, die GLIMPSES interessieren
könnte. Frühere Ausgaben von GLIMPSES finden Sie auf
meiner Website www.rolandschoch.ch unter „Downloads“. Falls Sie GLIMPSES nicht mehr erhalten möchten,
mailen Sie uns: [email protected]