02/2016 „Ratlose Firmen“ So lautet ein Beitrag in der Schweizer Handelszeitung vom 2. Juni dieses Jahres. Der Auslöser des Artikels war der Suizid eines kürzlich entlassenen CEOs eines prominenten Schweizer Versicherungskonzerns; der zweite Fall in dem Unternehmen innerhalb von 2 Jahren und beide betrafen Manager in „C“-Positionen. Personen, von denen man annehmen konnte, dass es kaum existenzielle Sorgen waren, die zu einer solchen Verzweiflungstat führten. Menschen, die im Umfeld von gefährdeten Personen, sei es Burnout, Depressionen oder gar Suizid leben, fragen sich oft, warum sie nichts gesehen oder bemerkt haben. Tatsächlich nehmen die meisten die Signale wahr, interpretieren sie aber nicht als das, was sie sind: Ein Hilfeschrei! Die Ratlosigkeit der Firmen ist nun zweierlei. Erstens wird die Gesundheit bei den meisten Firmen vorausgesetzt und als individuelle Verantwortung gesehen. Wie sollen wir uns um etwas kümmern, das wir schon immer weg delegiert haben? Zweitens wissen Unternehmen in der Regel nicht, wie sie dieses Thema anpacken sollen. Oft bleibt es bei „Heftpflaster oder Aspirin“. Das sieht dann so aus, dass ein renommierter Spezialist, z.B. ein Präventionsmediziner, Workshops durchführt oder eine Seminarreihe zum Thema „Resilienz“ (psychische Widerstandsfähigkeit) im Unternehmen laufen. Diese oft gut gemachten Veranstaltungen sprechen vor allem unseren Verstand, unsere kognitiven Kompetenzen an. gut genug. Diese Kultur der perpetuellen Unzufriedenheit ist Gift für die Kultur der Achtsamkeit, die dringend notwendig wäre, wollte man eine innerbetriebliche „Care“-Kultur (im Sinne von sich kümmern) entwickeln. Es ist also viel mehr ein Entwicklungsprozess, in den alle Mitarbeitenden und Führungskräfte einbezogen werden sollen und nicht eine Aktion, die sich auf Schulung und Workshops beschränkt. Ein Prozess braucht Betreuung, Unterstützung und ein Referenzsystem, an dem die Menschen im Unternehmen diese Entwicklung festmachen können. Weitere Eckpunkte einer Care-Kultur sind: 1. Persönliche Entwicklungsziele genauso gewichten wie betriebliche Leistungsziele 2. Abkehr von extrinsischen Motivatoren (materielle Belohnung etc.) zu intrinsischen Motivatoren (Inhalte, (Selbst)-Verantwortung etc.) 3. Fokus auf Gemeinsames und Unternehmensziele sowie reduzierte Gewichtung von Abteilungs- und Bereichszielen 4. Alle Mitarbeiter am Gesamtergebnis beteiligen und für faire Gewinnverteilung sorgen 5. Der individuelle Beitrag zum Unternehmenserfolg in Relation zum individuellem Beitrag zur Unternehmenskultur-Entwicklung stellen Roland Schochs Anmerkungen Wer nun glaubt, dass Menschen ihr Verhalten auf Grund von Informationen ändern, hat nichts begriffen. Nicht einmal die Einsicht, dass man etwas tun muss, ändert das Verhalten von Menschen (siehe Glimpses 03/2014 im Download Bereich meiner Website www.rolandschoch.ch). Es braucht viel mehr als das Bewusstmachen von Sachverhalten. Es ist ein wichtiger erster Schritt; nur zu oft bleibt es aber dabei. Wie könnte es auch anders sein. Jeden Tag werden uns unzählige Sachverhalte bewusst gemacht und Führungskräfte hören jeden Tag, dass sie noch mehr tun müssen (siehe http://www.xingnews.com/reader/news/articles/307836?newsletter_id=13754&xng_share_origin=email oder ein längerer Text in Englisch zu diesem Thema von McKinsey http://www.mckinsey.com/global-themes/leadership/the-art-and-science-of-well-being-atwork?cid=other-eml-alt-mip-mck-oth-1602). Nie ist es Verkaufen ist für viele die Königsdisziplin aller Geschäftstätigkeit und thront über allem anderen. Für andere wiederum ist verkaufen eine undurchsichtige Tätigkeit, bei der man sich nur eine blutige Nase holen kann, gemacht für Masochisten. Wieder andere streiten Verkäuferinnen und Verkäufer jede Kompetenz ab und behaupten, ein gutes Produkt oder Service müsse nicht verkauft, sondern nur verteilt werden. Wenn nun jemand aus der letzteren Gruppe die Verantwortung für ein Unternehmen übernimmt, zieht eine Misstrauenskultur ein, die nur ganz schwer wieder zu überwinden ist. Die Misstrauenskultur ist „Chef-gemacht“. Sie unterstellt den Vertriebsmitarbeitenden, dass sie zu opportunistisch und zu wenig konsequent arbeiten. Vertriebsmitarbeiter sehen sich in Misstrauenskulturen immer wieder in der Rechtfertigungsrolle; sie müssen beweisen, dass sie fleissig sind. Unternehmen führen Kennzahlen ein, um Fleiss und Disziplin kontrollieren zu können und die Zielsetzungen werden fast ausnahmslos Jahr für Jahr hochgeschraubt, man möchte ja mehr als nur die tiefhängenden Früchte ernten. Gegen ehrgeizige Ziele ist auch nichts einzuwenden, insbesondere wenn diese aus einer langfristigen Strategie abgeleitet sind. So sind MarktanteilKennziffern, die Anzahl und Entwicklung von Neukunden im Verhältnis zu Bestands-Kunden oder Ausschöpfungsquoten Ziele, die einer hohen internen Qualität (schlanke und schnelle Prozesse, hohe Service-Qualität nach innen, weniger Chefs und mehr Eigenverantwortung etc.) bedürfen. Sind hohe Stückzahlen das strategische Ziel, braucht es eine aggressive Preispolitik. Sind es hohe Umsatz- und Ergebnisziele, bedarf es einer tiefen Kostenstruktur und schlanker Prozesse. Es ist also weniger der Fleiss der Vertriebler, der erfolgsentscheidend ist, sondern das Management muss seine Hausaufgaben (siehe Beitrag „Leadership“) machen. Das ist wiederum anspruchsvoller als dem Vertrieb Untätigkeit zu unterstellen. Glimpses Ein Netzwerkpartner hat mir vor einigen Tagen den „St. Gallen Executive Report 2016“ zugeschickt (https://www.es.unisg.ch/files/StGallenExecutiveEducati onReport2016.pdf). Hier eine Zusammenfassung des „Executive Summary“: 1. Executive Learning and Development (L&D) wird von den Befragungsteilnehmern als wichtig aber unwirksam beurteilt. 2. Unterstützung (commitment) der Geschäftsleitung (C-Level) wird als der wichtigste Treiber für den Erfolg von L&D angesehen. 3. Das Engagement der Geschäftsleitung ist wichtiger als der Einsatz von neuen Technologie-basierten Lernformaten. 4. Der Return von Executive L&D kann nicht in finanziellen Kennzahlen gemessen werden. 5. Executive L&D wird in Zukunft strategischer und die Erwartungen werden höher. Keine dieser Ergebnisse sind neu und sie grenzen schon beinahe ans Banale. Schlimmer noch: Sie stehen im krassen Widerspruch zur gelebten Realität. Unternehmen sind immer weniger bereit, in ihre Führungsriege zu investieren, sondern wechseln die Akteure aus und erwarten „fertige“ Performer. Im Gegensatz zu L&D-Investitionen sind Auswechslungs-Kosten einfacher zu begründen aus der Not der Zahlen, die den aktuellen Geschäftsgang reflektieren. Da muss man doch handeln! Leadership „Den Vertrieb zum Erfolg führen“; einige Gedanken dazu: Der Stellenwert einer Vertriebsorganisation hängt im hohen Masse von der Grundorientierung, d.h. der Herkunft des Unternehmens, ab. Ein Hersteller von Güter verdient nur Geld, wenn seine Produktionsanlagen ausgelastet sind, ein Engineering-Unternehmen hingegen durch die Innovationskraft der Mitarbeitenden. Beide werden Vertrieb eher als notwendiges Übel denn als Kernkompetenz ansehen. Handelsfirmen sind – nomen est omen – diesbezüglich anders gestrickt. Sie wissen um die Bedeutung des Vertriebs und der finanzielle Erfolg hängt nicht von der Auslastung der Produktionsanlagen ab, sondern vom Geschick des Einkaufs und der Qualität des Vertriebs. Was sind denn die Herausforderungen des Vertriebs und worin unterscheiden sie sich zu früher? Hier eine Liste der wichtigsten Punkte: 1. Befreiung des Vertriebs von administrativem und bürokratischem Ballast. Dazu muss über die Kernaufgaben der Vertriebsmitarbeiter Einigkeit bestehen. Wer diese mit administrativen Aufgaben zumüllt um Kosten zu sparen, denkt kurzfristig und schwächt seinen Vertrieb. 2. Führungskräfte finden, die den Vertriebsmitarbeitern etwas zutrauen, menschlich vertrauen und fordern (nicht drohen). 3. Den Kunden das verkaufen, was und wie sie es wollen. 4. Wachstumsmärkte vor dem Wettbewerb entdecken, d.h. etwas wagen und investieren. 5. Technologische Entwicklungen nutzen und nicht bekämpfen. 6. Vertrieb als Radar von Marktentwicklungen nutzen und dadurch Veränderungen initiieren, anstatt als „Meckertruppe“ abtun. 7. „Big data“ als Veränderungstreiber nutzen und nicht zur Beweisführung für die unvorhersehbare Zukunft missbrauchen. 8. Der eigenen Intuition vertrauen, Synthese von Data ist wichtiger als Data-Analyse. Kontakt Vielen Dank, wenn Sie diese Email an Vorgesetzte, Führungskräfte, Kollegen/innen, Mitarbeiter/innen und an all jene Personen weiterleiten, die GLIMPSES interessieren könnte. Frühere Ausgaben von GLIMPSES finden Sie auf meiner Website www.rolandschoch.ch unter „Downloads“. Falls Sie GLIMPSES nicht mehr erhalten möchten, mailen Sie uns: [email protected]
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